Hamburg. Die in Hamburg lebende Theatermacherin Julia Hart feiert mit Auslands-Amerikanern eine virtuelle Wahlparty via Zoom.
Was US-Amerikaner wirklich gut beherrschen: Sie bauen schnell eine vertrauensvolle Beziehung auf. Europäer mögen das als oberflächlich abtun, aber tatsächlich bekommt man im Gespräch mit einem Amerikaner früh den Eindruck, dass er sich für einen interessiert, dass er die Kunst des Small Talks beherrscht, dass er sich freut, einen zu sehen.
Julia Hart, in Hamburg lebende US-Theatermacherin, hat diese Kunst des kreativen Plauderns zur Basis ihrer Zoom-Performance „Election Night 2020“ gemacht: In der Nacht, in der der US-Präsident gewählt wird, trifft sich eine Gruppe Auslands-Amerikaner in der Konferenz-App Zoom, Mason, der in Ohio gewählt hat, Candice aus Maryland oder Pam aus Texas. Und plaudert, auf einer virtuellen Wahlparty, die mit Miley Cyrus’ „Party In The USA“ passend eröffnet wird.
Das können Amerikaner auch gut: sich politisch bekennen
Hart hat die Teilnehmer über die Organisation „Democrats Abroad“ gefunden, im Ausland lebende Demokraten-Wähler, weswegen die politische Stoßrichtung des Abends von vornherein klar ist: Niemand, der bei der Party mitfeiert, ist Donald-Trump-Fan, wenngleich einige auch mit dem Herausforderer Joe Biden ihre Schwierigkeiten haben. Das können Amerikaner auch gut: sich politisch bekennen. Während in Europa kaum jemand offen sagt, wen er wählt, ist das in den USA absolut üblich.
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Für Harts Stück ist das gewinnbringend. Die Gespräche können in Sekundenschnelle umswitschen, von lustigen Trinkspielen zu tiefsinniger Politikanalyse und zurück. Da hilft natürlich die liberale Grundeinstellung der Teilnehmer – Leute wie der Journalist Steven aus Florida oder der Opernsänger Tyrone aus Lousiana loggen sich schon mit einer weltoffenen Haltung in die App ein, natürlich beherrschen die das Spiel mit Ernst und Albernheit.
Interessanter wäre vielleicht gewesen, einen Trump-Wähler einzuschleusen
Interessanter wäre vielleicht gewesen, hier einen Trump-Wähler einzuschleusen und zu schauen, wie sich die Situation dadurch verändert. Immerhin, einen Spielverderber gibt es: Mitten in die fröhliche Ausgelassenheit fragt Geoff aus Ohio plötzlich, ob sich jemand vorstellen könne, dass Trump wiedergewählt werde. „Es ist unwahrscheinlich, aber ausgeschlossen ist es nicht.“
Da kippt die Party, es schleicht sich ein Unbehagen ein, das nicht mehr weggehen wird. Tyrone singt, „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“, ängstlich, unsicher, herzzerreißend. Ist da schon klar, dass das Wahlergebnis knapper wird als gedacht? Als Abschluss eines so unterhaltsamen wie klugen Politik-Party-Abends ist dieser Song jedenfalls perfekt.