Hamburg. Viele Hamburger Museen haben nach Wochen der Corona-Schließung wieder geöffnet. Wie sieht es dort nach dem Neustart aus?

Endlich wieder Kunsthalle! Dass sie sich freut, zu Monet und Renoir, zu Munch und Klee zurückkehren zu können, ist Adriane Hartmann anzusehen. Und zur Feier des Tages hat sie auch gleich ihre Töchter Solvei und Liva mitgebracht – für die Gymnasiastinnen ist es Homeschooling der etwas anderen Art: „Das ist der Vorteil des Nichtpräsenzunterrichts ...“

Etwa einmal im Monat kommt die Hamburgerin, die auch Mitglied im Freundeskreis des Hauses ist, normalerweise in die Kunsthalle, aber so viel Platz wie an diesem Tag hat sie nie erlebt. 20 bis 30 Besucher verteilen sich am Freitagmittag auf einer Ausstellungsfläche von 13.000 Quadratmetern, der Mindestabstand ist kein Problem, und Mund-Nasen-Schutz muss hier niemand tragen.

"Jetzt lassen sich die Kunstwerke mal richtig genießen"

Besonders schön sei es gerade, findet eine Aufsichtskraft, die aktuell fast nichts zu beaufsichtigen hat. „Jetzt lassen sich die Kunstwerke mal richtig genießen.“ In der Tat: Niemand muss Paul Klees „Goldfisch“ oder Édouard Manets „Nana“ teilen, selbst der Blick auf Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“, der Kunsthallenklassiker schlechthin, ist durchgehend frei. Dass auch in der aktuellen Ausstellung mit Werken von Goya, Fragonard und Tiepolo im Hubertus-Wald-Forum keine Abstandsmarkierungen zu finden sind, ergibt Sinn: Die wenigen Besucher verteilen sich ganz automatisch.

Mehr als 20 Museen haben inzwischen wieder geöffnet, darunter nicht nur die großen Häuser, sondern auch das Prototyp Automuseum, das Ernst Barlach Haus oder das kleine Spicy’s Gewürzmuseum. Und das Personal, das nach den Wochen der Schließung auf seinen Platz zurückgekehrt ist, arbeitet nun unter Pandemie-Bedingungen. Im Bucerius Kunst Forum, wo die große David-Hockney-Ausstellung bis zum 13. September verlängert wurde, heißt das: Plexiglas-Visiere für die Mitarbeiter mit Publikumskontakt, Desinfektionsmittelspender am Ein- und Ausgang sowie eine Beschränkung auf maximal 40 Besucher. Warten musste indes (noch) niemand. Auch im Haus am Alten Wall verläuft der Wiedereinstieg entspannt, auch hier gilt: Wer in aller Ruhe in großer Kunst schwelgen möchte, sollte jetzt kommen.

Das Wetter ist zu gut für einen Museumsbesuch

Zur gleichen Zeit in Barmbek: „Sind wir die Ersten heute?“ – „Nein, aber die erste Familie.“ Vor dem Eingang zum Museum der Arbeit versammelt man sich am Pizzastand an der Zinnschmelze, am Osterbekkanal-Ufer oder auf dem Wochenmarkt, drinnen ist es aber sehr ruhig für ein Museum, das sich den Werktätigen und ihrer Geschichte widmet. Eigentlich ist das mit Krach verbunden, mit Dampfmaschinen, Druckanlagen, Drahtstiftpressen, Streikaufrufen, am Freitag jedoch ist es still, wir sind allein.

Abstand wäre hier allerdings auch bei mehr Betrieb kein Problem, die Rundläufe sind breit und wenn nötig mit Pfeilen markiert, höchstens die „Dicke Berta“, eine gigantische Abzeichen-Presse, steht mal im Weg. Kurz unterbricht das Ausprobieren alter Schreibmaschinen – Bing! – das Gefühl, nachts im Museum zu sein. Das verstärkt sich dann wieder in der Sonderausstellung im obersten Geschoss, und so soll es auch sein: „Die Nacht – alles außer Schlaf“ widmet sich der Unruhe im Dunkeln, den Schichtarbeitern, Polizisten, Bäckern, Obdachlosen, Club-DJs und anderen Menschen (und Tieren), die kein Auge zudrücken (dürfen). Die Sonne blendet grell beim Heraustreten.

Auch in anderen Häusern kann man seine Schritte hallen hören: In Museen immer ein Zeichen dafür, dass die Exponate und Ausstellungsstücke eher für sich sind. Im Markk – also dem Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt, ehemals Völkerkundemuseum – ist am Freitagmittag rein gar nichts los. Was nicht verwundern muss, das Wetter ist schlicht zu gut für einen Museumsbesuch. Mit Corona hat das alles nichts zu tun, aber man nickt dann doch erleichtert, als eine Mitarbeiterin vom Donnerstag berichtet. Da sei nämlich schon Betrieb gewesen. Vor allem nach 16 Uhr, von diesem Zeitpunkt an ist donnerstags im Markk der Eintritt grundsätzlich frei.

Museen: Besucher halten sich an Hygienevorschriften

Man muss sich also nicht gleich Sorgen machen um die Anziehungskräfte des Hauses an der Rothenbaumchaussee und die Relevanz von Museen allgemein. Trendforscher und Zukunftsvermesser haben der Pandemie längst disruptive Energie attestiert. Heißt: Sie wird manches verändern, etwa wie wir einkaufen oder wo wir arbeiten. Aber während man einsam an der animierten Breitwandszene mit den Indianern Amerikas und den europäischen Kolonisatoren – brachten letztere nicht Krankheit und Tod in die Neue Welt? – entlangläuft, empfindet man dennoch klar: Museen sind Orte der Analogwelt. Niemand wird künftig seinen Wissensdurst mit rein virtuellen Museumsbesuchen stillen wollen.

Mit den Hygienevorschriften gibt es übrigens keinerlei Probleme: Alle Besucher, berichten die Mitarbeiter, halten sich dran. Auch das verwundert nicht, weil schnell normal werden kann, was vorher undenkbar erschien. Dass Audioangebote derzeit gesperrt sind, gehört zur neuen Realität im Markk.

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Der Korea-Sonderausstellung ist ein Motto vorangestellt, das sich zunächst mal auf die Mentalität des asiatischen Landes bezieht: „Ruhe in Beschleunigung“. Es passt an diesen ersten Tagen des sozialen und kulturellen Wiederaufmachens auch auf die Hamburger Museen: Das Leben nimmt wieder Fahrt auf, aber ganz gemächlich.