Hamburg. In der Sammlung Falckenberg zeigen Hamburger Künstler Mut – und überraschend wenig Humor. Lohnt sich ein Besuch?

Zwei Archäologinnen durchforschen ein dunkles Gewölbe. Mit Metallhaken schaben sie am Mauerwerk, düstere Ahnungen werden ausgetauscht: Anscheinend war das Gebäude einst ein Kino, drastische Unglücksszenen seien auf der Leinwand zu sehen gewesen. Dann entdeckt die eine Forscherin etwas, aus einem Spalt fließt eine klebrige Masse, die unter orgiastischem Stöhnen abgeleckt wird… Rosanna Graf hat mit „Cellar Door“ einen Low-Budget-Horrorfilm gedreht, der Kunst, Sex und Angst miteinander verbindet, dafür bekam die HfBK-Absolventin 2020 (gemeinsam mit neun weiteren Künstlern) das mit monatlich 1500 Euro dotierte Arbeitsstipendium für Bildende Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg 2020.

Rauminstallationen, Wand­objekte: Großer Ernst bei Projekten

Die Stipendiatenjahrgänge 2020 und 2021 sind aktuell in der Harburger Sammlung Falckenberg zu sehen, und Grafs Horrorfilm ist einerseits typisch für die Zusammenstellung. Kaum jemand lässt sich noch auf ein einzelnes Genre wie Malerei oder Bildhauerei festlegen. Auf gewisse Weise stellt Grafs Mischung aus Performance, Skulptur, Video und Architektur andererseits eine Ausnahme dar: Ihre Arbeit beweist neben ihrer bedrückenden Anmutung nämlich auch: Humor.

Simon Hehemanns Rauminstallationen, die sich akribisch mit dem Motiv des Kreises befassen: strenge, stille, poetische Werke. Elisabeth Mochs Wand­objekte: Dekonstruktionen von Hinterglasmalerei, die die Malerei in zopfartigen Geweben aus Brennnesselfasern verschwinden lässt. Clara Palmberger-Süßes Gemälde: ein formal interessantes Spiel mit Vorder- und Rückseite, das mehr an Bühnenbilder erinnert als an Malerei. All diesen Arbeiten ist gemein, dass ihr Stoff selbst zum Sujet wird. Und dass alle Künstler mit großem Ernst an ihren Projekten arbeiten.

Jessica Halms „In A Dim Corner Of My Room“ ist dagegen ein Ausbund an Sinnlichkeit. Zeltartige Gazevorhänge umschließen Kissen und Objekte aus leichtem Stoff, man möchte sich hineinfallen lassen in diese weiche, flüchtige Installation. Eine ganz andere Zeltinstallation hat Alex Hojenski für ihre HfBK-Abschlussarbeit „Die Brut“ gebaut: wuchtig, grob, industriell. Und in der direkten Nachbarschaft zeigt David Fletcher Fleckengemälde, die sich mit kleinen Hundekotbeuteln in den gesamten Raum ausbreiten.

Mehrere Beiträge sind Rückgriffe auf Malerei

Mehrere Beiträge sind Rückgriffe auf Malerei, die zu Installationen erweitert wird. Elisa Barreras Zeichnungen etwa, die den Raum als Kulisse des Nachtlebens neu erfinden, Paul Glaws minimalistischer Neo-Surrealismus mit fetischisierten Objekten und leeren Landschaften, Laura Franzmanns großformatige Wandarbeiten im Treppenhaus, die in der Teppichknüpf-Technik des Tuftens entstanden sind, was hier einen rätselhaften, figürlichen Gemäldecharakter annimmt.

Klare Bekenntnisse zum Genre findet man trotz dieser handwerklichen Fertigkeiten selten. Soyon Jung stellt mit „Aushungern und Demoralisieren“ kleinformatige Radierungen aus, Ansichten von Stadtbefestigungen in einer apokalyptisch anmutenden Zukunft – Kunst, die in Kriegszeiten eine überraschende Dringlichkeit erhält. Und der 1988 im Kosovo geborene Korab Visoka zeigt Fotografien, die sein Konzept der „Balkansphäre“ verdeutlichen, einer mythischen Region, deren vorgebliche Natürlichkeit immer wieder als Projektion kenntlich wird.

Natürlich ist nichts an „when you and your goat find bread“ von Christina Köhler, die als Künstlerin unter dem Namen Tintin Patrone bekannt ist. Sie hat eine Art Streichelzoo gebaut, mit bemoosten Steinen, einem Baumstumpf und einer niedlichen Ziege. Bloß ist das Moos ein popbuntes Kissen, das Holz ist augenscheinlich Kunststoff und die Ziege ein Roboter. Was das Konzept Humor dann doch noch einmal in die Ausstellung holt.

Arbeitsstipendium für Bildende Kunst bis 6.11., Sammlung Falckenberg, Phoenix Fabrikhallen, Wilstorfer Str. 71, So 12–17 Uhr, Führungen Fr 16 und 18 Uhr, Sa 15 Uhr, www.sammlung-falckenberg.de,T. 32 50 67 62