Hamburg. Live dabei ist zwar „nur“ Regisseurin Hermine Huntgeburth – das dürfte die Freude über den Film „Mach dein Ding“ kein bisschen trüben.
Keine Frage, der Titel passt: „Bewegte Zeiten“ sind es noch immer, wenn unter diesem Titel am Sonnabend das erste Autokino auf dem Heiligengeistfeld offiziell eröffnet. Zwar gab es am Freitag schon ein Pre-Opening mit dem Film „Alles außer gewöhnlich“, aber wenn zur Einstimmung auf das Wochenende der Film „Lindenberg! Mach dein Ding“ gezeigt wird, der zu großen Teilen in Hamburg gedreht wurde, hat das sicher noch einmal mehr „Wumms“, wie Ex-Bürgermeister Scholz sagen würde. Zur Eröffnung kommen auch Regisseurin Hermine Huntgeburth und Produzent Michael Lehmann, um ihr gemeinsames Werk vorzustellen.
Wegen Corona gibt es derzeit 186 Autokinos in Deutschland
Die Filmemacherin kann also noch einmal in Hamburg eine Premiere feiern. Im Januar hatte sie das schon im Cinemaxx Dammtor in allen Sälen getan, bevor sie mit dem Film über den unaufhaltsamen, aber hindernisreichen Aufstieg von Hamburgs Panik-Rocker deutschlandweit auf Kinotour ging. „Es war ein Fest und eine tolle Erfahrung. Die Leute waren begeistert“, erinnert sie sich an die gemeinsamen Auftritte mit Udo in den Lichtspielhäusern.
Mehr als 600.000 Zuschauer hatten den Film mit einem überragenden Jan Bülow in der Titelrolle bereits gesehen, als die Kinos im März wegen der Corona-Krise schließen mussten. „Wir waren damals über den Gipfel rüber, aber es war noch nicht vorbei. Wir hatten noch auf einen Einsatz in den Open-Air-Kinos gehofft. Im Gegensatz zu anderen Kollegen haben wir aber trotzdem Glück gehabt“, bilanziert die Regisseurin.
Das Autokino als Licht am Filmhorizont in Corona-Zeiten
Und jetzt also Autokino, das für manch gebeutelten Kinobetreiber ein wenig Licht am Horizont bedeutet. Vor zwei Jahren gab es in Deutschland nur noch 18 dieser Leinwände, momentan existieren in der Bundesrepublik 186 Autokinos. In Hamburg werden auch in Steinwerder und auf der Trabrennbahn Bahrenfeld Filme gezeigt. Welche Erfahrungen hat die Regisseurin bisher mit dieser Form des Freiluftkinos gemacht? „Gar keine. Ich bin noch nie drin gewesen, finde die Idee aber super, aus der Not eine Tugend zu machen. Autokino hat für mich etwas Nostalgisches und zugleich sehr Amerikanisches. Als Kind habe ich mir das immer gewünscht.“ Nun ist sie gespannt, wie ihr Film, der zwei Deutsche Filmpreise gewann, bei seinem „motorisierten Heimspiel“ ankommt.
Grundsätzlich macht sich Huntgeburth große Sorgen um die Filmbranche in der aktuellen Krisensituation. Wie lange werden die Räder noch stillstehen, wann und wie kann man wieder anfangen? „Wenn wir unter den aktuellen Corona-Bedingungen wieder drehen wollen, brauchen wir für einen Film ein Drittel mehr Zeit. Das ist finanziell eigentlich gar nicht möglich“, sagt sie. „Sender und Filmschaffende müssen versuchen, die Krisenzeit solidarisch zu überstehen. Die meisten sind beim Film nicht fest angestellt, sind also darauf angewiesen, zu arbeiten. Ich fürchte, viele von ihnen werden in diesem Jahr gar nicht mehr arbeiten können. Wovon sollen sie nur leben?“, fragt sie. Kollegen hätten sich ihr gegenüber schon verzweifelt geäußert.
Huntgeburth findet Film-Quarantäne für Ältere "diskriminierend"
Aber es geht nicht nur um das Ob, sondern auch um das Wie. „Man kann ja bestimmte Sachen momentan gar nicht machen. Nicht nur die zeitlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert, sondern auch die Inhalte.“ Wie soll man zum Beispiel Liebesszenen drehen? „Für bestimmte Szenen werden die Schauspieler eben in Quarantäne gehen müssen“, glaubt sie.
Richtig wütend wird Hermine Huntgeburth, wenn man sie auf die Befürchtung anspricht, dass in Zukunft Risikogruppen wie ältere Menschen aus den Drehbüchern herausgeschrieben werden könnten, um die Produktionen nicht zu gefährden. Schließlich könnten sie erkranken und kurzfristig ausfallen … „Ich finde das ganz schlimm. Das ist diskriminierend, und man nimmt den Älteren ihre Selbstbestimmung. Die Leute, die man schützen will, grenzt man noch mehr aus.“
Die Regisseurin will Ende Juli wieder in Hamburg drehen
Vor wenigen Tagen erst hatte Schauspielerin Eleonore Weisgerber einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Staatskanzleien der Bundesländer geschickt. „Beim Begriff der Pandemie wurde vom Robert Koch-Institut der Be-griff der ,Risikogruppe‘ so definiert, dass darunter auch sämtliche Personen über 60 fallen“, heißt es darin. Dagegen wehrt sich Weisgerber. „Der Begriff war nicht für die Gesellschaft gedacht, sondern für die Medizin“, sagte sie dem Abendblatt. Schauspieler hätten auch schon vor der Pandemie vor dem Beginn von Dreharbeiten zu einem Vertrauensarzt gehen müssen. Erst wenn der sie für gesund und belastbar hielt, wurden die Darsteller versichert. Eine ähnliche Regelung fordert sie auch jetzt. Der Brief hat 80 Unterzeichner, darunter die Schauspieler Maren Kroymann, Katharina Thalbach, Ilja Richter, Rita Russek und Gustav-Peter Wöhler.
Huntgeburth hält übrigens wenig von der „neuen Normalität“ mit Home- office und Videokonferenzen. „Das kann niemals normal werden, dann werden die Menschen alle krank.“ Sie hofft, Ende Juli wieder drehen zu können. Für den Fernsehfilm mit dem Arbeitstitel „Totgesagte leben länger“ hat die Hamburger Autorin Ruth Toma („Der Junge muss an die frische Luft“) das Drehbuch geschrieben. Die Hauptrollen in der Tragikomödie spielen Corinna Harfouch und Jens Harzer. „Ende Juli wollen wir damit in Hamburg beginnen. Wir fangen demnächst mit den Vorbereitungen an“, sagt die Regisseurin.
„Lindenberg! Mach dein Ding“ Sa 6.6., 20.00 und 21.00, Bewegte Zeiten, Heiligengeistfeld, Zufahrt über Glacischaussee; Info und Programm: www.zeise.de/autokino