Hamburg. Das neue Theater-Fotoprojekt „Only The Artist“ zeigt bekannte Hamburger Schauspieler auf ihren leeren Lieblingsbühnen.
Für viele von ihnen sind es die Bretter, die die Welt bedeuten. Weil sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben, mit Ernsthaftigkeit, im Idealfall mit spielerischer Leichtigkeit, oft jedoch verbunden mit Entbehrungen. Letztere spüren in Hamburg auch Schauspielerinnen und Schauspieler, sind doch seit Mitte März bis mindestens Ende Juni sämtliche Theater der Hansestadt geschlossen. Erst ganz vereinzelt, ganz langsam läuft der Probenbetrieb wieder an – in Zeiten von Corona wenn überhaupt, dann nur mit Abstand.
Den mussten zwangsläufig auch Laura Uhlig und Helge Schmidt in den vergangenen Wochen von der Bühne halten, sie Schauspielerin, er Regisseur. Erste Absagen im März, dann weitere im April et cetera. Die freiberufliche Schauspielerin Laura Uhlig hätte am vergangenen Freitag in der Komödie Winterhude Premiere in „Ein Satz zu viel“ haben sollen. Der freischaffende Regisseur Schmidt, am Thalia großgeworden und im Herbst 2019 für sein Stück „Cum-Ex-Papers“ über den größten Steuerraub in der Geschichte Europas am Lichthof Theater mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust ausgezeichnet, hofft nun, dass er im Juli wieder inszenieren kann – einen Monolog in Düsseldorf.
Schauspieler vermissen unmittelbare Reaktion der Zuschauer
Nicht nur diese beiden vermissen das Theater als Ort der direkten Teilhabe inklusive der unmittelbaren Reaktion der Zuschauer. Sicher, immer mehr Schauspieler sprechen ihre Texte für immer mehr Internet-Streams, und Regisseure haben mit Ensembles versucht, per Videokonferenzen zu proben. Doch schon zu Beginn des Stillstands haben sich sowohl Helge Schmidt als auch Laura Uhlig die Frage gestellt, welchen Wert darstellende Kunst ohne ein reales Publikum haben kann. Antworten haben die beiden bei den Theatern gesucht – und gefunden: „Only The Artist“ (Nur der Künstler) heißt ihr ungewöhnliches Projekt. Mit der Fotografin Maren Janning haben sie Hamburger Schauspieler auf den zurzeit leeren Bühnen porträtiert, denen sich die Künstler verbunden fühlen. Vom freien Kinder- und Jugendtheater über bekannte Privattheater bis zu den Staatstheatern reicht ihre Auswahl.
Da sitzt der kräftige Josef Ostendorf vom Schauspielhaus-Ensemble nachdenklich in einem Theatersessel. Nina Petri, schon öfter auch in den Hamburger Kammerspielen zu erleben, blickt in einem Kulissenschrank sitzend gen Wand der Bühne des Ernst Deutsch Theaters. Schauspieler und Puppenbauer Götz Fuhrmann guckt mit einer Astra-Knolle in der rechten Hand durch den leicht geöffneten roten Vorhang ins Schmidt, bekanntlich gleichsam ein Verzehrtheater, und Charlotte Pfeiffer blickt mit angeklebtem Bart traurig über zwei hochgestellte Stühle und einen Tisch ins Leere des Lichthofs.
Förderung aus dem Hilfsfonds „Kunst kennt keinen Shutdown“
Der Tisch mit einem oder zwei Stühlen ist auf fast jedem Foto der Künstler in elf Hamburger Theatern zu sehen. Bei diesem Motiv, gibt Helge Schmidt gern zu, hatte er „The Artist Is Present“ im Hinterkopf. Für jene Performance saß Marina Abramović im Jahr 2010 mehr als 90 Tage im Museum of Modern Art in New York, um mit Besuchern an einem Tisch gemeinsam zu schweigen. Die bloße Anwesenheit und unmittelbare Nähe der Künstlerin führte bei vielen Menschen zu emotionalen Reaktionen.
Für „Only The Artist“ entstand mit dem kargen Mobiliar eine ausdrucksstarke Bildserie, die nicht nur den Stillstand dokumentiert, sondern gleichzeitig Ausdruck für die Unvollständigkeit der jeweiligen Bühnensituation sein soll.
Umsetzen konnten Schmidt und Laura Uhlig ihr ungewöhnliches 5000-Euro-Projekt nur dank einer beantragten Förderung aus dem Hilfsfonds „Kunst kennt keinen Shutdown“ der Hamburgischen Kulturstiftung und mit Unterstützung vom Verein Theater Hamburg e. V. Die Fotos spiegeln die Vielfalt der hiesigen Theaterszene wider, jedoch auch das, was derzeit fehlt. Davon zeugen ebenfalls die Motive der Thalia-Ensemblemitglieder André Szymanski und Lisa Hagmeister, ebenso das vom langjährigen Ohnsorg-Publikumsliebling Erkki Hopf oder jenes von seiner jüngeren Kollegin Julia Kemp.
„Die Geschichten verbindet, dass jeder Schauspieler gern auftreten möchte – auch die bei den Staatstheatern fest angestellten, die durch Kurzarbeitergeld und die Aufstockung durch ihre Häuser besser gestellt sind“, lautet für Schmidt die Quintessenz. Alle hätten sich in der Zwangspause mehr denn je mit ihrem Beruf beschäftigt – das, was ihn ausmacht. Auch das verbindet sie. Das Publikum kann es sehen – wenn auch erst mal nur online bis zum 15. Juni auf insgesamt 20 Fotos. Täglich neu.
„Only The Artist“ Fotoserie, bis 15.6. abrufbar über die Social-Media-Kanäle der teilnehmenden Theater und die von Hamburg Theater e. V.: www.facebook.com/theaterhamburg.org, www.instagram.com/theaterhamburg
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
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