Hamburg. Siegeszug der edel aufgemachten Super Deluxe Editionen geht weiter. Nicht nur mit Prince und den Beatles lässt sich Geld verdienen.

Geld spielt keine Rolle. Jedenfalls nicht, wenn es um die Beatles oder Pink Floyd geht. Deren Anhängerschaft sei so begeisterungsfähig und groß, dass sich auch die x-te Super Deluxe Edition eines Album-Klassikers mühelos absetzen lasse, sagt Marcus Wicker, Chefredakteur des Musikmagazins „Eclipsed“.

Wicker muss es wissen, denn seine Hauptleserschaft (vornehmlich männlich und 40+) ist ziemlich deckungsgleich mit der Zielgruppe für all die luxuriös ausgestatteten CD- und Vinylboxen, die Fans Monat für Monat locken. Und die natürlich ihren Preis haben. Knapp 350 Euro kostete die „The Beatles in Mono“-Box in der Version mit 14 LPs bereits am Tag der Veröffentlichung. Heute sind je nach Anbieter zwischen 1300 und 2000 Euro fällig.

Ein Boxset mit dem Gesamtwerk der Progrock-Band Gentle Giant (29 CDs, eine Blu-ray, ein Hardcover-Buch) lag ebenfalls bei 350 Euro - und ist längst ausverkauft. Wer auf dem Zweitmarkt noch ein Exemplar ergattern möchte, muss 500 bis 600 Euro anlegen. Entschlussfreudigkeit war auch bei der „1999“-Box von Prince erforderlich: das Set mit fünf CDs und einer DVD ist kaum unter 150 Euro zu bekommen, das Doppelte des Ausgabepreises.

King Crimson ist der Primus unter den Deluxe-Edition-Bands

Wie enorm groß das Faninteresse an diesen Luxus-Editionen ist, zeigt etwa der Erfolg der britischen Website superdeluxeedition.com, auf der seit Jahren täglich neue Veröffentlichungen vorgestellt werden. Und das Diskussionsforum von Musikproduzent Steve Hoffman (forums.stevehoffman.tv) versammelt fast 100.000 Mitglieder, von denen viele vornehmlich darüber diskutieren, welches Boxset gerade besonders schwer zu bekommen ist oder sich besonders lohnt.

Opulent: das King-Crimson-Boxset „1969“
Opulent: das King-Crimson-Boxset „1969“ © DGM

Breiten Raum nimmt dabei traditionell der Primus unter den Deluxe-Edition-Bands ein: King Crimson. Gründer Robert Fripp hat inzwischen neun Boxsets veröffentlicht, die in Sachen Fülle und Ausstattung Maßstäbe setzen. So versammelt etwa „1969“ gleich 20 CDs, zwei DVDs und vier Blu-rays – eigentlich erstaunlich, handelt das Set mit „In The Court Of The Crimson King“ doch lediglich ein einziges King-Crimson-Album ab. Aber es gibt eben neben neuen Abmischungen des Klassikers auch jede Menge Live-Mitschnitte und Demo-Aufnahmen, allein der Song „21st Century Schizoid Man“ ist in unterschiedlichen Versionen etwa 20-mal vorhanden.

Umsätze im siebenstelligen Bereich

Dass sich ein solches Paket nicht an den „normalen“ Hörer wendet ist klar. „Es sind Nerds, die wirklich jeden Ton ihrer Lieblingsband besitzen wollen“, sagt Marcus Wicker. Und von diesen „Sonderlingen“ gibt es nicht wenige. Auf 10.000 Stück schätzen Experten die Auflage bei den teuren Edelstücken von Pink Floyd, 300o-mal soll sich die Gentle-Giant-Box verkauft haben. Das bedeutet jeweils Umsätze im siebenstelligen Bereich und ist ein warmer Regen für Plattenfirmen wie Bands, die nach massiven finanziellen Verlusten durch den Siegeszug des Musikstreamings nun coronabedingt auch noch unter dem Wegfall von Konzerttourneen leiden.

Immer wieder kommt es zu reiner Abzocke

Dass es dabei auch immer wieder zu reiner Abzocke kommt, bleibt in der Sammlerszene nicht unentdeckt: Schmerzhafte 150 Euro werden für das Album „Stage Fright“ von The Band als sehr simpel ausgestattetes CD/Vinyl/Audio-Blu-ray-Paket aufgerufen – die Kommentare in den Fan-Foren sind entsprechend vernichtend.

Joni Mitchell am Anfang ihrer langen
Karriere.
Joni Mitchell am Anfang ihrer langen Karriere. © picture alliance

Für einhelligen Jubel hingegen sorgen insbesondere Prince und Joni Mitchell. Der im April 2016 gestorbene Funkrock-Superstar hat ein riesiges Archiv mit unzähligen unveröffentlichten Songs hinterlassen, das ein Nachlassverwalter sondiert und umfangreiche Super Deluxe Editionen kuratiert. So kann die Premium-Version des Albums „Sign ‘O The Times“ mit gleich 45 zusätzlichen Stücken punkten, übrigens keine Ausschussware, sondern durchweg erstklassiges Songmaterial. Das Ganze verpackt in einem großformatigen Hardcover-Buch im festen Schuber ist seinen Preis von knapp 150 Euro absolut wert.

In Sachen Deluxe Editionen ist kein Ende in Sicht

Erstaunlich auch, was Sängerin Joni Mitchell und ihr Team zutage gefördert haben: Das Box-Set „Archives Vol.1“ versammelt Aufnahmen aus den Jahren 1963 bis 1967, als die Kanadierin noch am Anfang ihrer Karriere stand, zunächst Folksongs sang und stimmlich sehr an Joan Baez erinnerte. Es ist absolut faszinierend, anhand von Auftritten bei lokalen Radiosendern oder in Studentencafés zu verfolgen, wie sich spätere Klassiker wie „Both Sides Now“, „The Circle Game“ oder „Chelsea Morning“ damals entwickelten. Mindestens zwei weitere Sets sollen folgen.

Neue Box-Sets:

  • John Mayall: „The First Generation 1965–1974“ (35 CDs, ab 5.2.)
  • Bob Marley: „Songs Of Freedom“ (3 CDs, ab 5.2.)
  • Black Sabbath: „Vol.4“ (4 CDs, ab 12.2.)
  • Bob Dylan: „1970“ (3 CDs, ab 26.2.)
  • Neil Young: „Archives, Vol.2“ (10 CDs, ab 5.3.)
  • Level 42: „The Complete Polydor Years 1980–1984 (10 CDs, ab 26.3.)

Überhaupt ist in Sachen Deluxe Editionen kein Ende in Sicht. Auch deshalb nicht, weil ja jedes Jahr wieder Jubiläen begangen werden, die willkommener Anlass für entsprechende Veröffentlichungen sein können. So feiert in diesem Jahr Nirvanas „Nevermind“ 30. Geburtstag, das letzte Abba-Album, „The Visitor“ wird 40 und Carole Kings Klassiker „Tapestry“ sogar 50 – ebenso wie „Sticky Fingers“ von den Rolling Stones und „Pearl“ von Janis Joplin.

Es gebe schon einige Fangruppen, die von der Plattenindustrie regelrecht „gemolken“ würden, sagt „Eclipsed“-Chef Marcus Wicker und natürlich müsse immer geprüft werden, ob überhaupt genügend substanzielles Bonusmaterial vorhanden sei, das eine Veröffentlichung rechtfertige. Schließlich sind nicht überall die Archive so gut mit bislang unveröffentlichtem Material gefüllt, wie bei Pink Floyd, Prince oder auch Bruce Springsteen. Doch wenn der „Zufriedenheitsfaktor“ stimme und der Käufer eine Box noch nach fünf oder zehn Jahren mit einem Lächeln aus dem Regal nehme, dann gelte eben tatsächlich: Geld spielt keine Rolle.