Endlich muss er mal keinen Korinthenkacker spielen: Christoph Maria Herbst über seinen neuen Film „Es ist nur eine Phase, Hase“.
Das wird sein Herbst. „Der deutsche Herbst“, wie Christoph Maria Herbst schmunzelt. Am 28. Oktober kommt der Film „Contra“ ins Kino. Und an diesem Donnerstag startet bereits „Es ist nur eine Phase, Hase“. Eine Komödie, die den 55-Jährigen, der gerne auf sein glatzköpfiges „Stromberg“-Ekel reduziert wird, einmal von einer ganz anderen Seite zeigt.
Die Frage, die Sie jetzt vermutlich ständig zu hören kriegen …
Christoph Maria Herbst: Ich bin gespannt: „Wie viel Stromberg steckt eigentlich in Ihnen?“
Nein, nein. Wie war es, einmal mit solchen Haaren zu spielen?
Christoph Maria Herbst: Oh, endlich mal keine Frage zu „Stromberg“! Dieses volle Haar war der Hammer. Es ist ja nicht so, dass ich immer schon mit dieser Frisur, so man sie Frisur nennen kann, unterwegs gewesen wäre. Die Haare fielen auch nicht aus. Die Frisur wurde bewusst für eine Rolle gewählt. Aber nach dem Dreh stellte ich fest, wie angenehm das ist. Und was man da an Geld spart für Shampoo. Also bin ich dabei geblieben. Dieses Wallehaar war eine hübsche Abwechslung. Ich habe mir die Haare in einem zweiwöchigen Workshop aus dem Kopf gedrückt, da gibt es spezielle Atemtechniken. Ich hörte aber auch schon Leute sagen, der Herbst hat ja ganz schön zugelegt.
Weil Sie einen Fatsuit getragen haben.
Christoph Maria Herbst: Nein, man nennt das Method Acting! Diese Wampe habe ich mir angefressen mit viel schlimmem, fettigem Essen. Kollegen in den USA würden dafür einen Oscar kriegen. Stichwort „Wie ein wilder Stier“. Nein, da ich natürlich weiß, dass es dafür keine Lola gibt, habe ich mir eine Perücke knüpfen lassen und mir ein Suspensorium über den Bauch gestülpt.
Sie spielen einen Mann in der Midlife-Crisis. Da stand der Bauch wohl schon im Script.
Christoph Maria Herbst: Dieser Paul Mann, den ich da spiele, hat eine Blockade, ist in seinem Leben stehen geblieben, der ist nicht im Fluss, sondern eher ein stehendes Gewässer. Da haben wir uns überlegt, wollen wir dem nicht auch noch einen Bauch verpassen? Das fühlte sich sehr stimmig an. Als Kontrast gab es dieses wirklich sehr volle Haar. Kurzgeschorene Haare haben ja immer was Kaltes und Managerhaftes. Bei „Contra“ war das auch genau richtig. Aber dieses lange Haar macht den Paul Mann sanfter und empathischer.
In „Es ist nur eine Phase, Hase“ geht es lustig, aber auch nachdenklich um Alterspubertät. Zuvor habe ich davon nie gehört. Sie?
Christoph Maria Herbst: Nein. Ich fand den Begriff anfangs recht sperrig. Gut, das Wort Midlife-Crisis kann keiner mehr hören. Aber letztlich ist Alterspubertät auch nur das lateinische Wort dafür (grinst). Was sich genau dahinter verbirgt, wird im Film auch gar nicht erklärt. Das ist halt die Zeit eines Umbruchs, wo der Körper sich verändert und man nicht mehr recht in seiner Haut steckt. Wie schon mal, vor langer Zeit.
Am schönsten ist die Szene, als Sie auf einer Geburtstagsparty zum 50. ausrasten und allen vorhalten, 50 sei eben nicht das neue 30. Wie stehen Sie zu solchen Sprüchen?
Christoph Maria Herbst: Ja, ja, 50 ist das neue 30. Oder offline ist das neue Bio. Ich kann mit solchen Sprüchen nur wenig anfangen. Auch Paul spuckt das ja voller Verachtung heraus. Diese Szene zu spielen hat aber großen Spaß gemacht.
Sie sind Mitte 50. Wie gehen Sie mit dem Alter um? Stellen Sie sich dem oder verdrängen Sie noch?
Christoph Maria Herbst (lacht): Natürlich verdrängen wir Männer so was gern und brauchen oft die Impulse von außen und meist von weiblicher Seite: Nun mach doch mal ’ne Vorsorge – Darm, Prostata. Ich bin nicht so der Verdränger. Eine Midlife-Crisis hatte ich bestimmt auch, habe es aber nicht bewusst wahrgenommen. Vor zehn Jahren, wo die ja gewesen sein müsste, habe ich einen Pilotenschein als Gleitschirmflieger gemacht. Viele machen ja in der Zeit noch einen Motorradführerschein, nach dem Motto, das wollte man schon immer und wann, wenn nicht jetzt … Das könnte also meine Alterspubertät gewesen sein. Ich habe da aber nur etwas zu Ende gebracht. Ich hatte schon als Kind sehr luzide Flugträume. Seitdem bin ich Paraglider. Wenn sich so Alterspubertät anfühlt, dann kann ich nur sagen: geil.
