Hamburg. Auch ohne Publikum gelang mit der Aktion „Einer kommt, alle machen mit“ eine berührende Veranstaltung mit Musik von vielen Gästen.

„Die Autos sind fort, die Stadt liegt da verlassen“, sang Bernd Begemann in der leeren Elbphilharmonie, ein Song wie ein Nachhall auf die ersten Wochen der Corona-Krise in Hamburg. Jetzt füllen sich die Straßen, Parks und Ufer wieder, die Menschen gehen ihrer Arbeit nach. Einige, zum Beispiel aus der Kultur, dürfen noch nicht arbeiten, andere hingegen arbeiteten in der Krise und in den Jahren davor an der Belastungsgrenze unter schwierigsten persönlichen und finanziellen Bedingungen: Pflegekräfte.

„Klatschen allein genügt nicht“, sagten sich auch der Verein „MenscHHamburg“ und die Agentur Gute Leude Fa­brik. Deshalb organisierten sie zusammen mit der Clubstiftung und RockCity nach dem fiktiven Festival „Keiner kommt, alle machen mit“ für die Hamburger Musik- und Kulturszene die Anschluss-Initiative „Einer kommt, alle machen mit“ und eine Benefiz-Gala in der Elbphilharmonie zur Finanzierung von Kultur-Erlebnisgutscheinen für 2500 Hamburger Pflegekräfte in Ausbildung.

Zahlreiche Persönlichkeiten aus Pop, Klassik, Literatur, Politik und Gesellschaft fuhren an zwei Tagen nach­einander die Rolltreppe hoch zum Großen Saal, um sich mit Musik- und Redebeiträgen oder Interviews mit dem moderierenden Duo Christina Rann und Tobias Schlegl sowohl für die darbende Kulturszene als auch für bessere Zustände in der Pflege starkzumachen. Zusammengeschnitten wurde daraus eine dreieinhalb Stunden lange, unterhaltsame wie informative Streaming-Show, die man gegen eine Spende von 25 Euro bereits am Dienstag anschauen konnte. Am Donnerstag war der Stream dann kostenlos auch auf abendblatt.de zu erleben.

Lesungen von Rolf Zuckowski und Reinhold Beckmann

„Es gibt sehr viele, die noch einmal härter arbeiten müssen als vor der Corona-Krise“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher im Gespräch am Beginn der Show. Die Arbeitsbedingungen müssten besser werden, mit fairer Bezahlung und ausreichend Personal. Nicht wenige der in der Elbphilharmonie auftretenden Künstlerinnen und Künstler dürften hoffen, dass es nicht nur bei Worten bleibt, auch, weil sie selbst oder Menschen aus ihrem Umfeld auf Pflegende angewiesen sind. Das fängt bei Ingo Pohlmann an, der „Glashaus“ sang, während er noch einen Hörsturz auskuriert. Enno Bunger schrieb nach dem Verlust mehrerer ihm sehr nahestehender Menschen mit „Was berührt, das bleibt“ ein ganzes Album über Verluste und Abschiede.

Der Indie-Pop-Entertainer Bernd Begemann und die weiteren Gäste spielten nach­einander an zwei Tagen im leeren Großen Saal.
Der Indie-Pop-Entertainer Bernd Begemann und die weiteren Gäste spielten nach­einander an zwei Tagen im leeren Großen Saal. © MenscHHamburg e.V.

Auch viele weitere Lieder und Lesungen von Rolf Zuckowski, Reinhold Beckmann, Wolfgang Trepper oder Bosse waren direkt oder indirekt nah am großen Thema dieser Zeit. Anna Depenbuschs Lied „5 Meter“ könnte man zumindest innerlich auf „1,5 Meter“ umdichten. Kinderbuch-Autorin Kirsten Boie erzählte in der Geschichte „Hänsel und Lisa“ von den kleinen Hindernissen, die Eltern und Kinder im Alltag nehmen müssen. Johannes Oerding sang nicht nur „Kreise“ und „An guten Tagen“, sondern auch „Anfassen“: „Wir entfernen uns Klick für Klick, von dem was eigentlich wirklich ist.“ In Zeiten der Kontaktverbote versteht mancher erst so richtig, was eine Berührung wert ist.

Der Mensch braucht die Zusammenkunft

Jan Plewka blickte zunächst irritiert auf die leeren Stuhlreihen – ganz allein stand er noch nie auf einer Bühne, erst recht nicht in einem leeren Saal. Wenn die Gala-Gäste über das knarzende, im Raum nachhallende Parkett ohne Applaus und Jubel zum Mikrofon auf der Bühnenmitte gingen, hatte es was von einem Casting, einem Probesingen. Aufregende Einsamkeit. Oder wie Kultursenator Carsten Brosda sagte: „So leere Säle haben eine ganz eigene Romantik, aber nur weil man weiß, dass sie eigentlich voll sind.“

Der Mensch braucht die Zusammenkunft, im Altenheim ebenso wie im Restaurant oder im Club. Vieles, was früher selbstverständlich war, ist für Menschen wie Terry Krug, Vorstand in der Clubstiftung und Kiez-Gastronomin, derzeit noch eine Mischung aus Wagnis und Hoffnung. Allerdings waren nicht nur Nachdenklichkeit, leise Töne und der Wunsch nach Solidarität in der „Elphi“, wie sie Tobi Schlegl konsequent nannte, Thema.

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Das Motto lautete „Ein Ständchen für die Helfer*innen“, und gute Unterhaltung gab es en masse: Soulbruder Stefan Gwildis stellte mit „Sommer in der City“ ein neues Lied vor, das er „eigentlich erst am Sonntag im ZDF-Fernsehgarten“ präsentieren wollte. Geigerin Iris Siegfried spielte als ein Viertel von Salut Salon, Johanna Wokalek las Balladen.

Ungewöhnlicher Auftritt von Jasmin Wagner

Den ungewöhnlichsten Auftritt hatte allerdings Jasmin Wagner, die in den 90er-Jahren als Blümchen mit Zuckerschock-Techno durch die bunten Kulissen von VIVA hüpfte. In der Elbphilharmonie wandelte sie ihren Hit „Boomerang“ in eine dramatisch-pathetische Rezitation um – sehr witzig und mit kleinem Knalleffekt am Ende. Auch irgendwie schön anzuhören war das Leergutflaschen-Geklöter des letzten Gasts des Abends, der von Beginner-DJ Mad in den Saal der „Welthalle“ gelassen wurde. Da der Stream noch einige Zeit zu sehen ist, soll an dieser Stelle nicht verraten werden, wer sich da auf die Bühne verirrte.

2000 Euro für jeden Künstler in Hamburg – so geht's:

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Spenden für die Aktion sind bis zum 16. Juli weiterhin möglich, sowohl über die Homepage einerkommt.de als auch über das Crowdfunding-Portal startnext.com/einerkommt. Bei Startnext gibt es viele kreative Gaben der Gala-Gäste als Gegenleistung. Johannes Oerdings Lieblingshut und die Stadtrundgänge mit Anna Depenbusch sind zwar bereits ausverkauft, aber wer Lust auf einen signierten Bumerang von Jasmin Wagner hat, mit Ole und Sophia von Tonbandgerät Pizza essen oder signierte Trikots von Werder Bremen, SC Freiburg oder FC St. Pauli erwerben möchte, hat vielleicht noch Glück – und sich Applaus verdient.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden