Hamburg. Der Musiker über das Coronavirus, seine Folgen, einen Unfall in Hamburg und komplizierte Proben für die Waldbühne.

In der telefonischer Warteschleife seines Büros in Tutzing läuft „Für immer jung“, sein Hit aus dem Jahr 2019. Passt. Denn auch mit 71 Jahren denkt Peter Maffay noch lange nicht ans Aufhören. Am Freitag will er auf der Berliner Waldbühne sein erstes Konzert nach langer Corona-Zwangspause geben. Im Hamburger Abendblatt spricht der Musiker auch über den fatalen Unfall seines Bassisten Ken Taylor. Taylor, der auch schon für Weltstars wie Bruce Springsteen gearbeitet hat, war bei der Probe für das Konzert am 28. Februar in der Barclaycard-Arena von der Bühne gestürzt und hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen.

Hamburger Abendblatt: Herr Maffay, 215 Tage nach Ihrem letzten Konzert in Berlin am 29. Februar treten Sie nun in der Waldbühne auf. Wie groß ist Ihre Anspannung?

Peter Maffay: Dieses Konzert ist für uns wie ein Leuchtturm. Es soll ein Signal aussenden. Ein Signal der Hoffnung, dass wir irgendwann in eine gewisse Normalität zurückkehren werden. Diese Hoffnung ist nicht nur für das Publikum wichtig. Die Auswirkungen für unsere Branche sind schon jetzt fatal.

Sie spielen fast immer in ausverkauften Arenen. Durch die Corona-Abstandsregeln darf am Freitag nicht einmal jeder vierte Platz besetzt werden. Kann da überhaupt Stimmung aufkommen?

Maffay: Ich habe keine Ahnung, ich habe eine solche Situation ja auch noch nie erlebt. Ich weiß nur, dass jeder von uns beseelt ist, alles zu geben.

Fühlt man sich in einer so langen Pause wie ein Rennpferd, das nicht auf die Bahn darf?

Maffay: Wir rennen ja, aber anders. Wir haben keinen einzigen Tag verschenkt. Wir leben unsere Kreativität gerade mit alternativen Konzepten aus. Dinge, die wir in dieser Form noch nie gemacht haben. Etwa mit unserer neuen Talkreihe „Red Rooster“ für Magenta TV, wo ich zwei Stunden Gäste wie den Künstler Johannes Oerding oder die Politikerin Michelle Müntefering treffe. Jeder Gast bringt eine eigene Song-Liste mit, die wir dann durcharbeiten. Solche Projekte sind kleinteilig, aber wichtig. Wir dürfen nicht nur sitzen und warten, wir müssen die Agonie überwinden. Aber das ist kein Ersatz für Konzerte. Die Begegnung mit dem Publikum bleibt immer unser zentraler Punkt, um den sich unsere Arbeit, unser Leben dreht.

Sie beschäftigen in Ihrer Firma und in Ihrer Stiftung rund 40 Mitarbeiter. Mussten Sie Kurzarbeit anmelden?

Maffay: Wir hätten das gekonnt. Doch das war für uns keine Alternative. Mit Projekten wie den TV-Produktionen läuft der Laden auf Hochtouren. Aber ich weiß nicht, wie lange wir das durchstehen. Die Konzert-Absagen haben ja auch wirtschaftliche Konsequenzen. Eine Zeit lang können wir das überbrücken, was vielen anderen nicht vergönnt ist. Vor allem die Nachwuchskünstler stehen mit dem Rücken an der Wand. Die Dienstleister, die diese Künstler auf die Bühne bringen, nicht minder. Die Lage ist enorm fragil. Der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland ist total amputiert. Wir werden erleben, wie mehr und mehr von dieser Struktur wegbricht.

Corona: Zur Hoffnung gibt es keine Alternative

Peter Maffay in Kiel
Peter Maffay in Kiel © dpa

Haben Sie Hoffnung, dass es noch einmal Konzerte geben wird wie vor Corona? Mit Besuchern, die dichtgedrängt vor der Bühne feiern, singen und tanzen?

Maffay: Ja natürlich, zu dieser Hoffnung gibt es keine Alternative. Ich bin kein Mediziner, kein Virologen und erst Recht kein Hellseher. Aber es wird irgendwann eine Lösung geben. Wann das sein wird, ist nicht absehbar. Ich hoffe sehr, dass wir nächstes Jahr bei unserer geplanten Herbst-Tour eine Normalität mit gewissen Einschränkungen erleben werden. Wenn das gelingt, haben wir eine sehr belastende Zeit hinter uns gebracht und überstanden. An dieser Vision glaube ich fest. Alles andere würde ja bedeuten, dass man die Flinte ins Korn wirft.

Müsste der Staat gerade den Nachwuchskünstlern und den Technikern mehr helfen?

Maffay: Unbedingt. Ich gebe zu, dass die Prozesse, jeden einzelnen zu bedenken, sehr kompliziert sind. Aber es darf nicht passieren, dass hier zwischen Ernster Musik und Unterhaltungsmusik differenziert wird. Es darf keine Prioritäten geben. Mir sind leider noch nicht viele Hilfemaßnahmen bekannt, die einzelne Künstler erreicht haben.

