Hamburg. Die TV-Doku „Schwarze Adler“ lässt dunkelhäutige Ex-Profis zu Wort kommen. Das Abendblatt sprach mit dem Hamburger Patrick Owomoyela.
Von wegen: „Entscheidend ist aufm Platz“. Der Satz, den Ruhrpott-Ikone „Adi“ Preißler bekannt gemacht hat, wird im Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ ordentlich durchgeschüttelt. Regisseur Torsten Körner hat in seinem Dokumentarfilm ein wichtiges Thema aufgegriffen und untersucht, wie man in Deutschland mit dunkelhäutigen Fußballern umgegangen ist.
Das Ergebnis ist eine Galerie von Vorverurteilungen und Anfeindungen – und oft zum Fremdschämen. Erwin Kostedde war 1974 der erste dunkelhäutige Nationalspieler. „Wie das ist, mit so einer Hautfarbe durch Deutschland zu laufen, können Sie sich gar nicht vorstellen. Seit ich denken kann, hat es immer Probleme gegeben. Ich bin ein harter Hund gewesen, aber das lässt einen nicht los“, sagt er.
Rassismus im Fußball: Zu Wort kommen auch frühere HSV-Profis
Zu Wort kommen auch Gerald Asamoah, Steffi Jones, Anthony Baffoe, Shary Reeves und die früheren HSV-Profis „Jimmy“ Hartwig und Otto Addo. Sie machen deutlich, was sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Erstaunlich auch die kurzen Abstecher in die Werbung. „So weiß möchte ich auch wieder sein“, sagt ein schwarzer Vogel. „Kannst du haben, komm her“, antwortet das Waschmittel Persil. In einem anderen Spot trällert eine Frau: „Weil denen die Farbe der Haut nicht passt, wird er behandelt wie ein Tier. Dabei ist er ein Mensch wie wir.“ Und schiebt dann noch nach: „Oder fast.“ Auch Patrick Owomoyela erzählt im Film von seinen Erfahrungen. Das Abendblatt sprach mit dem Ex-Nationalspieler, der in Hamburg geboren ist und hier groß wurde.
Höchste Zeit, dass das Thema in einem Film aufgegriffen wurde, oder?
Patrick Owomoyela: Leider ist es nach wie vor ein Thema. Immer wieder wird es durch große Aufreger nach vorn gebracht. Ich finde, der Film behandelt es auf eine gute Art und Weise.
Es ist erstaunlich und erschütternd, wie viel und doch wieder wenig sich seit dem ersten dunkelhäutigen Spieler in der Fußball-Nationalmannschaft getan hat. Erwin Kostedde war 1974 der Erste.
Es war damals für ihn eine schwierige Situation. Durch die Internationalisierung des Sports und die offenen Grenzen war es für mich, der ich in Hamburg aufgewachsen bin, einer offenen und multikulturellen Stadt, natürlich ein Leichtes, hier ohne dramatische Zwischenfälle aufzuwachsen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Rassismus gemacht, auf dem Platz und daneben?
Ich komme aus einer multikulturellen Umgebung in Eimsbüttel. Es war eine Hochhaussiedlung mit sehr vielen verschiedenen Kulturen, die als sozialer Brennpunkt galt. Ich bin mit sehr vielen Kindern und Freunden aus verschiedenen Ländern aufgewachsen. Ich bin da nicht aufgrund meiner Herkunft angefeindet worden. Natürlich gibt es auch im Kindesalter Typen, die versuchen, dir da etwas unterzujubeln. Aber ich bin ohne große Vorfälle rassistischer Art groß geworden. Auch im Fußball habe ich relativ wenig davon erlebt. Ab und zu habe ich so etwas gehört, aber dann habe ich mir gedacht: Die sind einfach zu doof.
Sie haben Ihre Fußballerlaufbahn in Hamburg begonnen und beendet, oder?
Ich habe seit meiner Jugend bei Hamburger Stadtteilvereinen gespielt. Dann bin ich für Arminia Bielefeld, Werder Bremen und Borussia Dortmund aufgelaufen. Bei der zweiten Mannschaft des HSV habe ich meine Karriere ausklingen lassen.
Was haben Sie jetzt noch mit Fußball zu tun?
Ich bin internationaler Repräsentant für Borussia Dortmund in den USA und in Asien, habe auch die Trainerlizenz für alle Amateurligen. Für den Verein drehe ich auch verschiedene Video-Formate. Bei der DFL bin ich für das internationale Kommentieren zuständig, außerdem habe ich ein eigenes Interview-Format. Außerdem bin ich bei Sky als Experte für die Champions-League-Sendungen engagiert.
Das klingt nach einem erfüllten Arbeitsleben.
Es ist auf jeden Fall genug, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen.
Ist der Fußball besonders anfällig für rassistische Anfeindungen?
Das glaube ich eigentlich nicht. Aber er ist natürlich eine besondere Bühne. Leider auch für Idioten, die Rassismus da platzieren wollen. Dieser Sport ist in Deutschland das größte und liebste Kind. Dafür wird er auch genutzt und ausgeschlachtet. Leider auch für die negative Richtung.
Haben Sie in puncto Rassismus auch positive Erfahrungen mit Ihren Mannschaftskameraden gemacht?
Nach negativen Erfahrungen gibt es auch immer positive. Banner, Kampagnen und so weiter. Generell wird schon viel getan, um Aufklärung zu leisten. Das ist gut. Oft wird nur reagiert, aber es wird auch immer mehr agiert. Das ist eine gute Entwicklung.
Wird man Rassisten überzeugen können, wenn sich die deutsche Nationalmannschaft einmal mit einem anti-rassistischen Banner aufstellt?
Es ist nicht so einfach. Ein Banner genügt nicht, um ein systematisches Problem zu lösen. Aber es ist ein Anstoß, um den Stein ins Rollen zu bringen. Irgendwo muss man anfangen.
Der Film zeigt, wie homophob, frauenfeindlich und rassistisch die Sportberichterstattung in der Vergangenheit war.
Das war leider sehr normal, aber da ist schon viel passiert.
Gibt es Sportarten mit weniger Rassismus? Etwa Boxen?
Auch der sehr amerikanisierte oder internationalisierte Basketball. Da ist ja die ganze Kultur des Sports gar nicht so deutsch. Ich habe in meiner Jugend mit weniger Deutschen Basketball gespielt als mit Jugoslawen, Kindern afrikanischer Herkunft und Amerikanern. Da gab es auch keinen Rassismus.
Obwohl man den Amerikanern nicht gerade bescheinigen kann, nicht rassistisch zu sein, oder?
In den USA sieht es wieder ganz anders aus. Da hat es in den vergangenen Jahren extreme Geschehnisse gegeben.
Was machen wir, damit der Unsinn aufhört?
Ich bin nicht der mit der Patentlösung. Man muss Menschen früh aufklären. Kinder entscheiden nicht nach Hautfarbe. Wenn ich mit meiner Frisur zum ersten Mal bei einem Kind auftauche, kann es schon sein, dass ich seltsam wirke. Das ist vielleicht Neugier und zugleich Vorsicht vor dem Neuen. Aber es geht um das Bewerten. Das muss uns jemand vorleben.
„Schwarze Adler“ von heute an bei Amazon Prime, am 18. Juni im ZDF