Hamburg. Der Entertainer Kay Scheffel tritt nach fast 25 Jahren Pause wieder in dem Hamburger Varieté-Tempel auf. Was er für das Publikum plant.
Es ist immer etwas Besonderes, etwas Würdevolles, wenn sich lange geschlossene Türen einer Institution wieder öffnen. So war das im Hansa-Theater mehrmals in seiner inzwischen 127-jährigen Geschichte. Von 2001 bis 2009 hatte der Varieté-Tempel mitten im St. Georg acht Jahre lang geschlossen, bis sich Thomas Collien und Ulrich Waller, die Leiter des St. Pauli Theaters, dazu bewegen ließen, am Steindamm einen Neustart zu wagen. Mit Erfolg – die Hamburgensie Hansa lebt unter ihrer Direktion weiter und nach 18 Monaten Zwangspause in diesem November wieder auf. Die neue Saison steht an (siehe Kasten).
Das freut auch Kay Scheffel. Der Bauchredner und Entertainer trat schon zum 100. Varieté-Jubiläum 1994 in Hamburg auf, drei Jahre später bisher zum letzten Mal. In diesem Winter öffnen sich hier für Scheffel dank Empfehlung des jetzigen Theaterleiters Ingo Hagemann nach 24 langen Jahren der Hansa-Abstinenz wieder die Türen; er zählt zu den acht Showacts des Varieté-Programms.
Hansa-Theater: Einrichtung unter Denkmalschutz
Die Einrichtung des Theaters wie die Tapeten und die Lampen bis hin zum Klingelknopf für die Bedienung am Tisch ist seit 1953 nahezu unverändert und steht unter Denkmalschutz. Scheffel selbst zwar noch nicht, jedoch ist er seit bereits 40 Jahren im Showgeschäft. „Ich bin sehr mit Hamburg und dem Hansa verbunden“, sagt der bei Limburg an der Lahn ansässige Künstler.
Wie so viele seiner Kollegen ist Scheffel erblich vorbelastet. Seine Mutter Gabriele Scheffel, geborene Weber, und deren Bruder Wolfgang traten mit ihrer weltweit erfolgreichen akrobatischen Darbietung als „The Randolls“ 1960 auch im Hansa auf. Ein Jahr später kam Kay zur Welt. „Ich bin durch meine Familie im unmittelbaren Umfeld von Varieté und Zirkus aufgewachsen“, sagt der 60-Jährige.
Scheffel erarbeitete sich ein breites Repertoire
Er habe von großen und kleinen Clowns gelernt, etwa den Schweizern Pius Nock und Peter Wenzel. „Und von meinem Großvater Richard, der ein grandioser Komiker war.“ Als „Pionier unter den Bauchrednern“ hierzulande hat sich der Enkel seit 1980 ein breites Repertoire als Entertainer, Komiker und Sänger erarbeitet. Und er ging auch dahin, wo es für norddeutsche Augen und Ohren oft wehtut – in die rheinischen Hochburgen des Karnevals. Das schulte.
