Hamburg. Walser neues Buch ist eine hübsche Sammlung von Gelegenheitslyrik. „Augenblickspoesien“ nennt es der Autor selbst.
Das muss man einfach machen. Es führt kein Weg dran vorbei. Wenn einer so alt geworden ist. Wenn einer so lange schon das tut, was er tut. Also haben sie auf den Klappentext des neuen Buchs von Martin Walser diesen einmalig langen Zeitraum benannt. „Vor fast 80 Jahren hat Walser mit dem Schreiben begonnen“, heißt es da. Wohl dem, der wie Rowohlt einen Autor mit Methusalem-Faktor im Programm hat.
Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass es bei Autoren wie mit dem Wein ist. Walser, der am heutigen Mittwoch 94 Jahre alt wird, hat auf seine ganz reifen Tage einen immensen Ausstoß an den Tag gelegt. Im Gedächtnis geblieben ist wenig. Walsers beste Bücher sind wohl die sehr, sehr alten Gesellschaftsromane.
Viele Themen
Wobei man nicht weiß, wie gut „Ehen in Philippsburg“ gealtert ist. Vielleicht mal wieder reinschauen. Walser neues Buch – es ist ein Doppel-Walser: von Tochter Alissa stammen die Aquarelle – heißt „Sprachlaub“ (28 Euro) und ist eine hübsche Sammlung von Gelegenheitslyrik. „Augenblickspoesien“ nennt Walser selbst (oder der Verlag?), was er dort vorlegt, und eine von ihnen klingt so: „Der Himmel glüht, allwissend schweigen die Bäume,/wer’s jetzt noch eilig hat, ist ein Narr./Existenz pur schwebt mir vor,/Weltmeister will ich sein/durch nichts/als Einbildungskraft.“
Es sind viele Themen, die Walser in dem Band aus der Wirklichkeit schöpft, um sie poetisch zu veredeln. Einmal schimpft er über einen Hausierer und die, die ihn ausbeuten. Ein anderes Mal räsoniert er, selbstgerecht, über die Neider, die nicht mehr seine Freunde sein wollen, weil er immer noch Erfolg hat. Aus den Miniaturen spricht der Mann mit Lebenserfahrung, er sagt: „Warum soll, was ich schreibe, beliebter sein als ich!/Es muss unbeliebter sein, weil es weniger täuscht als ich“. Selbstreflexiv ist das, oder: Nabelschau. „Ich wehre mich nicht, ich bin/bedacht und will/bis zum letzten Abend leben.“