Hamburg. „Dance Machines“ von Regina Rossi ist ein eindrucksvolles Mitmach-Stück, bei dem die Technik auch mal zur Diva werden kann.
Man befindet sich auf einem Basketballfeld. Eingerahmt von Betonmauern, über die ein paar Palmen ragen, der Himmel leicht bewölkt. Und um einen herum stehen seltsame Wesen, mit Bildschirmen statt Gesichtern und baumelnden Drahtfedern statt Gliedmaßen. Man befindet sich: in der Virtuellen Realität. Ausgestattet mit VR-Brillen bewegt man sich durch Regina Rossis für ein Publikum ab elf Jahren konzipiertes Jugendstück „Dance Machines“, eigentlich ein Projekt für Schulklassen, das sich diesen Sonnabend auch in Familienvorstellungen auf Kampnagel in Hamburg erleben lässt.
Wie könnte Tanzunterricht in der Zukunft aussehen? Für Rossi wäre eine Antwort der Tanz im digitalen Raum. Man begibt sich also ins Virtuelle, setzt die hochtechnisierten, klobigen Brillen auf und betritt einen Tanzraum, in dem man von zwei Avataren angeleitet wird.
Kampnagel: Zuschauer wechseln in die Virtuelle Realität
Zunächst bewegt man sich ein bisschen zum Rhythmus, dann macht man ausladendere Gesten, schließlich verbindet man sich mit anderen Tänzern (beziehungsweise ihren Avataren) und versucht kleine Duette. Das macht Spaß, ist ein wenig unbequem und bleibt zunächst etwas unverbindlich. Zunächst.
Denn nach einer halben Stunde hat man den Parcours durchlaufen und setzt die Brille ab. Man nimmt, ausgestattet mit Kopfhörern, auf einer kleinen Tribüne Platz, während diejenigen, die zuvor dort saßen, jetzt in die Virtuelle Realität wechseln. Und dabei beobachtet werden. Hier erkennt man plötzlich, was für berührende, auch ästhetische ansprechende Bewegungen man vollführt, während man sich in der digitalen Illusion verliert.
Kampnagel: VR-Brillen entpuppen sich als Diven
Ein Rennen entspinnt sich da, ein Tanzen, mal synchron, mal individuell. Und dann die Interaktionen! Da begegnen sich zwei Körper, aber sie sehen einander nicht, sie sehen nur Avatere aus Drähten und Plastik, und plötzlich verlieren Eigenschaften wie Geschlecht, Aussehen, Alter oder Hautfarbe in der Kommunikation an Bedeutung. Wenn man weiß, wie sehr Körper in der Jugend mit Unsicherheiten behaftet sind, dann wird erst klar, wie raffiniert Rossis Jugendstück gearbeitet ist.
Ganz ohne Wermutstropfen geht „Dance Machines“ aber doch nicht über die Bühne. Die pro Exemplar rund 1500 Euro teuren Brillen mögen absoluter State Of The Art sein, zu Beginn versagen sie dennoch ihren Dienst und müssen aufwendig neugestartet werden. „Im Theater spricht man von einer Diva, wenn jemand ständig Ärger macht“, meint Rossi. „Und die Brillen sind unsere Diven.“
„Dance Machines“ Familienaufführungen am 11.6., 14 und 17 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20, Tickets unter 27094949, www.kampnagel.de