Hamburg. Der Bestseller „Töchter“ der Schriftstellerin Lucy Fricke kommt in die Kinos. Ein Gespräch über Drehbücher, Schauspieler – und Hamburg.

Vor drei Jahren war der Roman „Töchter“ von Lucy Fricke ein enormer Erfolg. Schon die sechste Taschenbuch-Auflage liegt in den Buchläden, für die Hardcover-Ausgabe waren es elf, der Roman ist in 14 Ländern erschienen. Bevor Fricke zur Literatur kam, arbeitete sie beim Film in der Abteilung Continuity für Regisseure wie Sebastian Schipper oder Fatih Akin. Zu diesem Medium ist sie jetzt kurz zurückgekehrt, als sie zusammen mit der Regisseurin Nana Neul das Drehbuch für die Verfilmung ihrer „Töchter“ schrieb – gerade lief das Ergebnis beim Filmfest. Während des Interviews sitzt die gebürtige Hamburgerin Fricke vor dem Café Paris. Was eine Buten-Hamburgerin, die ihre Heimatstadt vor 20 Jahren verlassen hat, bei ihrem Comeback bestellt? Fischsuppe!

Als vor drei Jahren Ihr Roman herauskam, erschien eine hymnische Kritik auf „Spiegel Online“, die im Urteil gipfelte, das Buch sei wie ein Film von Maren Ade. Und dann?

Lucy Fricke: Bei mir haben sich über 30 Produktionsfirmen gemeldet, die die Filmrechte kaufen wollten. Viele von denen hatten den Roman gar nicht gelesen. Ich habe mich mit zehn von ihnen getroffen. Da war schon fast klar, dass Nana und ich ein Team sein wollten.

Was war das Hauptproblem bei der Umsetzung des Textes?

Lucy Fricke: Im Roman steckt viel Witz in den Erzählerkommentaren. Wir haben uns aber gegen einen Off-Text entschieden und versucht, den Humor in eine andere Sprache zu übersetzen.

Haben Sie nur das Drehbuch mit verfasst, oder hatten Sie noch mehr mit der Produktion zu tun?

Lucy Fricke: Ich war die ganze Zeit involviert, habe mir auch die Videos angesehen, die beim Casting gedreht wurden. Es ist natürlich ein merkwürdiges Gefühl, wenn sich die eigenen Gedanken so auf der Leinwand materialisieren. Alexandra Maria Lara hatte sofort Lust mitzuspielen. Als sie mit Birgit Minichmayr im Casting war, sah das gleich nach bester Freundschaft aus. Es war offensichtlich, dass sie zusammengehörten.

Es lief aber nicht alles so glatt, oder?

Lucy Fricke: Wegen der Pandemie mussten die Dreharbeiten insgesamt viermal unterbrochen werden, das erste Mal gleich für zwei Monate. Zuerst war Italien dicht, dann Griechenland. Insgesamt haben die Dreharbeiten ein Jahr gedauert. Es war eine wahnsinnige Kraftanstrengung.

Der Film heißt zwar „Töchter“, aber der heimliche Held des Films ist der Vater, oder?

Lucy Fricke: Als ich das Buch geschrieben habe, dachte ich immer an einen kleinen dünnen Mann. In der Vorbereitungszeit habe ich dann gegrübelt: Wer kann den bloß spielen? Als ich dann erfahren habe, dass Bierbichler die Rolle bekommt, war ich begeistert und irritiert zugleich. Der ist doch viel zu groß für die Rückbank, habe ich gedacht. Das hat sich schnell geändert, als ich die ersten Szenen gesehen habe. Heute denke ich: Hätte ich doch nur gewusst, dass Sepp den Vater spielt. Dann hätte ich noch ein ganz anderes Drehbuch geschrieben.

Sind Sie jetzt eigentlich für die Literatur verloren?

Lucy Fricke: Überhaupt nicht. Im März erscheint mein neuer Roman „Die Diplomatin“. Es geht um eine Konsulin, die in Istanbul und Uruguay arbeitet – und den Glauben an die Diplomatie verloren hat.

Da braucht man vermutlich viel Hintergrundwissen. Wie sind Sie vorgegangen?

Lucy Fricke: Ich habe mit mehreren Botschafterinnen gesprochen.

Und die haben aus dem Nähkästchen geplaudert? Normalerweise sind diese Leute doch sehr verschwiegen.

Lucy Fricke: Ich habe ihnen zugesichert, dass ihre Namen nicht auftauchen. Außerdem habe ich ohne Aufnahmegerät gearbeitet. Das hat geholfen.

Wie ist es eigentlich, nach so langer Zeit wieder nach Hamburg zurückzukommen?

Lucy Fricke: Die Stadt ist mir noch sehr vertraut. Aber wieso ist Daniel Wischer nicht mehr in der Spitalerstraße, sondern beim Rathaus? Auch meine alte Stammkneipe Max & Consorten ist zwar noch in St. Georg, aber nicht mehr an ihrem alten Standort. Da waren wir zu Schulzeiten oft, wenn wir Spanisch geschwänzt haben. Das ist das Seltsame: Die Orte haben die gleichen Namen, sind aber woanders. Erinnerungen ziehen nicht mit um.