Hamburg. Mohammad Rasoulofs Film läuft in den Kinos. Das Abendblatt sprach mit der in Hamburg lebenden Tochter Baran Rasoulof.
Im Jahr 2020 sorgte der Film „Doch das Böse gibt es nicht“ bei der Berlinale für Furore. Das iranische Drama gegen die Todesstrafe gewann drei Bären, aber Regisseur Mohammad Rasoulof konnte sie nicht abholen, weil sein Reisepass konfisziert wurde, noch immer droht ihm eine einjährige Haftstrafe.
Stattdessen kam seine Tochter Baran nach Berlin. Die 21-Jährige lebt in Hamburg, studiert hier Medizin und spielt ausnahmsweise in dem Film ihres Vaters mit.
Wie geht es Ihrem Vater derzeit? Wo ist er, was macht er?
Baran Rasoulof: Er ist zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt worden, die aber noch nicht vollstreckt worden ist. Sie haben uns aber schon ein paarmal Angst gemacht, die Strafe kann jederzeit vollstreckt werden. Er kann aber auch nicht ausreisen, weil sie seinen Pass einbehalten haben, als er vor etwa drei Jahren in den Iran flog. Er hat ihn trotz mehrfacher Versuche immer noch nicht zurückbekommen.
Wie geht es ihm und Ihnen mit der Situation?
Rasoulof: Das Urteil ist schon vor drei Jahren gefällt worden. Ich möchte, dass dieser Zustand bald endet. Diese Ungewissheit ist schlimm.
Glauben Sie, dass sich unter dem neuen Präsidenten Ebrahim Raissi etwas ändert?
Rasoulof: Ich weiß es nicht. Ich versuche auch, mich so wenig wie möglich damit zu beschäftigen, weil es für mich sehr stressig ist. Ich hoffe einfach immer nur, dass es besser wird.
Wie lange haben Sie selbst im Iran gelebt?
Rasoulof: Bis ich elf Jahre alt war. Dann habe ich ein Jahr in Frankreich gelebt, seitdem in Deutschland.
Jetzt haben Sie im Film Ihres Vaters gespielt. Wie haben Sie die Dreharbeiten erlebt, für die Sie in den
Iran gereist sind?
Rasoulof: Es war echt super. Ich war dafür zehn Tage im Iran, wir haben jeden Tag von sechs Uhr morgens bis spät abends gearbeitet, im Norden des Landes, in der kleinen Stadt Qazvin. Die Natur dort war wunderschön.
Gab es Repressalien? Oder konnten Sie einfach frei drehen?
Rasoulof: Wir mussten immer vorsichtig sein. Wir hatten eine Lizenz zum Drehen von 4 Kurzfilmen. Es gab eine Szene auf dem Flughafen in Teheran, bei der mein Vater nicht dabei sein konnte, weil es möglicherweise gefährlich gewesen wäre. Da er nicht als Regisseur arbeiten darf.
Sie leben hier in Hamburg mit Ihrer Mutter. Wie kommunizieren Sie mit Ihrem Vater?
Rasoulof: Über Whatsapp oder Videoanrufe, wie ich auch mit dem Rest meiner Familie kommuniziere. Ich habe zu beiden Eltern ein gutes Verhältnis. Vor dem Film konnte ich auch problemlos in den Iran fliegen. Jetzt eher nicht mehr. Man weiß nicht, wie die dort reagieren würden.
Der Film ist dort nicht gezeigt worden, oder?
Rasoulof: Natürlich nicht. Ich weiß von vielen Iranern, dass sie den Film trotzdem gesehen haben. Sie schicken mir manchmal Nachrichten auf Instagram und erzählen mir, wie sie ihn fanden. Sie finden immer einen Weg.
Beobachten Sie die aktuelle Situation in Afghanistan? Ist die Rolle der Frauen dort mit der im Iran vergleichbar?
Rasoulof: Im Vergleich mit Deutschland ist der Zustand im Iran schlecht. Aber im Vergleich mit Afghanistan ist es im Iran viel besser. Eigentlich bin ich kein politischer Mensch. Aber wegen der Situation meines Vaters ist das immer irgendwo in meinem Leben, mal im Hinter-, mal im Vordergrund. Es bedrückt mich, wenn ich mich damit beschäftige. Deshalb versuche ich mich da zurückzuhalten.
Mohammad Rasoulof stellt in „Doch das Böse gibt es nicht“ die Geduld der Zuschauer auf eine Probe. Über Heshmat (Ehsan Mirhosseini) erfährt man, dass er oft nachts arbeiten muss. Was er macht, bleibt zunächst ein Rätsel. Einschlafen kann er nur, wenn er seine Tabletten genommen hat. Später sieht man ihn an seinem Arbeitsplatz vor einer Schalttafel, Heshmat drückt einen Knopf, Menschenfüße zappeln und zucken in der Luft. Er ist ein Henker. Rasoulofs Film ist ein in Episoden erzählter flammender Appell gegen die Todesstrafe, gewann drei Preise bei der Berlinale und läuft jetzt, im Original mit Untertiteln, im Abaton und im Zeise.