Hamburg. Die Halle im Feldstraßenbunker soll Platz für bis zu 2200 Besucher bieten und ist nach einem Widerstandskämpfer benannt.
In diesem Monat hat die Bebauung auf dem Dach des Feldstraßenbunkers ihre endgültige Höhe von 20 Metern erreicht. Das Gebäude ragt somit nun insgesamt 58 Meter über dem Heiligengeistfeld empor. Und auch der Bau der Mehrzweckhalle hoch über St. Pauli ist fortgeschritten. Geplant sind dort neben Stadtteilaktivitäten, Indoor-Flohmärkten, Sportveranstaltungen und Messen vor allem Kultur und Livemusik.
Der neue Ort umfasst rund 1200 Quadratmeter und bietet Platz für 2200 Gäste beziehungsweise 1300 Menschen in der halbierten Variante. Die Bespielung soll im zweiten Quartal 2022 beginnen. Und mit einem Auftritt von Popmusiker Joris am 22. September 2022 sowie mit einem Doppel-Konzert der Formationen Apocalyptica und Epica am 28. Januar 2023 hat der Hamburger Veranstalter FKP Scorpio auch schon konkrete Termine angekündigt.
Feldstraßenbunker: Halle nach Georg Elser benannt
Den Konzert- und Kulturbetrieb auf dem Bunkerdach organisiert die neugegründete HighGroundGardens Event GmbH. Gründer, Miteigentümer und Geschäftsführer ist Wolf von Waldenfels, mit dem wir über Entstehung, Philosophie und Herausforderungen seines Projekts gesprochen haben. Von Waldenfels ist bestens vernetzt in der Hamburger Musikszene und hat die Stadt bereits mit zahlreichen Clubs bereichert, etwa mit dem Phonodrome, dem Powerhouse und dem Golem. Aktuell betreibt er im Feldstraßenbunker das Uebel & Gefährlich. 2017 wurde er für sein Engagement mit dem Hamburger Club Award ausgezeichnet.
Der Name für seine neue Spielstätte auf dem Bunkerdach steht bereits fest: Georg Elser Halle. In Gedenken an den 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordeten Widerstandskämpfer.
Hamburger Abendblatt: In München gab es von 2000 bis 2008 bereits die Georg Elser Hallen als Veranstaltungsort. Gibt es dazu einen Bezug?
Wolf von Waldenfels: Nein, aber sicher gibt es da geistige Verwandtschaft, Georg Elser kann gar nicht genug in Erinnerung gerufen werden. Er sollte in jeder Stadt ein Denkmal haben.
Wie weit reichen die Überlegungen zurück, HighGroundGardens zu gründen und in das Bauvorhaben auf dem Bunkerdach einzusteigen?
von Waldenfels: Das war schon früh der Fall, als der FC St. Pauli noch mit von der Partie war. Die damals federführenden Leute wollten das ganze Projekt mit Betreiberinnen und Betreibern aus dem Viertel stemmen. Und so war es ein kurzer Weg, da ich ja bereits im Bunker ansässig war.
Das Bauvorhaben auf dem Bunkerdach war und ist im Stadtteil umstritten. Wie läuft die Kommunikation mit der Nachbarschaft und in den Stadtteil hinein, zum Beispiel was die Angst vor Überbeanspruchung des Viertels durch Publikumsströme angeht?
von Waldenfels: Im Moment gibt es nur wenig Kommunikation, das ändert sich aber nun bald. Ich bin mir gar nicht sicher, ob diese Angst überhaupt bei einer Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels besteht. Was ich allerdings vollkommen verstehe, ist die Angst vor Verdrängung durch Gentrifizierung. Ich sympathisiere mit der „Recht auf Stadt“-Bewegung. Rote Flora, Gängeviertel und alle ähnlichen Projekte haben meine volle Unterstützung. Alle meine Clubs waren wichtige subkulturelle Orte in Hamburg. Da ging es immer in erster Linie um Kunst, Musik, Sound, Licht und Vision – Leute zusammenzubringen, sie glücklich zu machen und zu inspirieren. Und wenn wir dann kein Minus gemacht haben, waren wir schon froh. Ohne das Zusammenspiel vieler Leute, die viele Stunden zum Teil ehrenamtlich einfach da waren, wäre nicht einer meiner Clubs möglich gewesen. Das geschah nicht immer lautlos, weil wir eben Menschen versammeln, laute Musik spielen, Alkohol ausschenken und zum Tanz laden. Das braucht immer viel Platz an einem möglichst zentralen Ort, der leider immer schwer zu finden war und nach wie vor zu finden ist. Wir müssen uns echt anstrengen, um das Vergnügen für alle erschwinglich zu halten. Selbst Abrissräume und Zwischennutzungen gibt es nicht mehr im Stadtzentrum. Dies soll erklären, warum ich trotz der Umstrittenheit des Bauwerks dabei bin. Die reale Arbeit beginnt gerade. Und dazu gehört auch die Kommunikation ins Viertel und zurück. Mit der entstehenden Homepage und der ersten kleinen Pressemitteilung bieten wir allen Interessierten die Möglichkeit, jederzeit mit uns in den Dialog zu treten, Fragen zu stellen und uns Sorgen und Wünsche mitzuteilen.
