Hamburg. Die Staatsoper hat ihren auf die Corona-Krise abgestimmten Alternativ-Spielplan für die Wochen bis Anfang Dezember vorgestellt.
Ein leerer Saal, wenige Menschen auf der Bühne. Für das Dilemma, in dem auch die Hamburgische Staatsoper seit März steckt, ist das Setting der Drei-Monats-Vorschau ein passendes, tragisches Symbol. Die Sommerpause ist bald vorbei, der Virus nicht weg. Und nun? „Vielleicht können wir ja etwas Besonderes machen“, sagt Generalmusikdirektor Kent Nagano. „Wir müssen eine Balance finden zwischen Mut, Optimismus und Vorsicht“, sagt Intendant Georges Delnon, und Ballettchef John Neumeier erzählt, seine Planung sei etwa die 17., es könne auch noch eine 18. Version geben.
Also: Opern, Ballett, Konzerte und Extras auf Sicht. In diesem neuen Spielplan-Fragment setzt ab dem 6. Dezember leichter Nebel ein. Die nächsten Wochen sind jetzt die wichtigsten, bislang sind die „Fledermaus“ im Dezember und die „Manon Lescaut“ im Januar im Bereich des Möglichen.
Sopranistin Anja Silja kehrt in Hamburgische Staatsoper zurück
Die Oper will gegen diese Krise anspielen, mit kleineren, nicht weniger herausfordernden Produktionen: Zum Start am 5. September wird Frank Castorf ein von Kent Nagano dirigiertes Pasticcio servieren, „molto agitato“, ein szenischer Mix aus Musik von Ligeti und Händel, Brahms-Liedern und Weills „Sieben Todsünden“. Bereits am 13. September folgt Paul Abrahams Operette „Märchen im Grand-Hotel“, das Ensemble wird von einem Sänger-Quartett und zwei Klavieren begleitet.
Am 11. Oktober steht ein Coup für Repertoire-Gourmets an: die Kombination aus Schönbergs Kurz-Stück „Pierrot lunaire“ und Poulencs „La voix humaine“, denn für einen Teil der Partien wird die legendäre Sopranistin Anja Silja auf die Hamburger Bühne zurückkehren, mit dabei, einige Generationen jünger, ist Nicole Chevalier. Auch hier dirigiert Nagano, Regie und Video-Anteile soll Luis August Krawen realisieren. Die gekegelten Premieren, so Delnon, werden nachgeholt: die „Elektra“ 2021, „Boris Godunov“ 2023, Messiaens „Saint François“ 2024.
Ohne Repertoire und Mozart geht es nicht, also füllt neben Jette Steckels „Zauberflöte“ auch Herbert Fritschs „Così fan tutte“-Version den Kalender auf – und hoffentlich auch die Kartenkasse, denn die erlaubten maximal 650 Plätze wird man nicht verkaufen können. Jede zweite Reihe muss ausfallen, an der Außenseiten jeder Infektionsgemeinschaft oder Einzelperson haben zwei Plätze leer zu bleiben.
In der Staatsoper herrschen Corona-Abstandsregeln
Andererseits, historisches Glück im aktuellen Unglück, verfügt der 50er-Jahre-Bau, so der Geschäftsführende Direktor Ralf Klöter, offenbar über außergewöhnlich gute Lüftungstechnik. Auf der Bühne, im Graben und überhaupt sollen so viele Vorsichts- und Abstandsmaßnahmen getroffen werden wie möglich, Quasi-Quarantäne und ständige Testungen seien, anders als bei Saisonalem wie den Salzburger Festspielen, in einem Repertoire-Theater nicht realisierbar. Ebenfalls anders als in Salzburg wird die „Così“ vielleicht leicht in der Besetzung gestutzt, aber nicht corona-kompatibel gekürzt. Es soll eine Pause geben und generell strikte Einlassregelungen, „Wartepunkte“ und mehr Garderoben als früher sind geplant.
An das einfachere Früher erinnerte Neumeier bei der Vorstellung seiner Ideen. Er habe seiner Compagnie im März Proust als Lektüre empfohlen, denn das könne nun wohl dauern. Tat es ja auch. Dennoch eröffnet er sein Angebot am 6. September mit dem weltweit ersten unter Corona-Einschränkungen entstandenen Choreographie. „Ghost Light“ verwendet Klaviermusik von Schubert. Und trotz aller Not, aller Einschränkungen betont Neumeier: „Es ist kein kleines Stück“. Die Fan-Gemeinde darf sich auch auf ein Neumeier-Potpourri aus Teilen früherer Arbeiten freuen, gebündelt als „Ballette für Klavier und Stimme“ (ab 18. Oktober).
Open-Air-Konzert auf Rathausmarkt bleibt utopisch
Dritte Baustelle ist der Konzertbereich, für den Kent Nagano auch überraschende Neuerungen ankündigte: Das erste der drei Philharmoniker-Abo-Konzerte in der Elbphilharmonie hat einen Spielplan A und einen Spielplan B. In der ersten Runde am 28./29. September wird Nagano Hindemiths Kammermusik Nr. 1, Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ (Solist: Julian Prégardien) und Schuberts Fünfte dirigieren – in der zweiten Schicht statt Mahler das „Hamburgische Hornkonzert“ von Ligeti, sogar mit der Uraufführungs-Solistin Marie-Luise Neunecker.
Die beiden folgenden Programme sind ebenfalls anders, aber regulär: zunächst Kurzes von Mozart und Strauss (die „Bürger als Edelman“-Suite“), danach zwei Haydn-Sinfonien und eine Kantate. Das Open-Air-Konzert auf dem Rathausmarkt zum Saisonstart bleibt utopisch, real wird aber die Verlegung auf die Stadtpark-Bühne. Der Termin – 10. September – steht fest, das Programm noch nicht. Dass wir trotz allem noch im Beethoven-Jahr sind, betont ein Sonderkonzert am 9. Oktober in der Elbphilharmonie, bei dem die Sopranistin Pretty Yende mit der Konzertarie „Ah! Perfido!“ zu hören sein wird, umrahmt von der „Coriolan“-Ouvertüre und der Zweiten.
Und weil Nagano in der monatelangen Zwangs-Pause eine Art von behutsamem Frieden mit dem Internet geschlossen hat, sind gerade fünf „Mikro-Konzerte“ für Online-Publikum in Arbeit. Höchstens 30 Minuten, aufwendig gefilmt, versprach Nagano, und von Delnon inszeniert. Als Kundenbindungs-Maßnahme sicher wichtig, als zeitgemäßes Signal für jüngere Zielgruppen überfällig. Die Saison-Theorie wäre damit nun geregelt, in wenigen Wochen ist die Praxis dran.
Der Vorverkauf:
- Für die Spielzeit 2020/21 startet der Kartenvorverkauf vorerst abschnittsweise. Am 24.8. beginnt der telefonische und der Online-Verkauf für alle Veranstaltungen im September, am 7.9. für den Zeitraum vom 1.10. bis 5.12.
- Der Kartenverkauf an der Tageskasse der Staatsoper folgt jeweils einen Tag später, am 25.8. bzw. 8.9. (am 24.8. und 7.9. ist die Tageskasse geschlossen).
- Die Vorverkaufstermine für Veranstaltungen ab 6.12. werden später bekannt gegeben. Geplant ist ein monatsweiser Verkauf.
- Das Abonnement ist bis zum 5.12. zunächst ausgesetzt, Abonnenten der Oper und des Philharmonischen Staatsorchesters haben für Veranstaltungen bis 5.12. schriftliches Vorbuchungsrecht. Infos: www.staatsoper-hamburg.de