Hamburg. Zu seinem 95. Geburtstag zeigt die Ausstellung „F. C. Gundlach at Work“ in der Elbschloss Residenz sein fulminantes Schaffen.
Dunkelblauer Blazer, Einstecktuch, markante Brille – ob im Dschungel, am Strand oder im Studio auf St. Pauli, vornehm gekleidet, so kennt man Franz Christian Gundlach, oder „FC“, wie ihn Freunde und Kollegen nennen. Der Visionär und Gentleman der Modefotografie, Gründungsdirektor des Hauses der Photographie, Unternehmer, Ehrenprofessor der Hochschule für bildende Künste Hamburg und leidenschaftliche Sammler, war bis ins hohe Alter aktiv: Er wirkte bei internationalen Ausstellungsprojekten mit, förderte junge Talente und bewahrte besondere fotografische Nachlässe.
Am 16. Juli feiert F. C. Gundlach seinen 95. Geburtstag. Die Ausstellung „F. C. Gundlach at Work“ in der Elbschloss Residenz, wo er seit einigen Jahren lebt, bringt zu diesem Anlass viele seiner Bilder und Geschichten zu ihm. Rund 95 Exponate in Schwarz-Weiß und Farbe geben Einblicke in die klare Bildsprache sowie die ästhetische Haltung des Fotografen. Arbeitsaufnahmen zeigen Gundlach mit Models in Aktion und erzählen von abenteuerlichen Fotoproduktionen: einem Bademoden-Shooting vor den Pyramiden von Gizeh in Ägypten, an der Tempelanlage von Angkor Wat oder in Downtown New York.
F. C. Gundlach: Location Scout, Ausleuchter, Friseur, Stylist
Ebenso wie das Sammlergen hatte F. C. Gundlach schon früh das Reisegen in sich: 1950 besuchte der Fotograf und Bildjournalist Paris – Sehnsuchtsort vieler junger Europäer. Ein Schlüsselerlebnis waren die glanzvollen Salons der dortigen Haute Couture. Hier begann er, seine modefotografische Bild- und Formensprache zu entfalten, die den damaligen Zeitgeist einfing und die ihn wenig später berühmt machen sollte.
Die scheinbare Leichtigkeit des Seins und Modetragens, die seine Models auf den Bildern in Magazinen wie „Film und Frau“ vermitteln, war das Produkt harter, fleißiger Arbeit – zumal Gundlach, aufstrebend im Nachkriegsdeutschland, noch nicht von perfekt durchorganisierten Produktionstouren profitierte. Oft war der Fotograf alles in einer Person: Location Scout, Ausleuchter, Friseur, Stylist und Assistent. Erst mit dem Exklusiv-Vertrag der Zeitschrift „Brigitte“ ab 1963 begleitete ihn ein kleines Team auf seinen unzähligen Reisen. Seine Auftragsarbeiten für Lufthansa ließ er sich mit Bonusmeilen honorieren, um damit wiederum zu den schönsten Orten der Welt aufzubrechen.
F. C. Gundlach gründete Professional Photo Service (PPS)
1971 gründete F. C. Gundlach mit Professional Photo Service (PPS) im Feldstraßenbunker ein Dienstleistungsunternehmen für professionelle Fotografen; in der angeschlossenen Galerie zeigte er mehr als 140 Ausstellungen. Mit Beginn der 1980er-Jahre widmete er sich zunehmend seiner privaten Sammelleidenschaft. Um seine umfangreiche Fotosammlung langfristig zu sichern, stellte er mit Gründung des Hauses der Photographie 2003 einen Großteil davon der Stadt als Dauerleihgabe zur Verfügung.
Die Stiftung F. C. Gundlach, die im vergangenen Jahr ihr 20. Jubiläum feierte und die Geburtstagsausstellung entwickelt hat, setzt sein Engagement für die Fotografie als Kulturgut fort, „wir beraten, kuratieren, heben Schätze aus Archiven, schicken Bilder und ganze Ausstellungen an Museen in aller Welt“, sagt Geschäftsführer Sebastian Lux. „Dies tun wir im Geist unseres Stifters, des Fotografen F. C. Gundlach, der selbst in seinem fruchtbaren Schaffen viele Aspekte des wundervoll vielfältigen Mediums Fotografie vereint.“
Biografie
Franz Christian Gundlach wurde am 16. Juli 1926 im hessischen Heinebach geboren. Nach einer fotografischen Ausbildung in Kassel arbeitete er für „Deutsche Illustrierte“, „Quick“ und „Stern“. Eine Reise nach Paris 1950 brachte ihn zur Modefotografie. „Film und Frau“ wurde sein größter Auftraggeber, 1956 folgte Lufthansa, 1963 ein Exklusivvertrag mit „Brigitte“.