Neu im Hansa: 2G-Regel und elektronischer Luftaustausch |
Das war Künstler-Pech: Zwei Tage vor Ende der Saison musste die Varieté-Spielzeit im Hansa-Theater Mitte März 2020 coronabedingt abgebrochen werden. In der Saison 2021/2022 ist einiges anders, an erster Stelle steht der sichere Aufenthalt fürs Publikum im denkmalgeschützten Haus am Steindamm 17. Im Hansa-Theater wird der Luftaustausch jetzt elektronisch gesteuert. Zusätzlich gibt es im ganzen Saal CO2-Sensoren, sodass stets ein 100-prozentiger Luftaustausch möglich ist.Das Hansa-Theater plant gemäß aktueller Senats-Verordnung nun durchgängig mit dem 2G-Modell; diese 2G-Vorstellungen finden mit reduzierter Platzkapazität statt. Am 23. und 24. November laufen zwei Vorpremieren, die Premiere steigt am 25. November. Weitere Vorstellungen sind bis 20. Februar sowie vom 30. März bis zum 24. April geplant (Di bis Fr jew. 19.30 Uhr, Sa 15.30 und 19.30 Uhr, So 14.30 und 18.30 Uhr). Zu den Conférenciers gehören Kabarettisten, Comedians und Musiker wie Alfons, Rolf Claussen, Robert Kreis, Horst Schroth und Dirk Bielefeldt (Herr Holm). Eintrittskarten für das Varieté gibt es zu 41,90 bis 68,90 Euro in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32, unter der Ticket-Hotline T. 30 30 98 98 und unter www.hansa-theater.com (für Feiertage gelten besondere Zeiten und Preise). |
Ebenso Auftritte in Freizeitparks, selbst in der tiefsten Provinz. Im Panoramapark Sauerland im Städtchen Kirchhundem war Scheffel vor mehr als drei Jahrzehnten mit seiner „Kay And Company Bauchredner Show“ auf der großen Bühne des Waldtheaters zu erleben. In jenem Areal begeisterte ein anderer Darsteller als Kinder-Clown August Groß und Klein auf der Freilichtbühne. Es war der Schauspieler Hans-Joachim Heist, seit einem Jahrzehnt in seiner Rolle als Gernot Hassknecht in der ZDF-„heute-show!“ Deutschlands beliebtester Brüllaffe. Obwohl sich die Karriere der beiden Künstler fernsehtechnisch unterschiedlich gestaltete, hat sich aus ihrer Begegnung „eine enge Freundschaft entwickelt, die bis heute hält“, berichtet Scheffel schmunzelnd.
„Die Pandemie hat mich auch seelisch sehr belastet“
Mit Heinz-Erhardt-Programmen tourten beide jahrelang unabhängig voneinander. Scheffel, mit Glatze, Brille und in Statur ein Ebenbild des deutschen Komikers der Wirtschaftswunder-Jahre, zeigt das Programm „Noch’n Gewicht“ auch heute, wann immer möglich. Erhardt und der legendäre Peter Frankenfeld waren für ihn in jungen Jahren Vorbilder als Entertainer. Als solcher während der Pandemie lange Zeit nicht auftreten zu können hat Scheffel nicht nur finanziell ganz schön gefordert. „Die Bühne, das ist mein Leben, es macht fast drei Viertel von mir aus“, räumt er ein.
Die 9000 Euro Unterstützung seines Bundeslandes Rheinland-Pfalz konnten nur bedingt helfen. Schwerer wog für den Solokünstler die Erkenntnis, „nicht systemrelevant zu sein. Die Pandemie hat mich auch seelisch sehr belastet.“ Mit seiner Internetshow „Comedy Car TV“ hat Scheffel zwischendurch versucht, Neuland zu betreten. Da musste er erstmals alles selber machen: Ton, Licht, Filmchen schneiden. Einträglich war das nicht.
Hansa-Theater: Interaktionen mit Publikum geplant
Zwei Jobs haben Kay Scheffel, den Bauchredner und Live-Entertainer, in diesem Sommer und Herbst über Wasser gehalten: zum einen der des Hauptunterhalters mit Soloprogramm auf der „Vasco da Gama“, einem mittelgroßen Kreuzfahrer, zum anderen ein sechswöchiges Gastspiel im Seebad Binz auf Rügen. Im prächtigen Kursaal präsentierte Scheffel eine Personality-Varietéshow mit Künstlern und Artisten wie den Handstand-Akrobatinnen vom Trio Essence, die ebenfalls im Hansa-Theater begeistern wollen. Obwohl die Urlauber noch zahlreicher hätten kommen können, haben diese Abende bei Scheffel die Lust aufs Hansa-Comeback geweckt.
Als ein Achtel der Show hat er hier nur eine begrenzte Zeit für seine Bauchredner-Kunst. Dazu gehören seine Puppen, der freche Rabe „Rocky“ und das erfahrene Showgirl „Juanita“. Jedoch will Scheffel auch mit dem Publikum agieren: Er werde die Gäste suggestiv dazu bringen, beim Part „Synchronize“ mitzumachen, unter Einhaltung aller Corona-Vorgaben mit Sicherheitsabstand. Scheffel sucht die Nähe zwar nicht mehr, aber ein Bühnentier wie er vermisst sie. Denn nichts täte er lieber, als wieder ganz aus dem Bauch heraus zu handeln.