Hamburg. Die Fabrik der Künste zeigt in ihrer ersten Schau nach der Zwangsschließung 60 aktuelle Cartoons zum Thema Corona.

Was ist das bloß für eine seltsame Zeit? Eine zwischen Panik und Stillstand? Vor zwei Monaten noch fühlten sich viele Menschen hierzulande zum „Hamsterkauf“ bemüßigt, nun aber wirkt der gezeichnete Hamster von Miriam Wurster mit einem Stapel geistiger Nahrung (Bücher) wie auf der Flucht. Eine Schnecke hält inne und sagt: „Für mich ändert sich nicht viel“ – jedenfalls auf der Karikatur von Tobias Schülert.

Nur zwei Beispiele einer Cartoon-Ausstellung, die in diesem Seuchen-Jahr gerade recht kommt. „Hamburger Strich in der Krise“ heißt die originelle und aktuelle Schau in der Fabrik der Künste. Zu sehen sind etwa 60 Zeichnungen zum Thema Corona. Die Idee entstand unmittelbar, nachdem der Verleger Klaus Jarchow in seinem KJM-Verlag mit 15 renommierten Karikaturisten aus der Hansestadt im März den „Hamburger Strich“ herausgebracht hatte, ein 128-seitiges buntes Werk.

Tetsche und Til Mette waren schon in der Fabrik der Künste

Die auf dem Buch basierende Schau fiel zwar aus. Von diesem Donnerstag bis zum Pfingstsonntag (31. 5.) zeigt das zweigeschossige Ausstellungshaus in Hamm jedoch eine etwas andere Art der Krisenbewältigung. „Es sind ausschließlich Cartoons, die in den letzten Wochen entstanden sind, als das Buch schon fertig war“, versichert Katharina Hecker von der Fabrik der Künste. Die Schau ist – mit den gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln – zugleich die erste Ausstellung nach der Zwangsschließung.

Nunmehr 16 hiesige Karikaturisten haben sich dem omnipräsenten Thema Pandemie gestellt. Zu ihnen gehören mit Tetsche und Till Mette zwei jahrzehntelange „Stern“-Zeichner, die mit ihren Cartoons schon mehrmals in der Fabrik der Künste präsent waren. Tetsche alias Fred Tödter (74) ist seit der Veröffentlichung seines ersten Buchs „Neues aus Kalau“ 1978 längst zu einem Klassiker des deutschen Humors gereift. Den gebürtigen Soltauer auf seine Markenzeichen – als da sind: Spiegelei, Säge und natürlich der Pümpel – zu reduzieren, hieße aber, seine Fähigkeiten für aktuellen Blödsinn in der Krise zu ­ignorieren.

Til Mette entlarvt das Absurde im Leben

Und Til Mette (63) schafft es meist, mit wenigen Strichen aktuelle Themen der Weltpolitik darzustellen und so das Absurde im Leben zu entlarven. Außer von Politik und Gesellschaft hat sich der Maler Mette, bereits mit sechs deutschen Karikaturen- und Cartoon-Preisen ausgezeichnet, in seiner Wahlheimat auch von seiner direkten Umgebung in­spirieren lassen, beim „Hamburger Strich in der Krise“ zu sehen im Cartoon „Systemrelevant“: Eine freundliche Kassiererin fragt an der Kasse einen Kunden mit Mundschutz, wie das „Zauberwort“ heißt. Auch zum kontrovers diskutierten Wochenend-Thema „Geisterspiele“ im Fußball hat sich Mette für diese Ausstellung (s)ein Bild gemacht.

„Geister“ nennt Til Mette sein Motiv zum Fußball ohne Fans.
„Geister“ nennt Til Mette sein Motiv zum Fußball ohne Fans. © Unbekannt | Til Mette

Die meisten der Hamburger Cartoonisten kennen sich übrigens vom Stammtisch in der Taverne Ägäis, einem bürgerlichen Restaurant in Altona-Nord. Dort hatte sich, in lockerem Verbund, vor der Corona-Krise einmal im Monat gut ein Dutzend der Freigeister zum intellektuellen Austausch getroffen.

Zu den kreativsten Provokateuren zählt gewiss Piero Masztalerz, auf der Bühne als Trendsetter der norddeutschen Cartoon-Comedy in Erscheinung getreten. Am populärsten waren seine für das NDR-Fernsehen kreierten Figuren für die Comedy-Reihe „Frühstück bei Stefanie“. Indes belegte er schon 2011 Platz eins beim Deutschen Cartoon-Preis und gewann zweimal den Hauptpreis beim Deutschen Preis für die politische Karikatur. Sein Werk „Balkonnazi“ spricht gesellschaftlich Bände. Auch ­Katharina Greve („Chemtrails“), Dorthe Landschulz und die Illustratorin Maren Amini sind in der Fabrik der Künste vertreten.

Wie sie und ihre Kollegen in Zeiten von Corona ans Zeichnen herangehen, ist äußerst vielschichtig, alle verbindet die künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit. Maren Amini etwa sieht sich durchaus als gesellschaftspolitische Zeichnerin. Und nicht nur Til Mette weiß: „Kritische Zeichnungen zu ernsten Themen können Trost spenden.“

So ist Hamburg in dieser noch immer beschränkten Zeit statt des Tores zur Welt zumindest das Tor zum Witz.

„Hamburger Strich in der Krise“ 14.-31.5., Mo–So jew. 14.00–19.00, Fabrik der Künste (Bus 111), Kreuzbrook 12,, Eintritt frei, Spenden willkommen; www.fabrikderkuenste.de

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