Die Neuerscheinungen rechnen mit dem Kapitalismus ab. Für die Band „Ja, Panik“ ist es das erste Album seit sieben Jahren.

So, liebe Querdenkerinnen und Querdenker, wie sieht es den heute mit ihrem Aggressionsempfinden aus? Ist es ein entspannter Tag für ein „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ oder „Nichts darf man mehr sagen?“, fehlt noch ein kleiner Schubs Empörung für mehr negative Energie?

Wir haben da was, das richtig auf die Palme scheucht: Das komplette Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ (Antilopen Geldwäsche/Warner) von Danger Dan. Der Titelsong sorgte bei seiner Vorstellung vor wenigen Wochen und durch Böhmermanns Weiterverbreitung schon für Gespräche, wobei das Album auch aus musikalischer Sicht beachtlich ist.

„Lauf davon“ rechnet mit Start-up-Kapitalisten ab

Tatsächlich verzichtet das Drittel der Düsseldorf-Aachener Rapper Antilopen Gang komplett auf Hip-Hop-Einflüsse für Piano- und Streicherballaden. Privates und Politisches, bissige Gesellschaftskritik und leidenschaftliche Romantik schlagen den Bogen von Kurt Weill und Bertolt Brecht bis zu Rio Reiser. Schon der Auftakt „Lauf davon“ rechnet einerseits mit Start-up-Kapitalisten in Ramones-Shirts und Pfefferspray-Kommandos ab, erzählt aber auch von absoluter Hingabe zur Musik, in diesem Fall Lou Reed.

Danger Dan:
Danger Dan: "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" © Antilopen Geldwäsche (Warner) | Antilopen Geldwäsche (Warner)

Wie das zusammengefügt wird, sollte einfach gehört und genossen werden. Gleiches gilt für „Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok.“ Moralisch ist das nicht zu argumentieren, meint auch Danger Dan. Aber wer würde nicht gern an der Seite von Penélope Cruz gegen Windmühlen in biernassen Polohemden kämpfen.

„Sie haben ja wohl Lack gesoffen“

Und dann ist da noch „Das schreckliche Buch“: Danger Dan stellt einem Verleger ein Buch vor, der aber ablehnt: Ein Bongospieler mit schwarz-weiß-rotem Flaggenumhang, der am Holocaust-Denkmal in Berlin trommelt, gefeiert von einer Frau mit Dreadlocks, lila Leggins und Hetzplakat?

Ein Koch auf einer Bühne, der von Satans Thron faselt? Drei Polizisten, die auf der Reichstagstreppe eine Revolution im Keim ersticken? Alles an einem Tag? „Sie haben ja wohl Lack gesoffen“, antwortet der Verleger. „Lieber Verleger, es tut mir leid, da liegt ein Irrtum vor/das Manuskript war eigentlich nicht für das Roman-Ressort/ich wünschte selbst, ich hätte mir das alles ausgedacht/bitte geben sie es dem Kollegen, der die Sachbücher macht.“ Kannste dir nicht ausdenken.

Neues Album von Ja, Panik: „Die Gruppe“

Am ersten Tag eines neuen Jahres einen Song mit dem Titel „Apocalypse or Revolution“ zu veröffentlichen, ist eine Ansage. Aber niemals eine eindeutige, wenn Andreas Spechtl und seine Band Ja,
Panik
die Urheber sind. „Wenn die Sprache von dir lässt/Und die Nacht bis in den Tag reicht“, so hebt der Song an. Gut, das muss sich nicht zwangsläufig wie Weltuntergang oder Macht-alles-neu anhören.

Ja Panik: Die Gruppe
Ja Panik: Die Gruppe © Bureau B / Indigo

Nach zappenduster und elegischer Statusbeschreibung klingt es extrem. Das gilt für das am Freitag erscheinende Album von Ja, Panik als Ganzes. „Die Gruppe“ (Indigo), so heißt das erste Werk der in Berlin und Wien beheimateten Band seit sieben Jahren, ist ganz anders als der optimistische Vorgänger „Libertatia“. Es ist halt viel passiert. Die Formation hat sich verändert, seit 2014 ist Laura Landergott dabei.

Songs entstanden vor Corona

Vor allem aber ging das gesellschaftliche Leben weiter, das problembehaftete. Ja, Panik, das war schon immer hedonistisch gewendete Kapitalismuskritik. „The cure of capitalism/Is more capitalism“ heißt es im Song „The Cure“, der nach den Regeln des Ja,panischen Austro-Englisch-Prinzips auf Deutsch einsetzt.

Spechtl ruft nach Hilfe: „Doktor, hilf mir/Doktor bitte/Doktor hilf mir/Damit ich wieder rausgehen kann“. Die Songs entstanden vor Corona. Der Doktor mag die Sozialfigur der Gegenwart sein, aber Therapeut („Ich will ja nur, dass du mir zuhörst“) ist er immer. Hat die zwischenzeitlich beste deutschsprachige Band uns noch etwas zu sagen? Ja, auch auf Englisch.