Hamburg. Das „Selbstbildnis Florenz“, eines der berühmtesten Gemälde des Malers Max Beckmann, wurde für vier Millionen Euro erworben.
Der Hamburger Kunsthalle ist zum Jahresende ein spektakulärer Coup gelungen: Das „Selbstbildnis Florenz“, eines der berühmtesten und wertvollsten Gemälde des Malers Max Beckmann (1884-1950), wurde für vier Millionen Euro aus dem Nachlass Peter und Maja Beckmann erworben. Es ist das teuerste Gemälde, das die Kunsthalle je gekauft hat. Schon seit einigen Jahren als Dauerleihgabe in Hamburg, konnte es nun für die Zukunft gesichert werden.
„In einem ohnehin ankaufsfreudigen Jahr ist der Max Beckmann der Höhepunkt“, sagt Direktor Alexander Klar. „Höher als mit dem bedeutendsten deutschen Maler des Expressionismus kann man nicht greifen.“ Das Werk symbolisiere darüber hinaus vieles, was Klar wichtig sei: große Namen und große Werke zu erwerben, die Sammlung weiter systematisch auszubauen und an Werkverzeichnissen zu arbeiten.
Kunsthalle kauft teures Gemälde: Auch andere Museen interessiert
Schon jetzt sei die Kunsthalle der „Premium-Ansprechpartner für Max Beckmann“. Der Ankauf sei die Ouvertüre zur weiteren Erforschung des Künstlers; die Gründung eines Beckmann-Forums ist für Anfang 2021 geplant. Das habe letztlich den Ausschlag für Hamburg gegeben, denn für das Gemälde hätten sich auch einige andere bedeutende Museen interessiert.
„Enorme private Anstrengungen“ hätten zum Kauf geführt, heißt es aus der Pressestelle des Museums. Mehrer Stiftungen waren daran beteiligt: Camp’sche Historische Kunststiftung, Kulturstiftung der Länder, Hermann Reemtsma Stiftung, Ernst von Siemens Kunststiftung sowie Stiftung Hamburger Kunstsammlungen. Bei einer Ausstellungseröffnung vor etwa einem Jahr habe deren Geschäftsführer Arndt Klippgen mit Karin Schick die Idee zum Kauf entwickelt.
„Wollten unbedingt verhindern, dass das Gemälde auf den freien Markt gelangt“
Die Leiterin der Sammlung Moderne Kunst pflegt seit Langem einen engen Kontakt zur Enkelin des Künstlers, Mayen Beckmann. „Wir wollten unbedingt verhindern, dass das Gemälde auf den freien Markt gelangt“, sagt Klippgen. Für ihn bedeutet das „Selbstbildnis Florenz“ den „Nullpunkt in den Selbstporträts des Künstlers: Es zeigt den Übergang vom Impressionisten zum Expressionisten.“ Die sogenannte Blaupause für diesen Erwerb sei der Ankauf der größten Beckmann-Skulptur „Adam und Eva“ 2014 gewesen.
Die von Karin Schick kuratierte, im September eröffnete Ausstellung „Max Beckmann. weiblich-männlich“ gab der Angelegenheit dann noch einmal einen Schub. Unter den zahlreichen Selbstbildnissen, die der Maler im Laufe seiner Karriere anfertigte, um seine künstlerische Qualität, aber auch seine Rolle in der Beziehung zu Frauen und in der Gesellschaft zu demonstrieren, werden einige zentrale Werke wie „Selbstbildnis mit Seifenblasen“ (um 1900), „Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube“ (1909) und auch „Selbstbildnis Florenz“ aus dem Jahr 1907 gezeigt.
"Selbstbildnis Florenz“: Max Beckmann schuf das Werk mit 23 Jahren
In "Selbstbildnis Florenz“ zeige sich Beckmann als junger Maler mit höchstem Anspruch an sich und seine historische Bedeutung, sagt Karin Schick. „Er sollte recht behalten: In der Kunstgeschichte ist er eine der großen Figuren der internationalen Moderne. Weil er seinen Blick zurück zu den Alten Meistern warf und seine Wirkung bis zur Kunst unserer Zeit anhält, hat er Gewicht für die ganze Sammlung der Kunsthalle von acht Jahrhunderten.“
Das Porträt schuf der damals 23 Jahre alte Künstler während seines Stipendiums in der Villa Romana in Florenz. Max Beckmann inszenierte sich auf dem Ölgemälde aber nicht als Maler, sondern als Mann von Welt, als Mitglied der gehobenen Gesellschaft. Vor der Kulisse der Stadt Fiesole in der Toskana sieht man ihn im schwarzen Jackett, darunter trägt er ein weißes Hemd mit steifem Kragen; in der rechten Hand hält er lässig eine Zigarette. Sein Blick ist fest geradeaus gerichtet. Das Bild stammt aus einer Phase, in der Beckmann sich als starker, entschlossener Mann darstellte, der die Welt in seinen Bildern deutete. Seine Zukunft als großer Künstler schien ihm da schon bewusst zu sein.
Hamburger Kunsthalle hofft, dass Museen nach 10. Januar wieder öffnen
Erst später entdeckt man im Werk Brüche in diesem Selbstbild. Auf diesen Imagewandel, der die gesellschaftlichen Strömungen der 1920er-Jahre wie etwa die Diskussionen um Geschlechterrollen und Sexualität, aufgreift, konzentriert sich die aktuelle Ausstellung. Alexander Klar betitelte den Künstler gar als „Vorreiter der Gender-Debatte“. Mayen Beckmann, die bei der Eröffnung in Hamburg dabei war, war überrascht und amüsiert von diesem „anderen Max Beckmann“. Sie sei der Kunsthalle beim Ankaufspreis „sehr entgegengekommen“, so Klar. „Auf dem freien Markt hätten wir für das Bild eher das Doppelte zahlen müssen.“ Der durch ihn intensivierte Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern, Erben und Nachlässen hat sich also gelohnt.
Einziger Wermutstropfen: Da die Kunsthalle wie alle anderen Museen geschlossen ist, liegt auch die Ausstellung im Dornröschenschlaf. Das heißt, dass Besucher sich das wichtige Werk momentan nicht „live“ ansehen können. Als Reaktion auf den erneuten Lockdown wurde „weiblich-männlich“ kurzerhand bis zum 14. März verlängert. Die zentralen Leihgaben aus nationalen und internationalen Museen wurden bis dahin zugesichert. Ein Déjà-vu, schließlich musste die Beckmann-Schau pandemiebedingt schon einmal, vom Frühjahr auf den Herbst, verschoben werden. Nun hofft man, dass die Museen nach dem 10. Januar wieder öffnen können.
Doch auch nach Beendigung der Ausstellung wird das „Selbstbildnis Florenz“ selbstverständlich öffentlich ausgestellt werden: an prominenter Stelle in den Beckmannsälen. Neben Caspar David Friedrichs „Wanderer“ und dem monumentalen Hans Makart in der neu gestalteten Gemäldegalerie hat die Kunsthalle nun mit dem Beckmann einen weiteren Publikumsmagnet.