Hamburg. Im Kino: Lana Wachowski erzählt die legendäre Science-Fiction-Trilogie weiter – mit den Stars von damals und einem besonderen Kniff.

Man achte auf das schwarze Kätzchen mit dem Glöckchen. Bei all dem Geballer, den Kugeln und Spezialeffekten könnte die Mieze etwas untergehen. Aber sie heißt „Déjà-vu“, „Déjà-vu“ steht auch auf dem Schälchen, aus dem sie ihre Milch schlürft. Und das hat Signalcharakter. Denn Déjà-vus sind die Milch, aus der sich „Matrix 4“ speist.

22 Jahre ist es her, dass „Matrix“ mit Keanu Reeves ins Kino kam. Und als Action des neuen Jahrtausends gefeiert wurde. So radikal neu und stilprägend waren die Effekte. 18 Jahre ist es her, dass der dritte Teil „Revolution“ die Fans enttäuschte, weil nichts mehr überraschte, nichts Teil eins übertraf. Action von der Stange, oder um in der Milch-Symbolik zu bleiben: eine Kuh, die immer wieder gemolken wurde.

Viel Zeit ist seither vergangen. Die Wachowski-Brüder, die damit berühmt wurden, leben inzwischen als Frauen, als Schwestern. Eine von ihnen, Lana Wachowski, hat nun einen vierten Teil gedreht, obwohl die Saga doch eigentlich als Trilogie angelegt war. Wie aber weitermachen? Wo die Helden Neo (Keanu Reeves) und Trinity (Carrie-Anne Moss) doch gestorben sind? Alles neu, nur mit anderen Figuren? In den „Matrix“-Filmen rettet man sich ja immer durch absurde Notausgänge. Einen solchen nahm auch Lana Wachowski: Diese Fragestellung wurde einfach zu einem Teil der Handlung.

„Matrix 4“: Was ist echt, was ist reine Fantasie?

„Matrix: Resurrections“ spielt in einem Paralleluniversum. Die Matrix ist ein Videospiel, für das Thomas Anderson (Reeves) als bester Game-Designer der Welt gefeiert wird. In dieser Welt gibt es auch die „Matrix“-Filme, die nach dem Game entwickelt wurden. Und die Firma Warner Bros., ja, das gehört wirklich zum Film, will nun einen vierten Teil drehen. Und lässt mitten in der Firma, in der Anderson arbeitet, einen Writer’s Room einrichten, wo alle, auch Anderson, kollektiv brainstormen, wie ein neuer Film aussehen könnte. So kann man selbst Ideenblockaden noch zu Gold machen.

Aber da ist immer dieses Zittern in Andersons Händen. Deshalb ist er auch in Therapie. Weil er immer wieder wähnt, er könnte dieser Superheld Neo gewesen sein. Zur Sicherheit testet er jeden Spiegel, ob das Glas nachgibt und ihn in eine andere Welt führt.

Alles kein Grund zur Sorge, beruhigt der Psychiater (Neil Patrick Harris). Auch nicht, dass sein Kätzchen genau so aussieht wie das des Orakels in den „Matrix“-­Filmen. Diese Zusammenhänge, so der Psycho-Doc, hat sich Anderson zusammenfantasiert. Das gilt ebenso für Tiffany (Moss), die er seit Langem im Coffeeshop anhimmelt und zu seiner geliebten Mitstreiterin Trinity stilisiert.

Lana Wachowski tobt sich in „Matrix: Resurrections“ aus

Dann jedoch geschieht das, was schon in Teil eins geschah: Ein Trupp Bewaffneter stürmt Andersons Firma, eine SMS trifft ein, in der steht, dass er sich jetzt entscheiden müsse. Und plötzlich ist sein Chef (Jonathan Griff) nicht einfach sein Chef, sondern verwandelt sich in Agent Smith, deutlich verjüngt, der längst die böse Matrix leitet.

Same same but different: Das ist es, was Fans von Fortsetzungen wollen. Möglichst alles muss wieder dabei sein, aber alles neu, alles neo. Darüber kann auch eine Filmemacherin wahnsinnig werden. Die Schaffenskrise von Andersons im Film, Lana Wachowski wird sie auch durchgemacht haben. Aber dann hat sie sich mit einem Befreiungsschlag gerettet. Und ihre Fantasie wieder im Filmstudio Babelsberg ausgetobt, mit alten Mitstreitern wie Max Riemelt als Darsteller und Tom Tykwer als Filmmusikkomponist.

Es wird wild geballert und die Schwerkraft ausgehebelt

Immer schon hatten die „Matrix“-Filme einen doppelten Boden, eine vorgetäuschte Realität – und die echte dahinter. In „Matrix 4“ wird einfach noch ein dritter Boden eingezogen: den der Filmverwertung. Das schafft neue Ebenen, neue Ironie, neue Funken. Und macht vor allem in der ersten Hälfte großen Spaß. Dazu gehört etwa, dass die „Ma­trix“-Filme, auf die Bezug genommen wird, hier nicht zwei, sondern sogar sechs Dekaden alt sind. Deshalb ist Niobe (Jada Pinkett-Smith), eine Mitstreiterin von einst, inzwischen eine Greisin.

Aber bald rieseln wieder die ikonischen grünen Algorithmen, wird nur wieder wild geballert und die Schwerkraft in Zeitlupe ausgehebelt. Déjà-vu nicht als ironisches Selbstzitat, sondern als Dramaturgiekonzept. Immerhin: Teil vier ist weit besser und einfallsreicher als Teil zwei und drei zusammen.

Auch interessant

Auch interessant

.
Von Jan Schubert und Alexandra Schrader

Auch interessant

„Resurrec­tions“ ist nicht nur eine würdige Fortsetzung, sondern eine Rehabilitation der Filmreihe, die so toll begann und dann so fad ausfranste. Aber alles, was einen Anfang hat, muss ein Ende haben: Das haben wir in den „Matrix“-Filmen gelernt. Daher wünschen wir uns von Warner und vom Weihnachtsmann bitte nicht noch einen fünften Teil. Sondern wirklich mal was Neues.

„Matrix Ressurections“ 148 Minuten, ab 16 Jahren, läuft in der Astor FilmLounge, im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Koralle, Savoy, Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek