Hamburg. Die Hamburger Pianistin Anna Vinnitskaya über ihren Corona-Alltag zwischen Bach und Homeschooling.
Pianistin Anna Vinnitskaya ist nicht nur in Elbphilharmonie und Laeiszhalle regelmäßig zu erleben, sie ist auch international ein Star. Aber die gebürtige Russin, die mit ihrer Familie in Langenhorn lebt und als Klavier-Professorin an der Hochschule für Musik und Theater unterrichtet, schwimmt gegen den PR-Strom. Ihre Facebook-Seite ist nahezu inaktiv, auf Instagram oder Twitter ist sie gar nicht zu finden, das Angebot einer großen Plattenfirma hat sie einst ausgeschlagen, weil sie sich nicht ins Repertoire hineinreden lassen wollte. Auch auf die Corona-Krise hat die 36-Jährige ihre eigene Sicht.
Hamburger Abendblatt: Frau Vinnitskaya, wie geht es Ihnen nach mehr als zwei Monaten Corona-Pause ohne Konzerte?
Anna Vinnitskaya: Ich sage vermutlich etwas anderes als die meisten meiner Kollegen, aber mir geht es gut. Allerdings vermisse ich es, selbst in Konzerte zu gehen: Dass in der Elbphilharmonie die Matthäus-Passion mit Philippe Herreweghe, auf die ich mich ein Jahr lang gefreut hatte, wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, hat mich sehr traurig gemacht. Doch als Musikern beeinträchtigt mich die Situation nicht so sehr. Ich habe mein Instrument und meine Kunst ja weiterhin, nur eben zu Hause.
Vermissen Sie die eigenen Auftritte nicht?
Anna Vinnitskaya: Momentan bin ich ganz froh, keine Konzerte zu haben, denn ich bin mit dem Homeschooling meiner beiden Kinder ganz schön beschäftigt. Mein Mann arbeitet viel, da ist es gut, das Üben auch mal auf den Abend verschieben zu können. Mir tun jedenfalls die Eltern leid, die jetzt beide arbeiten müssen und gleichzeitig schulpflichtige Kinder haben. Meine Tochter hat mir letztens gesagt, sie findet es gut so, wie es jetzt ist, einfach, weil ich immer zu Hause bin.
Heißt das, die Musik bleibt momentan auf der Strecke?
Anna Vinnitskaya: Nein, überhaupt nicht. Ich übe in meiner ganzen freien Zeit, und besonders schön ist es, dass ich jetzt zum Beispiel Bach vom Blatt spielen kann, einfach, weil ich seine Musik liebe – nur für mich, ohne dass es zu meinem Programm für die nächste Saison gehören würde. Das werde ich nach dem Ende der Corona-Krise tatsächlich vermissen. Wahrscheinlich ist es utopisch, aber es wäre schön, wenn wir aus dieser Zeit etwas mitnehmen könnten, zum Beispiel das Bewusstsein, wie wunderbar es sein kann, mal ohne Termindruck zu sein. Das bedeutet für mich Lebensqualität.
Sie haben ja auch eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater. Unterrichten Sie derzeit?
Anna Vinnitskaya: Ja, teilweise online – was ich nicht sonderlich mag – , weil einige meiner Studenten derzeit nicht in Hamburg sind. Aber inzwischen auch wieder ganz direkt in der Musikhochschule. Es gibt dort drei große Säle mit sehr viel Platz, so- dass der Mindestabstand gut eingehalten werden kann. Die Flügel stehen weit auseinander und werden alle drei Stunden desinfiziert. Ich bin wirklich sehr dankbar für diese Möglichkeit.
Viele Musikerinnen und Musiker streamen als Ersatz für ausgefallene Konzerte. Sie halten sich da zurück. Warum?
Anna Vinnitskaya: Das muss natürlich jeder selbst entscheiden, aber für mich ist das nichts, weil es mit zu viel Eigen-PR verbunden ist. Und es gibt ja auch schon so viele großartige Aufnahmen auf CD … Außerdem bin ich abends einfach zu müde dafür (lacht).
Infos: www.annavinnitskaya.com