Hamburg. Der Schauspieler ist Hauptdarsteller in der Erstaufführung von „Blots en lütten Boort – Das Bärtchen“. Sandra Keck hat ihn gefördert.

Im Foyer des Ohnsorg-Theaters ist die Maske Pflicht – ob nun abends vor und nach den Vorstellungen oder am Tage. Auch Markus Gillich trägt hier in der Mittagspause Mund-Nasen-Schutz. „Nicht wundern, ich hab schon das Hitler-Bärtchen“, sagt, er bevor er zum Gespräch die Maske abnimmt. Wie ein militanter Neo-Nazi sieht der Schauspieler mit den sanften Gesichtszügen und der dunklen Brille nicht aus. Zumindest nicht auf Abstand.

Und auf der Bühne? Das wird sich von diesem Donnerstag an zeigen. Markus Gillich ist der Hauptdarsteller in „Blots en lütten Boort – das Bärtchen“. Die französische Komödie feiert nicht nur plattdeutsche Erstaufführung, sie wird in Regie des Ohnsorg-Oberspielleiters Murat Yeginer zum allerersten Mal im deutschsprachigen Raum zu erleben sein.

„Das Stück ist eine Farce“

Für Gillich ist es zwar nicht die erste Hauptrolle, jedoch seine bisher herausforderndste am Ohnsorg. Der 1,73 Meter große Darsteller – eher griffig bis knuffig, Typ Bärchen – spielt Sebastian. Dem passiert ein böses Malheur: Der Rasierapparat gibt seinen Dienst auf, weil der Strom ausfällt – ein kleiner Schnurrbart bleibt stehen. Ausgerechnet kurz vorm ersten Treffen mit seinem Schwiegervater, einem strenggläubigen Juden. „Das Stück ist eine Farce“, sagt Gillich. Seine Figur mache indes eine Wandlung durch. „Er ist ein Ja-Sager, wird aber mit der Zeit zu einem Mann, der auf den Tisch haut“, hat der Schauspieler erkannt. Das sei „sehr spannend“.

Gillich wirkt im Gespräch zurückhaltend, fast so, wie er seine Rolle beschreibt. Spannend, ja ungewöhnlich ist auch Markus Gillichs Weg ans Ohnsorg. „Ich komme ja aus Bayern“, erzählt er. Genauer aus der Gegend von Augsburg. Der bayerische Schwabe ist ausgebildeter Sänger im klassischen Fach.

Gillich hörte „Harry Potter“-Bücher op Platt

Auf Vermittlung seiner Gesangslehrerin, der Sopranistin Ulrike Lippe, kam er vor gut 15 Jahren erstmals nach Hamburg – und in Kontakt mit Sandra Keck. Die populäre Schauspielerin und Sängerin, seit dieser Saison auf eigenen Wunsch nur noch Gast am Ohnsorg, führt seit Jahren im ganzen Norden Regie. In einer ihren Inszenierungen in Bad Pyrmont sah Ohnsorg-Intendant Christian Seeler den jungen Gillich. 2008 hatte der Tenor dann seine erste große Rolle in Hamburg, im Weihnachtsmärchen „Hänsel und Gretel“, kurz darauf seine erste kleine Rolle als Einspringer bei den Großen: „Moin, dor is dat Klopapier“, erinnert sich Gillich an den ersten seiner fünf Sätze als Paketjunge im Stück „Kaviar un Linsen“..

Hat er mal einen Plattdeutsche-Kursus gemacht? „Tatsächlich nein!“, sagt Gillich. Stattdessen hörte er „Harry Potter“-Hörbücher op Platt, gelesen von Ohnsorg-Altstar Jasper Vogt. Meike Meiners, die bis heute zum Ensemble gehört und Stücke ins Niederdeutsche übersetzt, half Gillich bei der Aussprache. In der Regie seiner Förderin Keck („Sie hat mir sehr geholfen“) spielte Gillich dann in „Keerls dör un dör“ Anfang 2011 seine erste Hauptrolle – wiederum als Einspringer an der Seite von Axel Stosberg.

Als Ensemble-Mitglied folgte er Santiano-Sänger Axel Stosberg

„Die Zufälle habe mich ein Leben lang begleitet“, wundert sich der in der Nähe Möllns wohnende Gillich selbst. Nachdem Stosberg seinen Platz im Ensemble gekündigt hatte, um sich der populären Shanty-Popband Santiano zu widmen, kam Seeler erneut auf Gillich zu. An das Einstellungsgespräch mit dem Ex-Intendanten erinnert er sich genau: „Du kannst singst du kannst tanzen, du kannst auf Platt- und Hochdeutsch spielen – wir wären dumm, wenn wir dich nicht nicht holen würden“, sagte Seeler. „Und ich wäre dumm, wenn ich nicht ja sagen würde“, entgegnete Gillich.

Dass er seit 2012 Ensemble-Mitglied im Ohnsorg ist, kommt Gillch noch heute „wie ein Sechser im Lotto“ vor. Mehrmals hat er am Ohnsorg Reporter oder Fotografen gespielt – passt schon, denn vor seiner Schauspielerei hat er noch als Hörfunk-Redakteur bei einem bayerischen Privatsender gearbeitet.

Gillich ist einer, der auch Nebenrollen Konturen gibt. In der vergangenen Spielzeit erlebte ihn das Ohnsorg-Publikum in der Gesellschafts-Satire „Extrawurst“ als tennisspielenden Werbetexter Torsten mal mit grauen Haaren, seiner Original-Haarfarbe, daraus macht der 42-Jährige kein Geheimnis. Jedoch gab Gillich schon vor zwei Jahren im Lustspiel „Hartenbreker – Ein besserer Herr“ mit gefärbten braunen Haaren den Sohn eines Patriarchen.

Gillichs Konterfei – überall an U-Bahnhöfen und Litfasssäulen

Jetzt muss er zum Schwiegersohn reifen. Dass sich das Ohnsorg auch in dieser Corona-Spielzeit aktuellen Stücken widmet, begrüßt Gillich. Bei „Blots en lütten Boort“ wird er auf der Bühne nicht nur verbal ins Schwitzen kommen. Dennoch will er sich beim Spielen aufgeklebte Bärte benutzen, hat er entschieden.

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Auf dem Plakat mit Gillichs Konterfei entpuppt sich der „lütte Boort“ bei näherem Hinsehen als Fliege. Es hängt in vielen U-Bahnhöfen, an Litfasssäulen, auch im Foyer-Fenster vom Ohnsorg. „Mir fällt es gar nicht nicht so auf, weil ich immer mit dem Auto zur Arbeit komme“, sagt Markus Gillich. Für seinen Wagen hat er einen Tiefgaragen-Stellplatz gemietet, und ins Ohnsorg geht er stets durch den Bühneneingang. Auch so kann man seinen Weg machen.

„Blots en lütten Boort – das Bärtchen“ Premiere Do 1.10.., 20.00, bis 31.10., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten ab 23,52 unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de