Hamburg. Seit 1961 spielte Peter Maertens am Thalia. Jetzt ist der große Hamburger Schauspieler mit 88 Jahren gestorben.

„Wenn ein Mensch mit 87 Jahren sagt, ich möchte noch immer spielen, dann ist das aus normaler Sicht wahrscheinlich vor allem ein bisschen bekloppt“, hat Peter Maertens vor einem Jahr in einem Abendblatt-Interview erklärt. Maertens war so ein Bekloppter. Theater ist sein Lebenselixier gewesen, das Thalia Theater – bis auf zwei kurze Ausnahmen – seit 1961 seine Wirkungsstätte und Heimat. Hier hat er in vielen großen und kleinen Rollen auf der Bühne gestanden. Seinen letzten großen Erfolg feierte Peter Maertens 2016 zusammen mit dem jungen Kollegen Sven Schelker in dem Kammerspiel „Besuch bei Mr. Green“ im Thalia in der Gaußstraße.

„Kann der das denn noch?“, hatte Intendant Joachim Lux vorsichtig bei Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger nachgefragt, denn Maertens war zum Zeitpunkt der Premiere schon 85 Jahre alt. Ja, er kann es noch, bescheinigten ihm Kritiker und begeisterte Zuschauer gleichermaßen. Doch nun, kurz vor seinem 89. Geburtstag, ist sein Theaterleben zu Ende gegangen. Peter Maertens, dieser zurückhaltende und immer etwas selbstironische Bühnenkünstler, ist am 11. Juli in Hamburg gestorben.

Peter Maertens: Schon sein Vater war Thalia-Intendant

Im Alter von sechs Jahren war Peter Maertens zum ersten Mal im Thalia Theater zu Gast. „Mein Vater spielte damals ,Das tapfere Schneiderlein’“, erinnert er sich. Das war 1938. Willy Maertens gehörte in der Vorkriegs- und Kriegszeit zu den beliebten Schauspielern am Thalia, nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er der erste Intendant. „Willi, mach du es“, hatten ihn die Kollegen aufgefordert. Da seine Frau Jüdin war, er sich aber nicht hatte scheiden lassen und nicht mit den Nazis paktiert hatte, akzeptierten die britischen Besatzer Willy Maertens als Intendanten. 18 Jahre lang leitete er die Geschicke am Alstertor, im Foyer des Hauses erinnert eine Büste an den Theatermann.

1961 holte er seinen Sohn Peter in das Ensemble. Der hatte nach dem Abitur überlegt, ob er Medizin studieren solle, sich dann aber doch für die Schauspielerei entschieden. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) in Hamburg war er von 1954 an ein paar Jahre durch die Provinz getingelt und hatte in Oldenburg, Hannover, Freiburg und Göttingen gespielt. Mit den besten Empfehlungen des dortigen Intendanten Heinz Hilpert kehrte Peter Maertens nach Hamburg an das Haus seines Vaters zurück. „Heute sind junge Schauspieler besser ausgebildet als damals. Bei uns war es doch mehr ,learning by doing’“, so Maertens.

Maertens-Dynastie in Hamburg

Seit er 1961 zurück in seine Heimatstadt kam, hat er das Thalia nur noch zwei Mal verlassen, ein paar Jahre in den 70-ern und dann noch mal von 1991 bis 1994 in der Intendanz von Jürgen Flimm. „Ich bin als Schauspieldirektor ans Schleswig-Holsteinsche Landestheater gegangen, weil ich dort selber inszenieren und auch ein paar große Rollen wie den Nathan spielen konnte. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung gemacht habe. Aber ich war genauso froh, wieder nach Hamburg zurückkehren zu dürfen, weil Flimm mir meine Stelle freigehalten hat“, erzählte er.

Am Thalia Theater hatte sich eine Maertens-Dynastie gebildet, denn auch Peter Maertens’ Kinder Kai, Michael und Miriam haben hier Theater gespielt. In der Ära von Ulrich Khuon standen sie 2004 anlässlich des 50. Bühnenjubiläums des Vaters in Andreas Marbers bissiger Theater-Satire „Die Lügen der Papageien“ sogar zu viert gemeinsam auf der Bühne. „Nur meine Frau Christa hat mit Theater nichts zu tun. Sie ist die einzige Normale bei uns“, hat Maertens einmal verschmitzt lächelnd über seine Gattin gesagt.

Peter Maertens kannte jeden Techniker und Bühnenmitarbeiter

Zuletzt war Peter Maertens nur noch Gast am Thalia Theater, weil sein Vertrag nicht mehr verlängert worden war. „Für ältere Schauspieler gibt es ja nur noch wenige Rollen, aber es ist schon gewöhnungsbedürftig, keinen Vertrag mehr zu haben. Das erste Vierteljahr musste ich ein bisschen schlucken“, kommentierte er den für ihn ungewohnten Zustand. „Aber natürlich fühlt man sich nach 60 Jahren am Theater nicht als Gast.“ Peter Maertens kannte jeden im Haus und jeder kannte ihn. Wenn man mit ihm durch das Haus am Alstertor ging, begrüßte er jeden Techniker und jeden Bühnenarbeiter mit Vornamen.

Der Theater-Senior, der sich niemals mit seinem Rentner-Dasein abfinden wollte, steckte voller Geschichten, Erinnerungen und Anekdoten. Man musste ihn nur anticken und dann sprudelt es aus ihm heraus. Genauso gern wie über Theater sprach Maertens über Fußball. „Ich bin Fußball-verrückt“, hat er immer gerne zugegeben.

Kerzengerade: "Ein Mann wie ein Baum"

Als Jugendlicher hatte er mit Dieter Seeler und Jochen Meinke in der Jugend des HSV gespielt, später gehörte sein Herz dem FC St. Pauli. „Meine Söhne haben mich vor vielen Jahren zum St. Pauli gelotst, weil die Atmosphäre dort so toll ist und man als Zuschauer wie in den englischen Stadien dichter am Spiel ist.“ Maertens war Dauerkartenbesitzer, die Auswärtsspiele verfolgte er mit einem Freund in einer Kneipe an der Langen Reihe nahe seiner Wohnung in St. Georg. Ein Höhepunkt seiner Fußball-Leidenschaft waren die Turniere um die Deutsche Theatermeisterschaft. Dreimal hat das Thalia die Trophäe in den 70er- und 80er-Jahren gewonnen und Maertens war natürlich mittenmang.

Im Thalia Theater werden viele diesen sympathischen Schauspieler vermissen. Auffallend bis ins hohe Alter war seine kerzengerade Haltung. „Ein Mann wie ein Baum“, hat ihn der frühere Abendblatt-Kollege Klaus Witzeling einmal beschrieben. Auch wenn Peter Maertens jetzt gestorben ist: Die Maertens-Dynastie lebt weiter, wenn auch nicht mehr am Thalia Theater. Michael Maertens gehört am Wiener Burgtheater zu den Protagonisten, sein Bruder Kai ist nach Hamburg zurückgekehrt und hat zuletzt Hauptrollen am Altonaer Theater gespielt, Miriam Maertens ist seit einer Spielzeit fest im Ensemble des Schauspiel Hannovers engagiert.