Hamburg. Revolverheld, Max Giesinger, Antje Schomaker und viele andere singen beim Hamburger Spendenkonzert „All Hands On Deck“.
Als im Februar 2021 die Dokuserie „Das Hausboot“ auf Netflix startete, schien das ehemalige Domizil von Gunter Gabriel (gestorben 2017) im Harburger Hafen bereits dem Untergang geweiht zu sein. Doch mit viel Einsatz, Durchhaltewillen und helfenden Händen haben die Musiker und Vielseitigkeitsentertainer Fynn Kliemann und Olli Schulz den Kahn wieder flott gemacht.
Der bisherige Höhepunkt auf dem restaurierten Hausboot war im Mai die Benefiz-Konzertshow „All Hands On Deck“: Eine sehr bunte Riege Künstlerinnen und Künstler, darunter Annett Louisan, Finch, Fury In The Slaughterhouse, Deine Freunde, Nessi, Laith Al-Deen, 257ers und Gregor Meyle sammelte bei der auf TikTok gestreamten Show Spenden für existenzgefährdete Beschäftigte in der Live- und Musikbranche. 1,25 Millionen Menschen schauten zu und spendeten 135.000 Euro.
Benefiz-Festival: Max Giesinger, OK Kid, Älice und Deine Cousine machen mit
Seitdem ist die Lage leider nicht besser geworden für die vielen Hände, die für ein Konzert, eine Tour oder ein Album hinter den Kulissen anpacken. Ein stiller Winter zeichnet sich ab. Deshalb werden die Initiierenden, Ideengebenden, Veranstaltenden und Musikalisch Leitenden Salome Agyekum, Illy Korda, Olli Windprechtinger, Martin Ziaja, Andre Wenzlitschke und Katharina Kießling erneut ihre weitreichenden und etablierten Netzwerke nutzen und am 14. Dezember zum nächsten „All Hands On Deck“-Spendenjam aufrufen. Statt auf das Hausboot geht es dieses Mal in die Barclays Arena.
Mit dabei und live begleitet von der All Hands On Deck Band sind bereits Revolverheld, Max Giesinger, Chefket, Joris, Max Mutzke, Älice, Jupiter Jones, Nessi, OK Kid, Deine Cousine und über 30 weitere Bands, Künstlerinnen und Künstler. „Die Pandemie hat unsere ganze Branche extrem hart getroffen, aber während wir zumindest im Studio an unserem inzwischen erschienenen Album ,Neu erzählen‘ arbeiten konnten, ist unsere Tourfamilie aktuell nahezu beschäftigungslos“, sagt Revolverheld-Schlagzeuger Jakob Sinn zur Teilnahme seiner Band an „All Hands On Deck“, „die staatlichen Förderungen decken leider bei den allermeisten nicht im Ansatz den entstandenen wirtschaftlichen Schaden, weshalb auch aus unserer Live-Crew viele mittlerweile unfreiwillig in andere Jobs wechseln mussten.“
Die Teilnehmenden haben existenzbedrohte Livecrews in ihrem Umfeld
Die Hamburger Sängerin und Songschreiberin Antje Schomaker steigt erneut mit ein: „Mein Mischer meinte letzte Woche zu mir, wenn jetzt wieder alle Konzerte ausfallen, müsse er sich einen anderen Job suchen. Dieser Mensch macht auf Konzerten den besten Live Sound, den ich je gehört habe und er muss sich gerade Gedanken darüber machen, wie er die Miete bezahlt, weil er einfach nicht arbeiten darf.“
Die Kultur war von Anbeginn der Pandemie hart getroffen, und fast zwei Jahre und viele Initiativen und Aktionenspäter bleibt sie es. Aber nicht wenige Kulturmenschen stellen einen Gewöhnungseffekt, ja Gleichgültigkeit und Resignation in der Gesellschaft fest, so auch Mario Radetzky, Sänger der Münchner Rockband Blackout Problems: „Mittlerweile ist die erste Welle der Solidarität verflogen, Spaltung steht vor der Tür und in mir hat sich ein Blues breit gemacht, der keinen Bock mehr hat. Keinen Bock auf die Impfgegner die uns noch länger in der Stille sitzen lassen, keinen Bock auf nervige Diskussionen im Bundestag, in der jede Partei der anderen einen Strick drehen will.
Es geht am Ende des Tages um Menschenleben und Existenzen. Das sollte man nicht vergessen. Egal ob am Krankenhausbett oder am Existenzminimum.“ Trotzdem bleibt der Pop dabei, Kräfte zu bündeln, wie die von Sängerin Alica Awa: „Auf der einen Seite enttäuscht es mich natürlich, dass nicht mehr getan wurde und wird. Auf der anderen Seite ist für mich die Pandemie auch etwas, was uns alle angeht, und wo wir alle angehalten sind, aktiv dort anzupacken, wo es notwendig ist.“
Steven Gätjen, Alisha Morgenstern und Wincent Weiss moderieren
Zu erleben ist das zweite „All Hands On Deck”-Festival am 14. Dezember im Livestream auf twitch.tv/amazonmusicde, kostenlos und ohne Registrierung. Durch den Tag und den Abend führen die moderierenden Steven Gätjen, Alisha Morgenstern und Wincent Weiss. Die Spenden, die über das Portal betterplace.org gesammelt werden, gehen vollständig an die Vereine und Initiativen #coronakuenstlerhilfe, #handforahand, 1st Class Session und Ohne Kunst und Kultur wird’s still.
Viele Hände helfen viel: „Ich finde es großartig, dass es Menschen gibt mit Visionen, um in schweren Zeiten Zeichen zu setzten und das Beste draus machen“, sagt Sänger Alexander Knappe, „,All Hands On Deck‘ ist ein Fingerzeig an Alle, das es immer irgendwie weiter geht und damit ein wichtiger Hoffnungsschimmer.“ Auch wenn das Spendenfestival dieses Mal in der großen Arena über die Bühne geht, sitzen Bands und Crews doch in einem Boot.
All Hands On Deck Di 14.12., Links zum Twitch-Stream und für Spenden unter www.allhandsondeck.hamburg