Hamburg. Das Traditionstheater in Rotherbaum eröffnet Jubiläums-Spielzeit mit Öko-Drama „Die Kinder“. Auch Goethes „Stella“ steht auf dem Plan.

Seit Wochen ist die Hartungstraße zwischen Grindelhof und Schlüterstraße eine Baustelle – auf der sich praktisch nichts tut. Im Vergleich dazu haben die dort beheimateten Hamburger Kammerspiele ganze Arbeit geleistet und wirken trotz Corona-Pandemie gut aufgestellt, was sich am Freitag vor dem Haus nicht nur auf dem Plakat für „Die Kinder“ zeigte. Mit jenem Stück startet das Theater in Rotherbaum am 6. September in eine in doppelter Hinsicht historische Spielzeit.

Es ist die 75. Saison der Kammerspiele, die Ida Ehre am 10. Dezember 1945 nach den Verbrechen der NS-Diktatur im einst jüdisch geprägten Grindelviertel eröffnet hatte. Gern möchte Intendant Axel Schneider das 75. Jubiläum mit einem Festakt würdigen. „Es kann aber sein, dass wir das erst im Januar oder Februar machen, in der Hoffnung, statt 140 Menschen dann wieder mehr als 400 begrüßen zu dürfen“, sagte er.

Spielzeit-Motiv: „Wozu ist der Mensch fähig?“

Trotz reduzierter Kapazität sowie Hygiene- und Sicherheitskonzepten spürt Schneider die Sehnsucht nach einem „befreiten Alltag“. Der Theatermacher glaubt nicht, „dass die Menschen einfach nur abgelenkt sein wollen, von dem, was uns im Moment mit Sorgen belastet“. Dementsprechend anspruchsvoll ist der Spielplan, den er im Großen Saal mit dem Künstlerischen Leiter Sewan Latchinian und Chefdramaturgin Anja Del Caro vor dem Bühnenbild von „Die Kinder“ erläuterte.

„Wozu ist der Mensch fähig?“, lautet das Leitmotiv der Spielzeit. Für Latchinian ist das Kammerspiel der britischen Autorin Lucy Kirkwood (36) das dazu passende „Stück der Stunde, aufgrund seiner Brisanz und hochpolitischen Thematik“.

Carrière und Kracht als Nuklearwissenschaftler

Latchinian inszeniert das Öko-Drama „Die Kinder“ auf beengtem Raum mit Mathieu Carrière und Marion Kracht als gealtertem Nuklearwissenschaftler-Paar, das ein AKW mit aufgebaut hat und nach einem Super-GAU nahe der Sperrzone nun von einer Ex-Freundin und -Kollegin (Marion Martienzen) besucht wird. Ein Spiel zwischen Mikro- und Makrokosmos.

Latchinian führt auch Regie in Peter Turrinis Tragikömode „Josef und Maria“ (Premiere: 25.11.), welche die Kammerspiele mit Gerhard Garbers und April Hailer prominent besetzen konnten. Auch ein Klassiker darf nicht fehlen: Amina Gusner führt Regie bei Goethes „Stella“ (ab 17.1.2021). Das Stück feierte vor 245 Jahren in Hamburg Uraufführung, es soll an den Kammerspielen mit beiden Schlussvarianten gezeigt werden.

Schweizer TV-Stars spielen bei Axel Schneider

Nach Wiederaufnahmen erfolgreicher Stücke wie „Marias Testament“ mit Nicole Heesters, „Glücklich in 90 Minuten“ oder „Eine verhängnisvolle Affäre“ mit Alexandra Kamp wird mit Frauke Thielecke eine weitere Regisseurin ihr Kammerspiele-Debüt geben: „Die Reißleine“ sollte bereits im Frühjahr Premiere haben, ist jetzt für Mai 2021 geplant. Wie „Die Kinder“ ist „Die Reißleine“ eine neue Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung.

Noch in diesem Jahr, am 8. November, bringt Axel Schneider mit den Schweizer TV-Stars Regula Grauweiler („Der Bergdoktor“) und Stefan Gubser („Tatort“) „Die Deutschlehrerin“ nach dem Roman von Judith W. Taschler heraus. Neu sind die Anfangszeiten um 19.30 Uhr, sonntags um 18 Uhr, noch ungewiss ist die Wiedereröffnung des kleinen Logensaals.

Kammerspiele: Karten und komplettes Programm unter T. 040/413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de