Hamburg. Theaterunternehmer Maik Klokow hat klare Forderungen an Stadt und Bund: „Irgendjemand muss ja für den Schaden aufkommen.“
Es wäre die aufwendigste, teuerste und – geht man von den Vorverkaufszahlen zum Zeitpunkt der geplanten Premiere im März aus – auch die kommerziell erfolgreichste Theaterproduktion des Jahres geworden – mindestens: Harry Potter und das verwunschene Kind ist der für das Theater entstandene achte Band der Saga von J. K. Rowling und sollte die deutschsprachige Erstaufführung einer Inszenierung werden, die es bis dato nur in London, am Broadway und in Melbourne zu sehen gab.
Harry-Potter-Premiere in Hamburg am 4. Oktober geplant
Als das Hamburger Mehr! Theater auf dem Großmarkt umgebaut und nach Hogwarts-Art ausgestattet war, als die Einladungen längst verschickt und bestätigt waren, als 300.000 Tickets an den Fan gebracht waren – kam das Coronavirus.
42 Millionen Euro hatte der deutsche Theater- und Musicalunternehmer Maik Klokow investiert, als seine Theater schließen mussten. Nun möchte er wieder aufmachen – oder eigentlich: erstmals aufmachen, die neue Premiere ist für den 4. Oktober geplant. Möglich, sagt er, sei das aber nur zu bestimmten Bedingungen.
Rechnen Sie mit einer Premiere am 4. Oktober?
Maik Klokow: Wir tun alles dafür, dass das möglich wird. Die Entwicklungen sind ja rasant. In Nordrhein-Westfalen, wo wir ebenfalls Theater haben, sind die Theateröffnungen mit maximaler Kapazität ja schon verkündet worden, da geht es sehr dynamisch zu. Insofern hoffen wir natürlich, dass Hamburg irgendwann soweit ist, das gleiche Szenario zu erlauben. Da muss man prüfen, unter welchen Umständen das möglich ist – mit Masken für die Zuschauer wie in Nordrhein-Westfalen um Beispiel.
Dort ist vorgesehen, dass alle Plätze belegt werden und das Publikum die gesamte Vorstellung über den Mund-Nasen-Schutz aufbehält?
Maik Klokow: Genau. Bei fester Bestuhlung darf jeder Platz belegt werden – unter der Auflage, dass Masken getragen werden. Was auch dort noch nicht geklärt ist, ist die Situation auf und hinter der Bühne. Wir sind in Gesprächen darüber, wie man backstage mit dem social distancing umgehen muss. Von Seiten der Berufsgenossenschaft gibt es Vorschriften, die die Abstandsregeln dort noch erforderlich machen, aber wir hoffen, dass das noch reduziert werden kann – beziehungsweise dass es ausreicht, dass die Mitarbeiter hinter der Bühne auch Masken tragen.
Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie mit der Hamburger Premiere so lange warten wollen, bis Sie das Theater voll ausverkaufen können. Sie sind also zuversichtlich, dass das in diesem Jahr so sein kann?
Maik Klokow: Wir sind kein Staatsbetrieb, wir bekommen keine Subventionen. Wir sind aber im Moment im Gespräch, inwieweit wir Kompensationszahlungen erhalten können für das uns derzeit auferlegte Berufsverbot, das ja auch noch ein paar Monate anhalten wird. Ich kann mir nur ein einziges Szenario vorstellen, in dem wir auch mit weniger Besuchern aufmachen: Wenn wir laufende Unterstützung durch die Stadt Hamburg erfahren. Wenn wir zum Beispiel nur rund 800 Plätze belegen dürften, also 50 Prozent unserer Kapazität, dann muss jemand die anderen 50 Prozent kompensieren. Wenn wir aufmachen, haben wir alle Kosten. Das geht nur, wenn wir staatliche Zuschüsse erhalten.
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda hat ja bereits grundsätzlich die Möglichkeit eines Ausgleichs für geöffnete, aber aufgrund der Abstandsregelungen defizitäre Kulturbetriebe angekündigt. Bekommen oder erwarten Sie demnach solche Gelder?
Maik Klokow: Ich erwarte das sogar mit allem Nachdruck. Man kann uns ja nicht mit einem Berufs- und Aufführungsverbot belegen und gleichzeitig keine Kompensationszahlungen anbieten. Wenn es die aber gibt, können wir so lange zurückhaltend sein, bis ein Impfstoff da ist. Im Moment gehe ich davon aus, dass wir eine Regelung mit der öffentlichen Hand finden, die uns einen Spielbetrieb ab Oktober ermöglicht. Die Entscheidung muss bei uns bis Mitte August getroffen werden. Bis dahin hoffen wir, dass wir die Gespräche mit der Stadt Hamburg abgeschlossen haben.
In diesen Gesprächen geht es also um zwei Dinge: Die Ausgleichszahlungen - und die Situation auf und hinter der Bühne.