Ist Schauspielerei da vielleicht der richtige Beruf, weil das wie eine Therapie ist, wenn man immer andere Menschen spielen kann?
Christoph Maria Herbst: Einige Kollegen haben ja schon die Schauspielschule als Therapie begriffen. Ich kann das nicht beurteilen. Ich war nie auf einer Schauspielschule. Zu der Zeit, als man mich nicht genommen hat, bin ich darüber verzweifelt. Das hat auch über viele Jahre an meinem Selbstbewusstsein genagt. Hinterher ist man immer etwas schlauer. Ich habe Schauspiel nie als Therapie bezeichnet. Aber Spielen ist das wichtige Wort in dem Begriff. Da Sie ja auch fragten, wie ich mit dem Alter umgehe: Das hält auch auf gewisse Weise jung, wenn man nie aufhört zu spielen.
Als Paul dürfen Sie mal eine sympathischere Figur spielen. Sonst werden Sie ja gern und oft als Prinzipienreiter und Korinthenkacker besetzt, wie in „Der Vorname“ oder „Contra“. Hängt Ihnen das zuweilen nach? Ist das mal schön, ausbrechen zu dürfen?
Christoph Maria Herbst: Ja, absolut. Den korinthenkackigsten, prinzipientreuesten und unempathischsten Typen, den ich je gespielt habe, war gerade für den Film „Der große Fake – Die Wirecard-Story“. Das hat mir sehr schlaflose Nächte bereitet, weil das ja keine erfundene Figur ist. Sich diesem Mann zu nähern war schon sehr krass. Dann kriegst du ein Angebot wie „Es ist nur eine Phase, Hase“. Das ist wie ein Traum, vielleicht auch wirklich eine Therapie. Dafür bin ich dem Regisseur Florian Gallenberger und dem Produzenten Benjamin Herrmann auch echt dankbar. Denn das ist, wie Sie so schon sagten, nicht eben mein künstlerisches Zuhause. Umso größer war die Freude, das spielen zu dürfen. Und auch mal andere Seiten ausloten zu können.
Ist dieses Rollenklischee, nun muss ich es doch auch ansprechen, eine Spätfolge von „Stromberg“?
Christoph Maria Herbst: Könnte sein. Der Stromberg ist eigentlich so was von erkaltet. Ich muss aber nach wie vor feststellen, dass er in vielen Köpfen noch eine Heimat hat. Mir ist da anscheinend eine Figur gelungen, die eine gewisse Zeitlosigkeit hat. Aber klar, so eine Serie ist Fluch und Segen. Das habe ich immer gesagt, alles andere wäre eine Lüge. Ich habe aber auch immer gesagt, bei mir überwog der Segen. Weil der Stromberg viele Türen geöffnet hat. Ich bin es langsam müde, dauernd zu wiederholen, dass diese ganze misogyne und xenophobe Denke mit mir nichts zu tun hat. Anthony Hopkins hat mit Hannibal Lecter auch nicht so viel zu tun. Und Götz George selig hat Zeit seines Lebens darunter gelitten, dass in Klammern immer Schimanski stand. Aber so ist es halt. Ich fange nicht an, darüber zu lamentieren. Aber man muss es langsam ausschleichen. Bis die Leute irgendwann mal fragen: Hat der nicht damals auch …?
Wenn Stromberg ausschleichen sollte, wäre Ihre zweite Schublade immer noch die Komödie. Könnten Sie sich auch vorstellen, mal ganz ins Drama zu wechseln?
Christoph Maria Herbst: Ich stehe zur Verfügung! „Die Wirecard-Story“ ging schon in die Richtung. Wenn da ein stimmiges Konzept und ein gutes Drehbuch ist, könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Wo wir darüber reden: Ich bin ja einer der wenigen Schauspieler, die kein „Tatort“- oder „Polizeiruf“- Kommissar geworden sind. Es wundert mich manchmal, warum ich in den besagten Formaten nie auf der Besetzungsliste stand. Aber ich kenne Regisseure, die solche Krimidarsteller nicht mehr besetzen, weil sie so vorbelastet sind. Da sind wir wieder bei Fluch und Segen.
„Es ist nur eine Phase, Hase“ 105 Min., ab 12 Jahren, läuft ab 14.10. im Cinemaxx Dammtor, UCI Mundsburg, Othmarschen, Wandsbek