Hamburg. Antje Pfundtner feiert 20. Bühnenjubiläum und wird auf Kampnagel auch als prägende Figur der lokalen Tanzszene gefeiert.

Antje Pfundtner schüttelt Hände. Kurz ist man irritiert, immerhin herrscht weiterhin Pandemie, da ist es nicht besonders schlau, wenn eine Künstlerin durch die Ränge geht, und Zuschauer berührt, andererseits: Pfundtner freut sich, dass man da ist.

Und sie hat ja Grund zur Freude, 20. Bühnenjubiläum, Aushängeschild der Hamburger freien Tanzszene, internationale Ehrungen, von denen die Einladung ihres Stücks „Sitzen ist eine gute Idee“ zur Tanzplattform 2022 nach Berlin nur die jüngste ist. Außerdem gehört der Abbau von Distanz bei gleichzeitiger Distanzwahrung zur künstlerischen DNA der Mittvierzigerin. Also begrüßt sie einen persönlich, zur Jubiläums-„Gala“ auf Kampnagel.

Der Gala-Abend, der eigentlich keine Gala ist

Wobei dieser als „Gala“ bezeichnete Abend eigentlich keine Gala ist. Sondern eine reizende Mischung: ein diskursives Format, bei dem Kultursenator Carsten Brosda über „Zuwendungen“ referiert, was einerseits seine Funktion als Geldgeber meint, andererseits aber auch die Kunst Pfundtners, die auf Nähe baut und auf Berührung.

Ein Querschnitt durch die Arbeit der künstlerischen Kollaborationsgemeinschaft Antje Pfundtner In Gesellschaft. Eine private Feier, bei der man sich fragt, ob man als Zuschauer irgendwie fehl am Platze ist. Und eine eigenständige künstlerische Form.

"Gala"-Abend: Erinnerung an Abendblatt-Journalist Witzeling

Spannend ist „Gala“ dort, wo diese unterschiedlichen Ausprägungen verschwimmen. Wenn Pfundtner langwierig Weggefährten dankt und dabei ihre Karteikarten durcheinanderbringt, dann ist das erstmal liebenswerte Schusseligkeit. Aber wenn sie dann die Karten durchsucht und vor sich hinmurmelt „Habe ich schon … habe ich schon …“, dann entpuppt sich die Schusseligkeit mit einem Mal als Zitat aus „Sitzen ist eine gute Idee“, und aus den Danksagungen wird ein künstlerischer Kommentar.

Oder: Wenn sie an den 2013 verstorbenen Abendblatt-Journalisten Klaus Witzeling erinnert, dann würdigt sie einerseits einen Kritiker, der die eigene Arbeit lange Jahre begleitete. Und spricht andererseits die grundlegende Bedeutung von Kritik und Kulturjournalismus für Tanz an.

Ist dieser Abend überhaupt für Publikum gedacht?

Manchmal denkt man, dass dieser Abend gar nicht für Publikum gedacht ist, etwa, wenn Pfundtner vor Rührung tatsächlich die Tränen kommen. Und dann rutscht er mit einem Schlag doch noch ins Theater, wenn von Jenny Beyer über Patricia Carolin Mai bis Jonas Woltemate praktisch alle freien Tänzer der Stadt auf der Bühne performen (und dabei wie nebenbei darauf hinweisen, was für eine zentrale Figur Pfundtner für diese Szene ist).

Einmal zitiert sie ihre (im Publikum anwesenden) Eltern: „Antje, du weißt nie, wann Schluss ist!“ Und tatsächlich ist auch das ein Element von Pfundtners Kunst: Ihre Stücke finden nie wirklich ein Ende. Wie diese „Gala“. Noch nach vier Stunden steht man auf der Kampnagel-Piazza, feiert, trinkt, diskutiert. Distanzlos und distanziert zugleich.