Peter Maffays Bassist Ken Taylor in Hamburg schwer verletzt

Vor Ihrem vorletzten Konzert vor der Zwangspause in Hamburg am 28. Februar verletzte sich Ihr Bassist Ken Taylor bei einem Sturz von der Bühne schwer. Er brach sich den Oberschenkel. Wie geht es ihm?

Maffay: Der Bruch war leider komplizierter als zunächst angenommen. Aber er ist auf dem Weg der Besserung. Zum Glück ist nichts passiert mit seinen Händen. Und wie ich ihn kenne, wird er alles dafür tun, um bald wieder spielen zu können. Er ist ein leidenschaftlicher Musiker, will schnell zurück auf die Bühne. Aber in Berlin kann er noch nicht dabei sein.

Müssen Sie nach einer so langen Pause noch einmal intensiv proben?

Maffay: Durch Corona hat sich auch die Möglichkeit gemeinsam zu proben, völlig verändert. Aber wir haben die Lieder, die wir auf der Waldbühne spielen werden, oft gespielt. Und jeder hat sich zuhause intensiv vorbereitet. Keiner will in Berlin als Letzter durch das Ziel gehen. Ich rechne mit einer Mannschaft, die hochmotiviert antreten wird.

Ihr Konzert in der Waldbühne findet am Vorabend des 30. Jahrestages der Deutschen Einheit statt. Ist es auch deshalb so besonders?

Maffay: Auf jeden Fall. Gerade in diesen Zeiten müssen wir mehr denn je zusammenstehen. Deshalb bin ich auch so dankbar, dass wir dieses Konzert an diesem Abend geben dürfen. Als Zeichen des Zusammenhalts.

AfD: Unter dem Mantel hat sich rechtsradikales Gedankengut etabliert

Wie fällt Ihre Bilanz nach drei Jahrzehnten deutscher Einheit aus?

Maffay: Es gibt nichts auf der Welt, was hundertprozentig vollkommen ist. Das gilt auch für die Deutsche Einheit. Dennoch ist das Glas halb voll - und nicht halb leer. Ein totalitäres Regime hat aufgehört zu existieren. Wir haben zueinander gefunden, wir haben eine gemeinsame Kultur. Dass es Korrekturen geben muss, ist klar. Ich habe in meinem privaten Umfeld viele Lehrer. Es kann nicht sein, dass ein Lehrer im östlichen Teil unserer Republik für die gleiche Leistung weniger Geld verdient. Das verletzt das Selbstwertgefühl der Menschen in den neuen Bundesländern und muss korrigiert werden. Sonst kann es passieren, dass sich zunehmend Bürger Einstellungen offen zeigen, die mit demokratischen Positionen unvereinbar sind. Das müssen wir verhindern.

Macht Ihnen der hohe Anteil von AfD-Wählern in den neuen Bundesländern Sorgen?

Maffay: Ja, weil sich unter diesem Mantel rechtsradikales Gedankengut etabliert hat. Aber ich glaube, dass unsere Gesellschaft stark genug ist, mit einem so bedenklichen Effekt umzugehen. Wir müssen mit Aufklärung gegenhalten. Wie wertvoll es ist, dass wir in einer Demokratie selbstbestimmt leben dürfen. Das ist anstrengend, aber es lohnt sich.

Corona: Peter Maffay gehört zur Risikogruppe...

Herr Maffay, von vielen Fußballern, die ihren Beruf über einen langen Zeitraum nicht ausüben dürfen, weiß man, dass sie irgendwann nur noch schlechte Laune verbreiten. Wie ist das bei Ihnen?

Maffay (lacht): Ich bin auch ohne Corona manchen Leuten auf den Geist gegangen. Aber es stimmt schon. Wir alle sind angespannter als sonst. Die vielen Fragen, mit denen wir konfrontiert sind, erzeugen diese Spannung. Wir sind alle dünnhäutiger geworden. Ich glaube auch, dass diese Belastungen bei vielen Menschen psychische Probleme auslösen. Das kann zu Erosionen in unserer Gesellschaft führen, die man gar nicht absehen kann. Auch deshalb hoffe ich sehr, dass sich die Lage irgendwann bessert.

Wie sehr nehmen Sie sich selbst in Acht? Mit über 70 Jahren gehören Sie zur Risikogruppe…

Maffay: Ich halte mich an alle Regeln, aber ich will immer da sein, wenn es etwas zu tun gibt. Mir ist klar, dass wir uns Risiken aussetzen, wenn wir rausgehen. Aber ich will mich fordern, weil es anders nicht geht. Ich kann nicht zusehen, wie irgendwas auf mich zukommt. Ich will Teil einer Bewegung sein, die das Ganze doch nach vorn treibt. Was wir als Musiker leisten können, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wenn viele so denken, dann erzeugen wir eine Energie, die wir gerade jetzt so sehr brauchen.