Hamburg. Kulturpaket des Bundes umfasst eine Milliarde Euro. Hamburger Kabarettist fürchtet, den Solo-Selbstständigen hilft es kaum.
Laut war das Echo, als die Bundesregierung in der Vorwoche ein 130 Milliarden Euro teures Konjunktur-Paket schnürte, das Deutschland aus der Corona-Krise helfen soll. Auch Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte in Berlin ihren Auftritt, als sie als Teil dessen das Rettungs- und Zukunftspaket von einer Milliarde Euro für die Kulturbranche vorstellte. Vier Bausteine soll es haben, davon allein bis zu 450 Millionen Euro zur Stärkung der kulturellen Infrastruktur und weitere 250 Millionen Euro für pandemiebedingte Investitionen für Einrichtungen wie Museen oder Theater, auch privat geführte. Bei manchen der fast 500.000 Solo-Selbstständigen bleibt ein mulmiges Gefühl. Sie machen unter den 1,3 Millionen in der Kultur Tätigen mehr als ein Drittel aus, im Durchschnitt verdienen sie knapp 20.000 Euro brutto im Jahr.
Der Hamburger Kabarettist, Moderator, Autor und Regisseur Lutz von Rosenberg Lipinsky (54) gehört zu den treibenden Kräften der bundesweiten Initiative #kulturerhalten, einem Zusammenschluss von inzwischen fast 6000 Künstlern, Veranstaltern und Agenten, unter ihnen die Kabarettisten Gerburg Jahnke, Volker Pispers, Schauspielerin und Autorin Marie Theres Kroetz-Relin, Christine Prayon (alias Birte Schneider/„heute show“) sowie „extra 3“-Moderator Christian Ehring.
Hamburger Abendblatt: Herr von Rosenberg Lipinsky, kommt bei Ihnen auch etwas an aus dem von Bundesministerin Grütters vorgestellten Paket mit dem Namen „Neustart Kultur“?
Lutz von Rosenberg Lipinsky: Bei „Neustart“ geht es ja eher um mittelfristige infrastrukturelle Maßnahmen und neu anzulegende Projekte. Zudem richtet es sich vielfach an öffentliche Theater und Betriebe, die ohnehin schon subventioniert werden. Private Betreiber von Clubs und Theatern stehen am unteren Ende der Treppe, und wir Freiberufler sind gar nicht im selben Haus.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte jedoch in der Vorwoche, die Kultur sei nicht vergessen worden, er sprach auch von einer „vereinfachten Grundsicherung“.
Von Rosenberg Lipinsky: Die neuen Hilfen des Bundes sind ja nochmals enger definiert worden und können von Solo-Selbstständigen ohne Laden, Werkstatt oder Studio kaum genutzt werden. Statt einer angemessenen Kompensation entgangener Einnahmen werden Freiberufler in die „soziale Grundsicherung“ gedrängt, die Hartz IV entspricht. Dies ist nicht nur entwürdigend, sondern hinterlässt eine enorme Deckungslücke, bei vielen in fünfstelliger Höhe. Es sind Gelder, die durch ein Tätigkeitsverbot verloren gingen und nicht durch private Schicksalsschläge oder Misswirtschaft. Und die mittelfristig bei Investitionen, wie etwa in neue Produktionen, fehlen werden. Im Theaterbereich werden jetzt in den Sommermonaten ohnehin kaum Umsätze gemacht, man zehrt gewöhnlich von den Rücklagen des zweiten Quartals – die es dieses Jahr aber nicht gibt.
Schon vor dem Schnüren des Kulturpakets haben Sie für die Initiative #kulturerhalten einen offenen Brief verfasst. Was sind Ihre Kernforderungen?
Von Rosenberg Lipinsky: Wir fordern – wie es bei anderen Berufsgruppen wie etwa Zahnärzten möglich ist – eine umsatzorientierte Ausfallregelung, eben nicht nur, wie von Frau Grütters angekündigt, für subventionierte Theater, sondern für alle Freiberufler. Die entgangenen Einnahmen lassen sich ja aufgrund der letzten Steuerbescheide berechnen bzw. durch Verträge belegen. Dies wäre ein wirklich würdevoller, gerechter und vor allem unbürokratischer Weg. Es entspräche einer Art Kurzarbeitergeld für Selbstständige.
Bürgermeister und Senat über den Corona-Stand in Hamburg:
Wenn nicht von der Politik, welche Reaktionen gab es von anderen Seiten?
Von Rosenberg Lipinsky: Die Kompetenz der Politik beschränkt sich maximal auf die sogenannte Hochkultur. Im sozialen Umfeld und auch in den Medien dagegen findet das Anliegen von #kulturerhalten durchaus große Resonanz. Wir erfahren viel Solidarität und Unterstützung. Solange aber die entscheidenden Stellen stur bleiben, wird es schwierig werden, Verbesserungen herbeizuführen. Zumal hier ein jahrzehntelanges Aufmerksamkeitsdefizit offenbar wird: Die Kreativbranche gehört mit über 100 Milliarden Euro Umsatz zu den stärksten im Land und beschäftigt mehr als eine Million Menschen.
Können Sie sich vorstellen, in den nächsten Monaten in vielleicht zu 30 Prozent besetzten Theatern zu spielen?
Von Rosenberg Lipinsky: Es gibt in der Branche beide Stimmen: Die, die Lebenszeichen senden und unbedingt wieder spielen wollen – und die, die angesichts der schwierigen Bedingungen lieber geschlossen lassen. Es ist in jedem Falle völlig unwirtschaftlich – das muss man sich leisten können. Schön ist es natürlich ohnehin nicht, einen nur zu einem Drittel gefüllten Saal zu bespielen, ohne Pause, ohne Gastronomie und Smalltalk im Foyer. Eine wesentliche soziale und sinnstiftende Komponente der Kultur wird abgeklemmt.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden