Hamburg. Der Musiker hat ein neues Live-Album herausgebracht. Was Fans beim Konzert im Volkspark erwarten dürfen.

„Und die Sonnenbrille, sie ist am Start, Baby. Sie ist der letzte Rest Privatsphäre“, rappte Jan Delay vor sechs Jahren im Beginner-Hit „Ahnma“. Auch beim Treffen an der Strandperle in Övelgönne ist sie am Start, aber dahinter sind blitzende Augen zu erahnen: Es geht endlich wieder los auf die Bühnen mit seiner Band Disko No.1, auch am 21. Juli im Volkspark. Zum Aufwärmen hat er der jetzt erschienenen Vinyl-Neuauflage des aktuellen Albums „Earth, Wind & Feiern“ neben zwei neuen Songs auch ein Livealbum beigelegt. Aufgenommen wurde es im August 2021 bei einem Konzert auf Steinwerder.

„Die Party des Jahres“ war die Überschrift zur Abendblatt-Kritik Ihres Konzerts im vergangenen August im Hafen auf Steinwerder. Trotzdem überrascht es, dass diese von Corona-Auflagen geprägte Show mit nur 1300 Fans jetzt als Live-Album veröffentlicht wird.

Jan Delay: Ich habe das Konzert während des Auftritts auch gar nicht als überragend empfunden. Wir hatten schon in Bonn gespielt ohne jegliche Beschränkungen, und da war dieses „Endlich ist es wieder wie früher“-Gefühl. Wow. Lass uns mal ein Livealbum machen. Lass uns Bonn nehmen. Aber beim Hören der Aufzeichnung waren doch einige Songs nicht so geil. Also haben wir bei den Aufnahmen aus anderen Städten nach alternativen Versionen gesucht. Und waren irgendwann bei Hamburg. Oh, der Song ist geil. Und der auch. Oh Kacke, das ganze Konzert in Hamburg ist ja viel besser als alle anderen!

Live-Alben waren bis in die 90er-Jahre Kultobjekte und Millionenseller, mittlerweile ist es im Zeitalter von Smartphones und YouTube ein Nischenmarkt geworden. Auch „Earth, Wind & Feiern (Live aus dem Hamburger Hafen)“ erscheint nur als Teil der Vinyl-Neuauflage des Studioalbums.

Das ist der Evolution geschuldet. Kein Schwanz kauft mehr CDs. Oder DVDs. Ich kann es den Leuten auch nicht verübeln, ich höre auch die ganze Zeit Spotify. Trotzdem nehmen wir zu jedem unserer Alben das entsprechende Live-Album auf, weil ich den direkten Gegensatz von ausproduzierten, programmierten Tracks und den neu interpretierenden Live-Arrangements absolut spannend finde. Zum Glück konnte ich meiner Plattenfirma beweisen, dass ich ein Künstler bin, der viel Vinyl verkauft.

Was im Vergleich mit Ihren Studioalben und auch dem Live-Album „Hamburg brennt“ von 2011 auffällt: Sie sind zwar kein Goldkehlchen, singen aber deutlich ausdrucksstärker, gelöster, einfach besser als früher. Nehmen Sie Gesangsunterricht?

Früher nicht, aber nach dem Album „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ war meine Stimme total hinüber, Polypen auf den Stimmbändern, Operation, wochenlang Schweigen, das volle Programm. Während der Reha habe ich überhaupt erst von Fachleuten – danke, Jane Comerford! – gelernt, meine Stimme aufzuwärmen, Atemübungen zu machen und all das zu trainieren, was mir früher in meiner Ahnungslosigkeit zu peinlich war. Das habe ich ein Jahr konzentriert durchgezogen und bin „pfft pfft, zzzit, zzzit“ pustend wie bescheuert durch meine Wohnung gegangen. Ich bin aber immer noch nicht konsequent genug, im Prinzip gehe ich nach jeder Tour zum Arzt: (spricht heiser) „Hallo, ich bin’s mal wieder.“

Auswirkungen auf Ihren Rap-Stil mit den Beginnern hatte das Gesangstraining aber nicht?