Maik Klokow: Richtig. Wir können das Stück nicht uminszenieren. Harry Potter ist eine Lizenzproduktion und kann nicht einfach anders auf die Bühne gebracht werden. Dann müssen wir konsequenterweise sagen, wir warten, bis die Abstandsregelungen auf der Bühne aufgehoben sind.
Wie sind denn die Signale der Stadt?
Maik Klokow: Man muss sagen, dass alle Beteiligten nach Lösungen suchen. Das macht es uns einfacher, Geduld zu haben und auf den richtigen Moment zu warten. Wir können nichts erzwingen. Und dass die Infektionszahlen wieder nach oben gehen, erscheint aus heutiger Sicht recht unwahrscheinlich – aber es ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass das wieder passiert.
Zumal bislang noch keine Großveranstaltungen im Gebäudeinneren stattfinden.
Maik Klokow: Die Großveranstaltungen, die vor den Schließungen stattgefunden haben, fanden unter anderen Voraussetzungen statt: ohne Masken, ohne Abstand im Foyer, ohne Hygienemaßnahmen. All diese Dinge würden wir jetzt berücksichtigen und das Risiko damit deutlich senken.
Der Kultursenator hat auch angekündigt, dass es öffentliche Gelder für den pandemiegerechten Umbau von Kulturorten geben soll. Welche Summe haben Sie beantragt?
Maik Klokow: Noch keine Summe. Wir sind noch dabei, das Hygienekonzept mit der Gesundheitsbehörde abzustimmen. Die Kosten sind abhängig davon, ob ich die Lüftungsanlage umbauen muss oder nicht. Die „normale“ pandemiebedingte Kostensteigerung liegt bei 60.000 Euro – in der Woche. Das Ausstatten mit Masken und Desinfektionsmittel, das Erhöhen des Reinigungszyklus, zusätzliches Personal, solche Dinge. Das sind keine einmaligen Investitionen, das sind Zusatzkosten im laufenden Betrieb. Und wenn jetzt Vorschläge kommen, dass wir unsere Mitarbeiter testen lassen sollen, dann muss man wissen: Ein Test kostet heute pro Mitarbeiter 120 Euro. Bei 120 Backstage-Mitarbeitern und acht Vorstellungen in der Woche kann man sich leicht ausrechnen, was das kostet. Wer soll das bezahlen? Das möchte auch die öffentliche Hand nicht. Wir müssen dazu kommen, das Risiko deutlich zu verringern.
Wie lange könnten Sie finanziell durchhalten ohne zu spielen?
Maik Klokow: Wir versprechen uns finanziell sehr viel von den verschiedenen staatlichen Instrumenten: vom Programm „Kulturstart“ der Bundesregierung und von den verschiedenen Fonds, die die Stadt Hamburg zur Verfügung gestellt hat und aus denen wir nicht zurückzuzahlende Gelder bekommen, um das Berufs- und Aufführungsverbot zu überstehen. Wir haben 42 Millionen Euro in Hamburg investiert und irgendjemand muss ja für den Schaden aufkommen. Da sind die Gespräche hoffentlich zielführend.
Wie stellen Sie sicher, dass die Schauspieler, die „Harry Potter“ bis in die Vorpremieren hinein geprobt und gespielt haben, zur Premiere alle da sind?
Maik Klokow: Da gibt es zum Glück Verträge, die ausreichend lange laufen. Wir werden die Schauspieler zwei Wochen vor dem erneuten Probenbeginn nach Hamburg holen und in Quarantäne schicken, da wir ja nicht wissen, wo sie sich vorher aufgehalten haben. Dann wird der Probenbeginn aufgenommen, acht Wochen erneute Proben haben wir geplant, damit die Schauspieler auf demselben Niveau agieren können wie vor der Schließung.
Die Premiere stand bei den Schließungen ganz kurz bevor, Ihr gesamtes, mit fünf Millionen Euro üppig finanziertes Marketingkonzept war auf diesen einen Punkt ausgerichtet. Die Werbung auf den Bussen, die Vorfreude in den sozialen Netzwerken, die Berichte in der lokalen und überregionalen Presse – kann man solch ein Momentum wieder herstellen?
Maik Klokow: Sehr schwer. Die fünf Millionen Euro müssen ja nochmal aufgebracht werden, um das gleiche zu schaffen. Auch über diese fünf Millionen wird man sprechen müssen. Aber ich glaube schon, dass wir eine sehr treue Anhängerschaft haben. Wir haben ja von 300.000 bereits verkauften Tickets 180.000 nicht zurückgeben müssen, weil die Kartenbesitzer gesagt haben: Wir kommen auf jeden Fall, völlig egal, wann das sein wird. Wir haben trotzdem viel Geschäft verloren, keine Frage. Welcher Umsatz davon zurückkommt, wissen wir nicht. Aber wir sind sicher in der Lage, einen neuen Hype für Harry Potter zu kreieren. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir eine großartige Harry-Potter-Premiere in Deutschland hinlegen können.