Hamburg. Britischer Regisseur und Schauspieler stellte beim Filmfest Hamburg seinen neuen Film „Belfast“ vor. Eine Hymne auf seine Heimatstadt.

Er ist ein Alleskönner. Sir Kenneth Branagh ist Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und jetzt auch noch Cutter. Er hat für das Kino, das Fernsehen und die Bühne gearbeitet. Sein Spektrum reicht von Shakespeare bis zu den Marvel-Comics.

In Hamburg präsentierte er beim Filmfest eine seiner persönlichsten Arbeiten. „Belfast“ ist eine Hymne auf seine nordirische Heimatstadt. Nachdem er damit schon den Publikumspreis in Toronto gewonnen hatte, kam der Film des 60-Jährigen, der das Leben im Jahr 1969 aus der Perspektive eines neun Jahre alten Jungen erzählt, auch in Hamburg gut an. TV-Zuschauer könnten Branagh aus den Verfilmungen der Krimis von Henning Mankell kennen, in denen er den Kommissar Wallander gespielt hat.

Wie hat das Hamburger Publikum im Passage-Kino auf Ihren Film reagiert?

Kenneth Branagh: Sehr gut, wenn man bedenkt, dass der Film nicht in ihrer Muttersprache gedreht wurde und dann auch noch mit einem heftigen irischen Akzent versehen ist. Es wurde viel gelacht.

An den richtigen Stellen?

Ja. Und gute Fragen haben sie hinterher auch noch gestellt. Es war eine sehr freundliche Erfahrung.

Welches Verhältnis haben Sie zu Belfast?

Ich kann es nicht abschütteln und werde wie ein Magnet immer wieder angezogen. Ich bin als kleiner Junge von dort fortgegangen, aber schon mein erster Job als Schauspieler brachte mich zurück in die alten Straßen. In den folgenden Jahren bin ich dort oft im Theater aufgetreten. Ich komme gern zurück, um mich zu bedanken. Irgendwie musste ich zurück zu dem Ort und in die Zeit, in der der kleine Junge auf den Stufen des Ladens sitzt und ein „Thor“-Heft liest, wie im Film. Wenn mir jemand erzählt hätte, dass ich 40 Jahre später in Hollywood arbeiten würde, um diesen Marvel-Comic zu verfilmen, hätte ich das nicht geglaubt. Auch meine Eltern hätten mich ausgelacht.

Ihr Film besticht mit einem schönen Soundtrack. Viele der Stücke sind von Van Morrison, der ja auch aus Belfast kommt.

Er war ein Idol für die Menschen aus dieser Ecke der Welt. Sein großartiges Album „Astral Weeks“ kam schon 1967 heraus. Sein Sound ist einzigartig. Er hat ein Händchen für populäre Melodien, außerdem hat er eine ungewöhnlich spirituelle Beziehung zum Soul. Es gibt niemanden, den man mit ihm vergleichen könnte. Den ersten Song im Film hat er extra für uns geschrieben.

Eltern mit viel Humor: Catriona Balfe, Jamie Dornan.
Eltern mit viel Humor: Catriona Balfe, Jamie Dornan. © Universal-Pictures | Universal-Pictures Germany

Wie schön, dass Sie Judi Dench überreden konnten, mitzuspielen. Hatte sie nicht schon ihren beruflichen Abschied angekündigt, weil sie Probleme mit ihren Augen hat?

Die hat sie, aber ich glaube, dass sie immer arbeiten wird. Sie hat eine große Präsenz und strahlt sehr viel Menschlichkeit aus und trägt ihre Erfahrungen würdevoll.

Und sie hat die letzte Dialogzeile: „Schau nicht zurück!“ Genau das haben Sie aber mit diesem Film getan.

Aber es hat mich 50 Jahre gekostet. Ich habe gerade bei den Diskussionen im Kino noch einmal gemerkt: Wenn es darum geht, was Familien tun müssen oder können, versteht es jeder.

Sie haben die Stadt verlassen, bevor die „Troubles“ begannen, oder?

Ja. Erste Aktivitäten gab es 1966, aber 1969 ging es richtig los. Plötzlich wurde es wichtig, zu welchem „Stamm“ man gehörte. Der Film macht klar, dass „Entweder du bist für uns oder gegen uns“ kein Rezept für die Zivilisation ist.

Hatten Sie ein Motto für die Art, wie Sie hier die Geschichte erzählen?

Iren wenden sich auch in den dunkelsten Situationen schnell dem Humor zu und setzen sich dabei gern selbst ein bisschen herab. Ich wollte die Stadt durch die Augen eines Neunjährigen sehen. Er wollte keine Wechsel voller Gewalt, er wollte Stabilität. Die Ernsthaftigkeit sollte mit etwas Leichtigkeit erzählt werden.

Der Junge im Film liebt Western. Ging Ihnen das auch so?

O ja. Sie erscheinen so klar und sauber. Meine Lieblingswestern waren die von John Ford, die im Monument Valley spielen. Als wir vor acht Jahren „Thor“ gedreht haben, sind wir dafür nach New Mexico gegangen. Als wir fertig waren, sind meine Frau und ich extra von dort aus zurückgefahren, um noch mehr von der fantastischen Landschaft zu sehen. Es sieht dort oft aus wie gemalt. Es setzt einen auch irgendwie auf den Pott. Städte schaffen das nicht immer. Auch die moralische Landschaft ist in diesen Filmen klar in Gut und Böse gegliedert. Wenn John Wayne in der Nähe war, wusste man, das Leben ist okay.

Belfast ist wie Hamburg eine Stadt der Werften. Die „Titanic“ ist dort gebaut worden. Was merkt man heute noch davon?

Das Viertel hat man umarrangiert. Die riesige Lackierhalle hat man zu einer Bühne für die Dreharbeiten zu „Game Of Thrones“ umgebaut. Dort gibt es auch ein erstaunliches Museum. Und das Dock, in dem das Schiff gebaut wurde, wird manchmal zum Kino. Sie zeigen dort auch „Titanic“.

Wie sind Sie mit der Rolle als Kommissar Wallander klargekommen?

Das war eine großartige Rolle. Henning Mankell hat sie geschrieben, als ich alt genug war, um Wallander zu spielen. Man konnte über viele existenzielle Fragen nachdenken. Wenn man 50 Jahre alt ist, will man etwas wirklich Wichtiges machen. Ich habe die Drehzeit enorm genossen, mochte die weiten Landschaften, die Schweden. Man konnte viel von diesem Charakter lernen. Wallander ist ein brillanter, aber beschädigter Mann. Solche Typen zu spielen ist interessant.

„Belfast“ kommt am 24. Februar in die Kinos.