Nein, eher umgekehrt. Der Schlagzeuger meiner Band Disko No.1 meinte nach dem „Advanced Chemistry“-Album und den Touren mit den Beginnern zu mir: „Super, dass du zwei Jahre lang auf programmierte Beats gerappt hast, dein Timing ist noch viel besser geworden.“

Die Sängerinnen und Musiker von Disko No.1 und die Crew dahinter arbeiten ja nicht nur für Sie, sondern sind vor Corona viel beschäftigt gewesen. War es schwer, die Truppe zusammenzuhalten? Haben sich viele beruflich umorientieren müssen?

Das waren wirklich zwei sehr harte Jahre für die Gang. Ich habe zwar niemanden direkt verloren, aber das erweiterte Umfeld, der so genannten Dunstkreis ist komplett ausgetauscht. Vor allem das Roadie- und Bühnengame wurde übel gebumst und viele haben sich Alternativen gesucht. Und jetzt sollen alle von null auf gleich wie in der Gastro wieder springen – aber die sind weg. Der Bedarf an guten Leuten geht derzeit unfassbar durch die Decke, die können sich die Gigs aussuchen und Garantiegagen verlangen. Das finde ich völlig okay, weil die wirklich am meisten gelitten haben.

Einer von zwei neuen Songs auf der Album-Neuauflage heißt „Alles gut“: „Ist die Lage noch so trostlos, ich bin weiterhin am Dancen“. Das entspricht der Motivation des Albums, etwas „Spass“ in dunkle Zeiten zu bringen. Lässt sich das sowohl auf als auch hinter der Bühne durchhalten, wenn der Alltag von Corona und Weltkrisen geprägt wird?

Auf jeden Fall. Das muss auch so sein, ich hatte ja 30 Jahre Zeit, mir das beizubringen. Im Rampenlicht, auf der Bühne, umgeben von Leuten, die mir viel bedeuten muss es mir egal sein, ob meine Freundin vor dem Konzert mit mir Schluss gemacht hat oder Trump in Südamerika einmarschiert. Da muss ich ehrlich sein, sonst zündet der Funke nicht.

Trotzdem reflektieren Sie ja das Weltgeschehen und werden als öffentliche Person oft drauf angesprochen. Das beliebte aus der Nase ziehen von Haltungsstatements.

Ich finde es genauso schlimm zu sagen „Als Künstler muss man zu allem und jedem die Klappe aufreißen“ wie „Politik hat im Entertainment nichts zu suchen, also halt’s Maul“. Beides ist komplett falsch. Im Prinzip läuft alles zurück auf die Antwort, die sich anhört wie ein Dorf-Tattoo: Mach dein Ding. Und das mache ich. Kunst muss immer frei sein.

Wie waren denn die Rückmeldungen zu „Earth, Wind & Feiern“ im Vergleich zu „Hammer & Michel“, Ihrer „Rockplatte, auf die keiner Bock hatte“?

Im Vergleich dazu war es geradezu sensationell. Ich habe aber durch die Umstände auch noch nie so geräuschlos eine Platte veröffentlicht. Meine Musik ist ja dafür gemacht, dass Leute zusammenkommen. Und da ging gar nichts. Keine Konzerte, keine Clubs, keine Bars, keine Restaurants. Das war frustrierend. Ich habe durch ein kleines Fenster alles rausgeschickt. Aber das Feedback, das durch dieses Fenster zurückkam, war durchweg positiv. Das hatte ich noch nie. Ich bin ja jemand, der durchaus polarisiert.

Was erwartet uns am 21. Juli im Volkspark?

Hoffentlich das, dem ich nachgetrauert habe, als ich letztes Jahr auf Steinwerder auf die Bühne kam. Dass es so ist wie früher. Mega Eskalation, Ekstase und Flash. Die Fabrik der glücklichen Gesichter in ihrem Element.

Die Vinyl-Neuauflage von Jan Delays Album
Die Vinyl-Neuauflage von Jan Delays Album "Earth, Wind & Feiern"  erscheint inklusive Live-Album  © Vertigo Berlin | Vertigo Berlin

Jan Delay & Disko No.1 Do 21.7., 19.00, Open Air am Volkspark (S Stellingen), Sylvesterallee 7, Karten zu 52,45 im Vorverkauf