Hamburg. Klarinettist Martin Fröst und das Quatuor Ébène begeistern in der Laiezshalle. Ein Konzert so schön, dass es an die Nieren ging.

„Verweile doch! Du bist so schön!“ – Wenn es bei einem Konzert nur einen solchen Moment gibt, dann geht man als Besucher schon zufrieden nach Hause und meint, die Sache habe sich gelohnt.

Beim Gastspiel des Quatuor Ébène im Großen Saal der Laeiszhalle musste aber man schon fast mit seiner physischen Kondition haushalten, um die Hochspannung dieser zahlreichen faustschen Verweilmomente zu „verdauen“, die dem französischen Quartett und dem schwedischen Klarinettisten Martin Fröst an diesem Abend gelangen.

Quatuor Ébène: An die Nieren gehende Harmonien

Schon die Sekunden von Mozarts Klarinettenquintett knisterten: die Homogenität der Streicher! Dann die Zärtlichkeit und Anmut, mit der Geiger Pierre Colombet die führende Melodie anstimmte. Auf einem warmen, immer durchsichtig bleibenden Klang konnte Martin Fröst seine Soli entfalten.

Streicher und Klarinettist hatten wunderbar an der Mischung ihrer so unterschiedlichen Instrumente gefeilt. Das Ergebnis: eine optimale dynamische Balance, ein faszinierend intensives Pianissimo, ein niemals überzogenes Forte. Jeder war Solist, jeder war Begleiter zu seiner Zeit. Das Wechselspiel der Motive folgte einem ganz natürlichen Puls. Und immer war die gemeinsame Freude an Mozarts oft so überraschenden, und auch an die Nieren gehenden Harmonien zu spüren. Himmlisch.

Eine kontinuierliche Entwicklung zur Katastrophe

In eine ganz andere Welt entführte das Quatuor Ébène bei Leoš Janáčeks erstem Streichquartett „Kreutzer-Sonate“. Während bei Mozart auch die tiefsten Seelensaiten klingen, es aber immer bei klassischer Ausgewogenheit bleibt, geht Janáček an die Grenzen des Aushaltbaren. Tolstois abgründige Novelle „Kreutzer-Sonate“ als Inspirationsquelle für Janáčeks Quartett trägt dazu bei.

Das Quatuor Ébène ließ den Wahn des Protagonisten der Novelle spüren. Er tötet aus Eifersucht seine Frau, weil sie mit einem vermeintlichen Rivalen Beethovens „Kreutzer-Sonate“ spielt. Die vier Sätze kann man als eine kontinuierliche Entwicklung zur Katastrophe verstehen.

Quatuor Ébène beweist enorme Vielseitigkeit

Dabei hatte das Quatuor Ébène jede Spannungssteigerung, jeden klanglichen Kontrast, jede widerborstige Artikulation so klar überlegt und serviert, dass man einerseits wie gebannt war und den Wahn fast körperlich nachvollziehen konnte. Andererseits nahm diese perfekte Interpretation auch ein wenig von der Unmittelbarkeit der Musik.

Doch das war im zweiten Teil wie weggeblasen. Hier wurden herzerfrischend, kompetent und atemberaubend virtuos improvisiert. Der Bogen ging von rumänischen Tänzen von Bartók, über Klezmer hin zu Jazz-Standards von Charles Mingus, Thelonious Monk oder Chick Corea. Diese Vielseitigkeit und Freiheit des Musizierens von Martin Fröst und dem Quatuor Ébène sollen andere erstmal nachmachen!