Hamburg. Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: „Der Angler“ von François Boucher.
Man weiß gar nicht, was François Boucher (1703– 1770) mehr geholfen hat: dass die Marquise de Pompadour ihn so gern mochte oder dass er der erste Hofmaler von Ludwig XV. war? Außerdem wurde er 1765 erster Direktor der Pariser Académie Royale, war also schon zu Lebzeiten ein angesehener Maler und im Rückblick einer der bedeutendsten seiner Zeit. Im Bild „Der Angler“ sehen Experten eine erotische Szene vor Naturkulisse, die sich heutigen Betrachtern vielleicht gar nicht auf den ersten Blick erschließt.
Der Mann hat einen Fisch gefangen und präsentiert ihn der neben ihm, leicht gelangweilt wirkenden, tief dekolletierten Hofdame. Während sie durch ihren hellen Teint auffällt, zeigt seine sonnengebräunte Haut: Das ist ein einfacher Mann, der viel unter freiem Himmel arbeitet. Die amouröse Darstellung solcher gesellschaftlicher Unterschiede war damals ungewöhnlich.
Amouröse Darstellung gesellschaftlicher Unterschied
Der Absolutismus des Ancien Régime bekam erste Risse und hinterfragte den Status der Ständegesellschaft der Bourbonen. Requisiten wie Angelrute, Leine und Fisch lassen sich im Bild als Insignien der Verführung deuten. Im Vordergrund sieht man ein Trauben essendes Kind, im Hintergrund eine Frau mit Früchtekorb. In der Kunstgeschichte wurde Liebesgott Amor oft als Fischer dargestellt.
Oft stand Boucher seine Frau Modell. Der Kritiker und Moralapostel Denis Diderot fand, dass er sie dadurch „prostituiere“. Mehr als 10.000 Zeichnungen und Gemälde will der produktive Künstler nach eigenen Angaben geschaffen haben.
Boucher ging kritisch mit der Welt um ihn herum um. Er sagte einmal, sie sei „zu grün und schlecht ausgeleuchtet“. Über ihn sagten die französischen Brüder Goncourt, Kunstsammler: „Boucher ist einer dieser Männer, die den Geschmack eines Jahrhunderts repräsentieren, der ihn ausdrückt, personifiziert und verkörpert.“ Aber seine Umwelt war auch kritisch mit ihm. Zu viel Künstlichkeit und mangelnde Naturwahrheit warf man ihm vor. Sehr bekannt ist auch Bouchers Bild „Ruhendes Mädchen“ aus dem Jahr 1752. Nach Ansicht mehrerer Kunstgeschichtler ist das Mädchen mit dem schönen Rücken und dem gedankenverlorenen Blick das „erste Pin-up-Girl“ der Geschichte.