1971 gründete er Professional Photo Service (PPS), seine Galerien in Hamburg und Düsseldorf zählten zu den ersten Galerien für Fotografie in Deutschland. In den 1980er-Jahren intensivierte Gundlach das Sammeln fotografischer Werke, konzipierte Ausstellungen und brachte Bücher heraus.
Er bekam die Ehrenprofessur der Hochschule für bildende Künste, das Bundesverdienstkreuz und den Henri Nannen Preis verliehen. 2003 wurde er Gründungsdirektor des Hauses der Photographie, seine Sammlung ging als Dauerleihgabe an die Stadt.
„F. C. Gundlach at Work“ab 18.7., Elbschloss Residenz (S1, Bus 392), Eingang Elbschloßstraße 11, täglich 9.00–18.00, Terminvereinbarung unter T. 040/819 91 10. Es gelten die aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln.
Das sagt Dirk Luckow über F. C. Gundlach – eine Hommage
F. C. Gundlach hat unglaublich viel für die Fotografie in Hamburg und Deutschland getan: als Gründungsdirektor des Hauses der Photographie, als Erfinder der Triennale der Photographie und als Fotograf selbst. Dass Fotografie so selbstverständlich als Kunstform anerkannt wird, dass Menschen sich inspiriert fühlen, ihr Dasein als reicher empfinden durch die Begegnung mit Fotografie, ist auch sein großer Verdienst.
Was ich wirklich interessant an Gundlach finde, ist sein Perspektivwechsel zwischen unterschiedlichen Rollen: Er hat als Mode- und Werbefotograf Weltkarriere gemacht, war leidenschaftlicher Gestalter von Magazinseiten und ein Fotografie-Visionär mit großem Gespür für die Qualität anderer Fotografinnen und Fotografen. Er hat den Marktwert von Fotografie als Kunst erkannt und mit dem Professional Photo Service und der Galerie für Fotografie ausgeschöpft. Er ist immer ein empfindsamer Beobachter seiner Zeit gewesen.
Seine Modefotografien wurden zu ikonischen Bildern, stets erkannte man eine Gundlach-Arbeit an der eleganten Linienführung à la New Look und einer exquisiten Figur-Grund-Beziehung. Als Betrachter wusste man, dass das Model etwa vor der Pyramide inszeniert ist, aber es war dennoch authentisch, denn als Fotograf bezog er den Ort mit in die Komposition ein, die Mode wurde in einen kulturhistorischen Kontext gestellt und so in unser kulturelles Gedächtnis gepflanzt.
F. C. Gundlach hat Fotografie gelebt, er war beseelt davon und schulte seine Seherfahrung tagtäglich. In seinem Archiv an der Parkallee ist er aufgegangen. Ganz wichtig waren seine Kontakte in die USA. In New York passierte fotografisch sehr viel, dort lernte er die Großen der Fotografie kennen: Harry Callahan, Irving Penn, und diese Erfahrungen brachte Gundlach mit nach Deutschland. Und auch hier ging er oft ins Amerikahaus, las US-„Vogue“ und „Harper’s Bazaar“; so hat er aus dem Nachkriegsdeutschland herausgucken können.
Ich habe ihn vor allem als Sammler wahrgenommen, der einen offenen Blick hat, nicht nur auf Ikonen der Modefotografie setzt, sondern auch auf Künstler, die die Schattenseiten des Daseins zeigen, wie etwa Nan Goldin. Und der die Nähe zu bildenden Künstlern wie Cindy Sherman, Martin Kippenberger oder Fischli & Weiss sucht. Auch Wolfgang Tillmans hat er früh unterstützt und ausgestellt, er mochte den Austausch mit jüngeren Kollegen.