Worin besteht für Sie als Clubbetreiber mit jahrzehntelanger Erfahrung die besondere Herausforderung bei diesem Veranstaltungsort?
von Waldenfels: Okay, die Antwort wird technisch. Ich respektiere das Mahnmal gegen Krieg und gegen Gewaltherrschaft, muss aber deutlich sagen, dass mich der Bunker als Gebäude völlig kalt lässt. Aber das Ding ist halt dafür gebaut, dass Tausende Menschen schnell rein- und wieder rauskommen. Die Herausforderung besteht für uns Clubbetreiber erst einmal darin, überhaupt geeignete Räume für Musikclubs im Zentrum der Stadt zu finden. Es gibt immer Ärger wegen Lärm. Und die Behörden sind berechtigterweise auch nicht zimperlich bei Sicherheitsauflagen. Deshalb war ich sehr froh am Ende, nach gefühlt 100 Umzügen, mit meinem Club Uebel & Gefährlich im Bunker gelandet zu sein, wo eigentlich fast alle Probleme, die ein Club mit sich bringt, bereits durch die Bauweise gelöst sind. Die etwas abseitige Lage ohne Nebengebäude und direkte Nachbarn, in der Mitte von Schanze, Karoviertel und Kiez, die Anbindung an die U-Bahn, zwei Meter Beton gegen Bässe, hohe Decken, perfekte Fluchtwege, Brandschutz, Entrauchung und so weiter – alles vorhanden. Kein Wunder, dass fast alle alten Weltkriegsbunker von Bands als Übungsräume genutzt wurden und werden. Was die Garage für die Nerds ist, ist der Bunker für viele Musiker. So jedenfalls ist mein Verhältnis zu Bunkern zu verstehen. Also besteht die große Herausforderung in diesem Projekt darin, die Nachbarn mitzunehmen und ein Projekt zu bauen, was den meisten gefällt und möglichst keinen berechtigt stört, ohne dabei den Mahnmalcharakter zu beschädigen oder irgendwie außer Acht zu lassen. Weiterhin herausfordernd wird die Logistik werden. Wir müssen schließlich für jede Produktion die Georg Elser Halle in eine Konzert-Location verwandeln. Und alles, was gebraucht wird, muss innerhalb von wenigen Stunden hineingerollt und aufgebaut werden. Damit das alles klappt, ist ein bisschen Erfahrung nicht schlecht.
Wie wird sich der Veranstaltungsmix in etwa prozentual zusammensetzen im Verhältnis Musik, Kultur, Sport, Messen, Flohmärkte?
von Waldenfels: Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Unser Kerngeschäft werden aber Konzertveranstaltungen ausmachen.
Sind Kooperationen mit Resonanzraum, Byte FM oder den Musikschulen angedacht, die im Bunker ansässig sind?
von Waldenfels: Ja, na klar. Immer wenn die eine größere Halle brauchen, möchte ich sehr sehr gerne mit den alten Bunkerkolleginnen und -kollegen weiter und enger zusammenarbeiten.
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Ist eine Gedenkstätte oder ähnliches geplant in Bezug auf Georg Elser?
von Waldenfels: Georg Elser werden wir erklären und so lebendig und gegenwärtig machen, wie wir können. In welcher Form, steht noch nicht fest. Eine ganz besondere Gedenkstätte wird es darüber hinaus noch geben, die wird von Hilldegarden e.V. im Zusammenwirken mit jungen Hamburger Historikerinnen und Historikern konzipiert und gestaltet.