In „Märzengrund“ von Adrian Goiginger will der Alm-Öhi nicht ins Tal. Eine Filmkritik.

„Du kummscht wieder auffi“: Das verspricht seine Schwester. Aber Elias (Johannes Krisch) wehrt sich mit Händen und Füßen. Er will nicht ins Tal. Da war er 40 Jahre nicht mehr. Wie der Alm-Öhi bei „Heidi“ lebt er einsam und allein im Berg. Und wie dieser ist auch er darüber unwirscher und eigentümlich geworden. Aber nun hat er Prostatakrebs. Und kann sich nicht wehren gegen die Sanitäter, die gekommen sind, ihn zu holen.

"Märzengrund“: Ein Heimatfilm der anderen Art

Ein Zeitsprung um 40 Jahre: Der junge Elias (nun gespielt von Jakob Mader) marschiert schnellen Schritts den Berg hinauf. Der Aufsteiger ist ein Aussteiger. Daheim soll er den Hof des Vaters übernehmen. Das hat der reichste Großbauer im Zillertal so verfügt. Die Mutter schien mehr Verständnis zu haben. Aber dann verliebt sich Elias in der Dorf-Disco in Moid (Verena Altenberger) – nicht nur älter, auch geschieden. Eine Schande. Und weil der Bub sich nicht fügen will in diese Welt, hätten ihn die Eltern fast in eine Anstalt gesteckt.

1968 zeichnet sich eine neue, freiere Lebensweise ab, wo alte Familienstrukturen aufbrechen. Aber in Elias’ Dorf ist davon noch nichts zu spüren. Also sucht er die Höhe. Seinen Platz in der Gesellschaft findet er „weit weg von ihr“.

„Märzengrund“ von Adrian Goiginger ist ein Film, der ständig zwischen den Zeitebenen springt. Und ein Leben von zwei Enden her erzählt, wobei man sich die Mitte selber ausmalen darf. Weil da nicht so viel und immer dasselbe passiert ist. Ein Heimatfilm der anderen Art. Ohne Kitsch und Gefühlsduselei. Natürlich gibt es sie: großartige Aufnahmen der erhabenen Landschaften. Wie auch nicht, wenn man im malerischen Tirol dreht. Aber das ist kein touristischer Postkartenblick. Goiginger zeigt auch die andere Seite: harte, fordernde, archaische Arbeit inmitten der rauen, abweisenden Natur. Das sind oft lange, stumme Sequenzen, bei denen man fast wie in einem Dokumentarfilm zuschaut. Packendes, physisches Kino.

Am Ende muss der Aussteiger wieder absteigen

Doch am Ende muss der Aussteiger wieder absteigen. Und findet sich nun doch in einer Klinik wieder. Aus der er, entgegen der Versprechung, nicht mehr rauskommen soll. An diesem Punkt muss der Eremit sich befragen, ob es die richtige Entscheidung war, ob es sich gelohnt hat – all die Zeit allein, ohne andere Menschen.

Den Eremiten hat es übrigens wirklich gegeben. Er starb 2008. Der Schriftsteller Felix Mitterer hat ein Theaterstück über ihn verfasst und dann mit Goiginger das Drehbuch entwickelt. „Märzengrund“ ist ein starker, expressiver Film. Der sich auch manche Verfremdung erlaubt, wenn dem Alten auf dem Berg einstige Weggefährten in Jung erscheinen. Da weiß man nicht, ob er sich nur erinnert oder in Halluzinationen verliert. Vielleicht ist das auch egal, da oben.

„Märzengrund“, 110 min., ab 12 J., läuft in der Passage und im Zeise