Ich erinnere mich an großartige Ausstellungen, die aus seiner Sammlung heraus kuratiert wurden: „Das Medium der Fotografie ist berechtigt, Denkanstöße zu geben“ im Kunstverein, „Mode - Körper - Mode“ im Museum für Kunst und Gewerbe, „A Clear Vision“ und „The Heartbeat of Fashion“ in den Deichtorhallen. Somit haben wir einen reichen Fundus, der tief in die Fotografie hineinreicht und immer wieder Inspiration für neue Projekte ist.
Armin Morbach gratuliert F. C. Gundlach mit einem Brief
Lieber F. C.,
seit nunmehr 14 Jahren bist du auch für mich – wie für so viele Menschen – eine einzige Inspiration. Jeder, der dich kennt, weiß, wie sehr du es liebst, in der Vergangenheit zu schwelgen – und dabei erleben wir in jeder bereits erzählten Geschichte immer wieder eine neue Wendung, erfahren ein bisher unerwähntes Detail; du bietest uns, denen, die dir zuhören, so immer wieder ganz neue Geschichten dar.
In der Nacht vor unserer ersten Begegnung fand ich nicht eine Sekunde in den Schlaf, so nervös und aufgeregt war ich. Meine Hände, schweißnass, klammerten sich an die Drucke meiner Arbeit, die ich mitgebracht hatte. Und du, die Ikone, der Gott der frühen Modefotografie, schütteltest mir einfach die Hand. Bei einer Tasse Tee mit Schokoladenkuchen saßen wir zusammen, deine zugewandte Art und dein Auge für Fotografie gaben mir gleich in der ersten Stunde mehr als meine gesamte Zeit in der Ausbildung. Tatsächlich entstand von diesem ersten Moment an auch unsere Freundschaft, wir begannen, uns regelmäßig zu sehen. Ob zum Schokoladenkuchen bei dir oder zum veganen Weihnachtsbraten bei mir; wir telefonierten, flanierten – und sogar fotografiert haben wir zusammen; einmal, unvergessen!
In den letzten Jahren ist es ruhiger um dich geworden, aber ich glaube, ab 90 ist es wahrlich okay. Doch, selbst für dich ist es in Ordnung, länger zu schlafen! Wie oft warst du im Leben der Erste am Set! Und der Letzte! Wie oft saßen wir mit deinen Freunden nach einer deiner Ausstellungen noch sehr lange im Restaurant; wenn ich dich dann mit dem Taxi nach Hause brachte, immer die Frage: „Hast du meine Tasche?“ Ja, ich hatte sie. Immer. Und genauso oft vermisse ich diese Abende. Du hast dich ein wenig zurückgezogen. Dadurch denke ich aber nur noch intensiver an gemeinsame Momente: wie wir abends bei einer Flasche Wein in deiner Wohnung sitzen oder du dir von mir die Haare schneiden lässt – und wie ich es liebe, dich in den Arm zu nehmen, mein Freund. Und wahrlich, du hast sie gepflegt unsere Freundschaft, alle Freundschaften – ungezählt viele Freunde ehren und schätzen dich sicher nicht nur heute, genau so, wie ich es tue.
Wären wir nur zur gleichen Zeit geboren, ich hätte die Gelegenheit gefeiert, neben dir, mit deinen Augen Paris zu sehen und zu fotografieren, wäre mit dir über den Sand zu den Pyramiden gewandert oder zu den berühmten Bauwerken von Oscar Niemeyer in Brasilien, wir wären mit deinem Hund Boris im Auto nach dem Shooting in die Abendsonne gefahren. In meinem Studio hängen jetzt diese Bilder von dir, Bilder, die dich bei der Arbeit zeigen, Bilder, die die Entstehung von Meisterwerken dokumentieren. Du bist Mentor, Kurator, Gründungsdirektor, Chef, Künstler, Historiker, Weinkenner, Sammler, Galerist, Stifter und so vieles mehr, aber vor allem bist du ein sensibler, großherziger und treuer Freund. Ich hoffe, wir haben die Gelegenheit, bei einer guten Flasche Wein deinen Geburtstag zu feiern. Und du erzählst mir mehr als eine Geschichte, die ich schon kenne, denn ich liebe sie alle deine Geschichten, sie werden mir nur immer wertvoller. Happy Birthday, mein lieber Freund! Und danke für alles!
