Hamburg. Neuer Schutzschirm der Kulturbehörde soll soziokulturellen Zentren helfen. Inwieweit das gelingt, zeigt sich wohl erst im Herbst.
Wie derzeit in allen Kultureinrichtungen sind die Türen der Hamburger Stadtteilkulturzentren geschlossen. Bis 30. Juni wurden auch für die Stadtteilkultur alle Veranstaltungen untersagt. Nicht nur Konzerte, Lesungen, Theater- und Comedy-Abende, ebenso Tanz- und Malkurse, Gesangs-Workshops, Wellness und Freizeitsport. Traurig, weil die 29 soziokulturellen Zentren von jeher für ein vielfältiges Angebot und für einen niedrigschwelligen Zugang zur Kultur stehen.
Um deren Bedeutung für den Zusammenhalt und den Gemeinsinn weiß auch die Kulturbehörde, jedoch auch um ihre Bedrohung durch Corona. „Das Leben und die Kultur in den Stadtteilen wird ganz wesentlich von den dortigen Stadtteilkulturzentren geprägt. Da diese in hohem Maße auf ihre eigenen Einnahmen angewiesen sind, sind die derzeit notwendigen Schließungen für die Stadtteilkultur ein herber Einschnitt“, sagte Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien. Aus dem um 25 Millionen Euro erhöhten Etat seiner Behörde sollen deshalb 1,36 Millionen Euro als Hilfspaket an die Stadtteilkultur fließen.
Droht der dauerhafte Komplettverlust des kulturellen Lebens?
Doch wo kneift es besonders, und wie könnte das Geld konkrete (Überlebens-)Hilfe bieten? Und reicht das? „In der gegenwärtigen Krise droht der dauerhafte Komplettverlust des kulturellen Lebens und der kulturellen Teilhabe in den Stadtteilen, denn langfristig geschlossene Kultureinrichtungen können meist nicht wieder aufgebaut werden“, erläutert Corinne Eichner, Geschäftsführerin des Dachverbandes Stadtkultur e. V. Sie begrüßte zwar „diese wichtige Rettungsmaßnahme“ der Behörde. Jedoch variieren die Bedürfnisse der Häuser von Stadtteil zu Stadtteil, von Bezirk zu Bezirk. In den sieben Bezirksämtern müssen die Zentren auch ihre Anträge für die Hilfsgelder stellen.
Bernd Hass hatte am Montag ohnehin mit dem Bezirksamt Hamburg-Nord zu tun – wegen einer Baumaßnahme. Hass führt die Geschäfte des Winterhuder Goldbekhauses. Es existiert seit fast 40 Jahren und ist mit seinem breiten Angebot, einem Dutzend fest angestellten Mitarbeitern und zwei Veranstaltungssälen eines der etabliertesten und größten Stadtteilkultzentren der Stadt.
Institutionelle Förderung der Kulturbehörde
Das Goldbekhaus ist wie der Dachverband Stadtteilkultur ein eingetragener Verein. Bis Mitte März hatte das Goldbekhaus Einnahmen aus Veranstaltungen, Vermietungen und Kursen. Bis auf einen Aquarell- und Mal-Workshop, den ein Kursleiter mit den Teilnehmern per Video-Chat abhält, sei alles ausgesetzt, sagt Hass. Kooperationen mit Kitas und Schulen liegen ebenfalls auf Eis, weil auch die seit Wochen dicht sind.
Für das erste Quartal sei er noch im Soll, auch mit der institutionellen Förderung der Kulturbehörde (475.000 Euro für 2020) kann Hass planen, dazu kommen 40.000 Euro aus dem Quartiersfonds. Bis Jahresende muss das Goldbekhaus bei einem Budget von 1,2 Millionen Euro aber etwa 700.000 erwirtschaften. Und solange das verpachtete Lokal am Kanal dicht ist, fehlen auch dessen Einnahmen.
Kulturpalast Hamburg finanziert sich zu 75 Prozent aus Einnahmen und Spenden
Weil zudem die umsatzstarken Flohmärkte auf dem Hof bis September, wenn überhaupt, nur mit Abstandsregelungen oder Besucherbeschränkung stattfinden, bleibt Hass trotz des Hilfspakets der Kulturbehörde skeptisch: „Es könnte uns im Herbst eine harte Bugwelle treffen, wenn bis dahin die Einnahmen fehlen“, sagt der Geschäftsführer. Da ist der geplante neue Podcast – origineller Titel „Goldbekkanal“ – mit beantragten knapp 2000 Euro aus dem Hilfspaket nur ein kleiner Anker. „Je höher der Anteil der Eigeneinnahmen, desto gefährdeter sind die Zentren“, meint Hass.
Der Kulturpalast Hamburg in Billstedt finanziert sich sogar zu 75 Prozent aus Einnahmen und Spenden. Der erst 2017 renovierte und erweiterte Bau ist längst über den Stadtgrenzen hinaus für seine Arbeit mit den Klangstrolchen und der HipHop Academy bekannt, hat mit dem „Kronensaal“ (500 Sitzplätze, bis 850 Stehplätze) und dem Musikclub Bambi Galore (für Hip-Hop und Heavy Metal) auch national und international gefragte Kapazitäten. „Etwa 80 Veranstaltungen haben wir für dieses Jahr schon absagen müssen“, bedauert Intendantin Dörte Inselmann. Außerdem das für den 20. Juni geplante neu konzipierte Stadtteilfest „BilleVue“ in Kombination mit dem 40. Jubiläum des Kulturpalastes. „Im nächsten Jahr feiern wir dann 40plus“, hofft die umtriebige Leiterin.
Weitere Hoffnung
Eine weitere Hoffnung: Der Kulturpalast ist seit 2013 als Stiftung organisiert. „Das bringt uns eine gewisse Stabilität, so können wir auch Kredite aufnehmen“, sagt Inselmann. Projekte, die sich aus dem Stadtteil-Hilfspaket ergeben könnten, hat sie noch nicht im Blick.
Stattdessen hat der Kulturpalast bereits das Programm „Power Donation“ für insgesamt 3500 geförderte Klangstrolche-Kids und die Jugendlichen der HipHop Academy gestartet. Mit Spenden per SMS oder online soll den jungen Musikern und Tänzern auf digitalem Weg Kultur nach Hause gebracht werden, auch die etwa 70 Dozenten sollen so unterstützt werden. Inselmann: „Deren Lage ist prekär.“ Für die ausgezeichneten Klangstrolche und die HipHop Academy hat sie indes Signale für eine separate Unterstützung aus der Kulturbehörde empfangen. Diese Initiativen, oft „Leuchtturm-Projekte“ genannt, reichen schließlich weit über die übliche Stadtteilkulturarbeit hinaus.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden