Hamburg. Am Freitag starb der beliebte Entertainer und Musiker, wie erst jetzt bekannt wurde, im Alter von 90 Jahren in Hamburg. Ein Nachruf.
„Kurt Edelhagen, Musiker von internationalem Rang, der mit seinem Starorchester seit Jahren beim Frankfurter Jazz-Festival an repräsentativer Stelle wirkt, hat dem Jazz einen schlechten Dienst erwiesen, als er sich mit dem Rock-’n’-Roll-König Bill Haley in ein Programm zusammenspannen ließ. Als Solist wirkte hier der amerikanische Schlagersänger Bill Ramsey mit, ein schreiender, fratzenschneidender, schlotternder Jüngling, der schon ein harmlos karikierendes Vorspiel dessen gab, was dann Bill Haley aufzubieten hatte“, zürnte die Abendblatt-Kritikerin im Oktober 1958 wenige Stunden nach Bill Haleys Konzert in Hamburg, das erst in der Ernst-Merck-Halle und nach dem Abbruch in den Straßen rund um den Dammtor-Bahnhof in Ausschreitungen eskalierte.
Aber es war ein Abend der Vorbestimmung, auch für den „schreienden, fratzenschneidenden, schlotternden Jüngling“ Bill Ramsey im Vorprogramm. Er sollte noch zum gefeierten Star aufsteigen, zurück nach Hamburg kommen, hier leben, das Bundesverdienstkreuz bekommen und nun also auch hier sterben: im hohen Alter von 90 Jahren, am 2. Juli, wie erst gestern bekannt wurde.
Jeden Applaus kostete er aus, als wäre es sein letzter
William McCreery Ramsey wurde in eine Zeit der Zwänge geboren, in der er sich immer mehr Freiheiten nahm: Zur Welt kam er am 17. April 1931 in Cincinatti, Ohio als Sohn eines Werbers und einer Lehrerin, und bereits am College und als Soziologie- und Wirtschaftsstudent in Yale verknüpfte er die Pflichten mit dem Angenehmen: Sein Herz schlug für den Jazz, den er in Tanzorchestern und bei Feiern sang wie die „schwarzen“ Ikonen Nat King Cole und Louis Jordan, die er verehrte.
Kraftvoll, aus voller Seele, dabei doch irgendwie verletzlich. Hautfarben waren Ramsey und seinem wachsendem Publikum immer egal, „man muss einfach nur die Augen schließen“, soll Ella Fitzgerald zu ihm gesagt haben. Das war 1953, Ramsey leistete seinen Wehrdienst bei der Air Force in Frankfurt ab und arbeitete als Produzent beim Soldatensender AFN, die ideale Stelle, um sowohl selber zu singen als auch Kontakte zu internationalen Stars und aufstrebenden deutschen Künstlern, Bandleadern und Produzenten im unterhaltungshungrigen Nachkriegsdeutschland zu knüpfen: Kurt Edelhagen, James Last, Heinz Gietz.
Jazz-Pianist Gietz, nach dem Krieg Arrangeur und Komponist beim Hessischen Rundfunk, war auf dem Weg zu einem der erfolgreichsten Musikproduzenten der frühen 1960er-Jahre, und neben Caterina Valente und Gitte war Bill Ramsey sein Zugpferd. Ihm vermittelte Gietz 1955 Rollen in den Filmen „Musik im Blut“ und „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“. Ramsey beendete aber erstmal sein Studium, bevor er mit Gietz 1958 einen Plattenvertrag aushandelte. Jazz war nicht drin, die Produzenten gaben damals die – kommerziell aussichtsreichste – Richtung und das Image vor.
Ramsey entschied sich, „was Lustiges zu machen“
Ramsey hatte die Wahl zwischen Rock’n’Roll oder Schlager und entschied sich, „was Lustiges zu machen“, wie er es Jahrzehnte später nannte. Bis Beat-Musik Mitte der 60er die neu Leit-Jugendkultur wurde, eilte Ramsey wie seine Zeitgenossen Freddy Quinn und Peter Kraus von Erfolg zu Erfolg in den Hitparaden, im Radio und auf Kinoleinwänden. „Souvenirs“, „Pigalle (die große Mausefalle)“ und „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ wurden zu Ohrwürmern der Nation, gern gesungen in 28 Filmauftritten, zuletzt spielte Ramsey 1997 einen Barbesitzer im „Tatort“. Seine markante Stimme mit amerikanischem Akzent begleitete seine Moderationen in TV-Shows wie „Talentschuppen“ und in seinen Radiosendungen. Die „Swingtime“ bei hr2 Kultur gehörte ihm 30 Jahre lang bis 2019.
Sobald es die Umstände Mitte der 60er zuließen, widmete sich Bill Ramsey weniger Liedern wie „Zicke Zacke Hoi“, „Nichts gegen die Weiber“, „Haschisch Halef Omar“ oder „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“, sondern seiner wahren Leidenschaft: Jazz, Swing, Blues, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra, Ray Charles, Louis Armstrong. Damit gab er den Ton an bis zu seinem letzten Album „My Words“ 2016 und bei ungezählten Konzerten und Auftritten in Theatern und Revuen.
Eines seiner letzten Heimspiele
Nur ein einziger schlechter Auftritt war ihm in Erinnerung geblieben, „mit einer Amateurband irgendwo im Südwesten, unweit des Bodensees. Die waren so schlecht, die haben wirklich alles falsch gespielt. Aber wenn ich noch wüsste, wie die Band hieß, würde ich es nicht sagen, denn es waren trotzdem liebe Jungs“, erzählte er dem Abendblatt vor dem Konzert zu seinem 85. Geburtstag 2016 im St. Pauli Theater.
Das war eines seiner letzten Heimspiele. „Hamburg, keine ist wie du“, sang er da zwar nicht, aber er dachte es vermutlich. Nach vielen Jahren in Frankfurt, Zürich und Wiesbaden und seiner Einbürgerung 1984 folgte er seiner vierten Ehefrau Petra, Ärztin und Ramseys Managerin, 1991 aus beruflichen Gründen nach Hamburg.
Bundesverdienstkreuz im Februar 2020
Ein Schritt, den beide nie bereuten, was aber bei dem fantastischen Elbblick, den sie in ihrer Villa an der Elbchaussee genossen, und durch viele Freundschaften in der Hamburger Musik- und Kulturszene verständlich ist. Und noch schöner als an der Elbe war es auf den Bühnen. Alles, wirklich alles, was er konnte, legte er bis zuletzt in seine Shows.
Bei den Proben blieb er unbeweglich sitzen, sang nur das Nötigste, sparte so viel wie möglich Energie (außer Petra sah nicht hin) und verließ sich auf seine Musiker vom Achim Kück Quartett. Aber sobald es Showtime hieß, klatschte, wippte, schnippte und schäkerte Ramsey, um Jahrzehnte verjüngt, jeden Takt, jeden Ton und jeden Applaus auskostend mit als wäre es sein letzter.
Nun also ist der letzte Vorhang gefallen für Bill Ramsey, nicht lange nachdem ihm Kultursenator Carsten Brosda im Februar 2020 das Bundesverdienstkreuz persönlich nach Hause brachte. Ramseys großer im Abendblatt-Interview 2016 geäußerter Wunsch, zusammen mit Helene Fischer „Unforgettable“ von Natalie und Nat King Cole zu singen, erfüllte sie ihm noch im gleichen Jahr zu Weihnachten in der „Helene Fischer Show“ – zumindest teilweise.
Tod von Roger Cicero ging ihm unter die Haut
Deutschlands populärste Entertainerin verwandelte sich vor einem Millionenpublikum für den Pionier der Unterhaltungskunst in die „Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe“, legte sich als Mimi mit Krimi ins Bett und tappte in die Mausefalle mitten in Paris. Zum Abschied sagte Helene Fischer zu ihm: „Genieß die letzten Tage … äh genieß die letzten Jahre … äh genieß die letzten Tage des Jahres.“
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Ramsey nahm es mit Humor, so wie ihn nur wenig betrüben konnte. Der viel zu frühe Tod von Roger Cicero zum Beispiel ging ihm unter die Haut, für ihn sang Ramsey „Under My Skin“. Aber Roger Cicero trifft er jetzt vielleicht wieder, und Kurt Edelhagen, James Last und Heinz Gietz. Paul Kuhn, Hugo Strasser, Max Greger. Ray Charles, Nat King Cole und Louis Jordan. Was für eine Bigband! Mit Bill Ramsey werden sie sicher was Lustiges machen.