Erma Schmidt-Stärz: „Er hat einen köstlichen Humor!“
Ich kam 1970 von New York, wo ich in der Modefotografie gearbeitet hatte, nach Hamburg und bewarb mich um die Studioleitung, weil mir der Name F. C. Gundlach natürlich bekannt war. Das klappte auch, und so übernahm ich die Studioleitung im Bunker an der Feldstraße. Mein erster Eindruck von F. C. Gundlach? Ein Mann, der keine Show machte. Er war präzise, auf den Punkt, zugewandt, eigentlich immer kontrolliert. Zu mir sagte mal jemand: „Sie wissen, dass Sie nicht für einen Mann arbeiten, sondern für einen Herren.“ Das passte genau. Es gab sehr viel zu organisieren, angefangen damit, dass morgens Hund Boris gefüttert werden musste. Und wir waren viel auf Reisen: Marokko, Lissabon, Gran Canaria, New York.
Nach einem kurzen Zwischenspiel in Stuttgart ging der Kontakt mit F. C. weiter. Ich organisierte die Fotoreisen für die Zeitschriften „Brigitte“, „Annabelle“ und für den Otto-Apart-Katalog, das waren riesige Produktionen mit drei Fotografen, Stylisten, Visagisten und zehn Models – wir waren mit einem ganzen Tross unterwegs, in New York mieteten wir immer diese extragroßen Campingmobile an.
Vor allem die Models mussten sorgfältig ausgewählt werden, damit F. C. alles so vorfand, wie er es wollte. Er war immer seiner Zeit voraus. F. C. war einer der Ersten, der die Models in Bewegung fotografierte. Und es ging auch kein Foto aus dem Haus zum Kunden, das er vorher nicht am Leuchttisch gesehen hatte. Alles, was am Tag fotografiert wurde, wurde auch von ihm gesichtet. Wenn etwas richtig schiefging, konnte er auch explodieren, wurde einmal richtig laut, aber dann kehrte man wieder zu business as normal zurück. Da ich schon mit sehr vielen Modefotografen gearbeitet hatte, habe ich solche Ausbrüche immer mit großer Gelassenheit genommen.
1979 fragte F. C. mich, ob ich seine Galerie führen wolle. Tolle Ausstellungen haben wir zusammen gemacht, von Irving Penn, Richard Avedon, Eugene Smith und sogar die erste deutsche Ausstellung von Robert Mapplethorpe bis hin zur Avantgarde der 1980er-Jahre mit Albert Oehlen und Martin Kippenberger. F. C. hatte den deutsch-jüdischen Porträtfotografen Erwin Blumenfeld sehr früh wiederentdeckt, schon Mitte der 80er-Jahre legten wir ein Portfolio mit seinen Arbeiten auf.
Auch technisch war F. C. unglaublich innovativ, trieb den Dye Transfer Druck zur Herstellung sehr hochwertiger Fine Art Prints in Handarbeit voran. So nah am Puls der Zeit zu sein war hochinteressant und für Hamburg und Deutschland ein Meilenstein! Seine ungeheure Qualität war es, zu erspüren, wie sich etwas entwickelt und was wichtig wird. Wenn wir in New York waren, gingen wir nach der Arbeit durch die Galerien, sein Sammlergen war immer aktiv. Es gehört auch zu seiner Leistung, dass das Museum für Kunst und Gewerbe zeitgenössische Künstler sammelt.
1994 gründete ich die Firma Photo Art, und F. C. wurde mein Geschäftspartner; zusammen verkauften wir Fotografien, hauptsächlich der 1950er-Jahre, auf internationalen Messen. Auch viele seiner Arbeiten waren dabei. Mit Anfang 70 gab ich meine Agentur auf. Mit F. C. bin ich nach wie vor freundschaftlich verbunden. Wenn ich ihn besuche, erinnern wir uns an die vielen Reisen und Geschichten, die wir zusammen erlebt haben. So diszipliniert und anspruchsvoll er am Set war, so entspannt und fröhlich kann er in seinem Privatleben sein. Er hat einen wirklich köstlichen Humor!