Hamburg. Das Epos „Die Enden der Parabel“ als Hörspiel und auf CD. Zu den Sprechern gehören Bibiana Beglau und Thomas Thieme.

„Ich frage mich alle 100 Seiten: warum, zum Teufel, lese ich das?!“, schreibt ein Besucher der Literaturliebhaber-Seite Lovely Books im Internet. Bei einem anderen heißt es: „Nach etwa 500 Seiten hatte ich Kopfschmerzen. Aber ich fühlte mich seltsam beglückt.“ Tja, Thomas Pynchons 1973 veröffentlichtes, fast 1200 Seiten starkes Opus magnum „Die Enden der Parabel“ ist wahrlich kein Leichtgewicht. Schon viele sind daran gescheitert, den Stoff zu durchdringen, der Roman gehört wie James Joyces „Ulysses“ und Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ zum Kanon der weithin ungelesenen Meisterwerke.

Wobei die Lage im Fall von Thomas Pynchon besonders speziell ist. Bei dem 1937 auf Long Island geborenen Autor handelt es sich um ein Mysterium: Nach seinem Militärdienst und einem Studium an der Cornell University, verschwand er Anfang der 60er-Jahre vollkommen aus der Öffentlichkeit, es existieren nur ein paar Jugendfotos von ihm. Bisweilen wurde gar spekuliert, es gebe ihn gar nicht, sein Name sei ein Pseudonym von J. D. Salinger („Der Fänger im Roggen“). Sogar bei den „Simpsons“ war Thomas Pynchon schon Thema: als Autor mit Papiertüte über dem Kopf.

CD-Edition erscheint bei Hörbuch Hamburg

Inzwischen ist klar: Pynchon lebt, und zwar in New York. Kontakt zu ihm aufzunehmen ist allerdings nahezu unmöglich. Das musste auch Manfred Hess, Hörspiel-Chefdramaturg beim SWR, feststellen, der seit Jahren davon träumte, „Die Enden der Parabel“ ins Radio zu bringen. Immer wieder wurden seine Anfragen zurückgewiesen, bis im Januar 2016 eine grundsätzliche Zusage von Pynchons Ehefrau, die auch seine Agentin ist, kam. Allerdings mit klaren Vorgaben: An der deutschen Übersetzung von Elfriede Jelinek und Thomas Piltz durfte – abgesehen von notwendigen Kürzungen – für das Hörspiel nichts verändert werden, die obszönen Passagen mussten erhalten bleiben, für die etwa 100 Songs, die Teil des Buches sind, verweigerte Pynchon die Rechtefreigabe. Für Hess und Regisseur Klaus Buhlert, der auch schon „Ulysses“, „Moby Dick“ und Kafkas „Schloss“ als Hörspiel inszeniert hatte, hinnehmbare Bedingungen.

Das Ergebnis ist ein 14-stündiges Mammutwerk, das im Radio auf SWR2 am 17. April zwischen 20.03 und sechs Uhr sowie am 18. April zwischen 20.03 und vier Uhr ausgestrahlt wird. Der Deutschlandfunk sendet portionsweise vom 18. April bis zum 5. Mai. In der SWR2-App ist der Stream bis 26. April verfügbar, die CD-Edition erscheint am 24. April bei Hörbuch Hamburg.

Literaturkritiker Denis Scheck ist für Zwischenmoderationen zuständig

Zu den Sprechern zählen Bibiana Beglau, Golo Euler, Franz Pätzold, Thomas Thieme und Jens Harzer; für Zwischenmoderationen, die das Geschehen einordnen, ist Literaturkritiker Denis Scheck zuständig. Der sagt über den Roman: „Wer literarische Wellness sucht, der suche woanders.“ Ein „Achttausender der Gegenwartsliteratur“ erklimme sich eben nicht so leicht, er verlange dem Leser (bzw. Hörer) alles ab. Tatsächlich macht schon eine rudimentäre Inhaltsangabe deutlich, dass hier an Komplexität kein Mangel besteht.

Erzählt wird eine Art Spionagethriller mit etwa 400 Personen, der während und kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielt. Es geht um die Jagd nach Bauplänen der V2-Rakete, um pawlowsche Konditionierung, sadomasochistischen Sex und paranoide Wahnvorstellungen, um rechtsfreie Räume und spiritistische Erfahrungen. Neben Peenemünde, Berlin und Los Angeles ist auch die Lüneburger Heide Ort der Handlung. Ein Roman über eine Welt in Aufruhr – und damit hoch aktuell.

Eine bessere Gelegenheit, in diese Wahnsinnswelt einzutauchen, hat es wohl noch nie gegeben.