Hamburg. Vom NDR Elbphilharmonie Orchester bis zu Johannes Oerding, von der Lesung bis zum Theaterstück: Das Angebot ist riesengroß.

Das kulturelle Angebot im Netz war schon immer unkonsumierbar übergroß. Mehr Filme, Musik, Bücher, als man beim besten Willen nutzen konnte. Doch das Coronavirus hat alles geändert; es ist eine Mischung aus Kre­ativität, Notwehr und Verzweiflung, die nun versucht, die dramatischen Lücken zu schließen und existenzielles Trostpflaster zu sein. Beidseitig klebend.

Live-Konzerte finden nicht mehr statt, die Erinnerung an Applaus, umgeben von anderen, verblasst bereits. Das Wohnzimmer wird nun – allerdings nur auf der überschaubaren Fläche eines Bildschirms – zum Konzertsaal, zum Club, zum Theater, zum Kino, zur Bibliothek wider Willen. Neben den bisherigen Angeboten machen überall, in allen Genres Künstlerinnen und Künstler auf sich aufmerksam. Es gibt mich noch, es gibt uns noch! Vergesst uns nicht! Bei manchen kann man dafür bezahlen. Das ist gut so und wichtig. Alles hilft.

Mittel gegen das Rauschen im Kopf

Große Formate, mit vielen Mitwirkenden auf einer Bühne, sind – niemand weiß, bis wann – ein Ding der Unmöglichkeit; diejenigen Opernhäuser und Konzertsäle, die es sich leisten konnten, haben gut gefüllte Archive, die sie nun öffnen und erneut versenden können. Kleineres geht, halbwegs, irgendwie. Das beginnt mit dem einzelnen Musiker, der nicht nur für das virtuelle Publikum auf der anderen Seite vom WLAN spielt, sondern auch, vielleicht sogar vor allem: für sich. Gegen all das anspielend, singend, lesend, was gerade vor der Tür passiert, vor die man gerade nur noch für das Nötigste soll. Diese Angebote sind ihre Mittel gegen das Rauschen im Kopf.

Was nun passiert, ist keine Einbahnstraße, obwohl ein unverzichtbarer Bestandteil des Gemeinschaftserlebnisses Kultur fehlt: die direkte, unmittelbar fühlbare Anwesenheit von Publikum. Die Vereinbarung, sich instinktiv wahrzunehmen, die Spannung, die Freude, das Enttäuschtsein womöglich auch, wenn etwas live misslingt – all das ist inkompatibel zu jedem Browser, jedem Betriebssystem, jeder App. Nur Beifall geht ins Blut wie Beifall. Wir haben eine erste Nervennahrung-Ration zusammengestellt, Angebote aus vielen Sparten, international, regional. Womöglich mit Überraschungen aus Genres, von denen man bisher nicht wusste, dass sie einem gefallen würden. Das machen wir von nun an in einer täglichen Rubrik.

Elbphilharmonie

Was? Das NDR-Orchester und Alan Gilbert mit Brahms’ 3. Sinfonie, Weberns „Im Sommerwind“ und Bergs Violinkonzert mit dem Geiger Frank Peter Zimmermann.

Warum? Weil Brahms’ Musik in Hamburg immer ein Grundnahrungsmittel fürs Gemüt ist. Weil Weberns idyllisches „Im Sommerwind“ (1904) eine Überraschung für alle sein wird, die ihn wegen seiner späteren Zwölftonmusik pauschal für unanhörbar oder sogar unerträglich halten. Weil dieses Stück zum Frühling passt, der nun kommt, trotz alledem.

Wie oft? Bis 2. März 2021 unter der Adresse www.elbphilharmonie.de

Kostenlos? Ja.


Sven Walser und das Ernst Deutsch Theater

Wer? Sven Walser und das Ernst Deutsch Theater

Was? Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ in täglichen Portionen

Warum? Nicht, weil die Hauptfigur Hans Castorp aus Hamburg kommt. Sondern weil dieser Roman nicht nur von Krankheit erzählt und was sie aus Menschen macht, sondern auch von einer Reifeprüfung.

Wie oft? Von diesem Freitag an täglich 20 Minuten, beginnend um 16.30 Uhr auf www.ernst-deutsch-theater.de und dessen Accounts bei Facebook und Instagram.

Kostenlos? Ja.


Bühnenwelt

Wer? „Bühnenwelt“

Was? Ein YouTube-Themenkanal, auf dem Klassiker-Inszenierungen von großen Bühnen abrufbar sind, von Friedrich Schillers „Maria Stuart“ am Thalia bis zu Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“. Und wer bei einer „Faust“- Probe mit Peter Stein zusehen möchte – auch das gibt es dort.

Warum? Weil manche Theaterstücke zeitlos gut sind.

Wie oft? Unbegrenzt.

Kostenlos? Ja.


Igor Levit

Wer? Pianist Igor Levit, jeden Abend auf Twitter (@igorpianist)

Was? Klaviermusik, meistens aus Levits Berliner Wohnung. Bislang vor allem Beethoven, aber das muss und wird sicher nicht so bleiben.

Warum? Weil das Leben ohne Klaviermusik möglich ist, aber sinn­ärmer. Und weil Menschen auf der ganzen Welt das auch so sehen und gerührt und froh dabei sind, egal, wie die Tonqualität des Streams ist. Nicht nur für alle, die Beethoven schon zu kennen glauben.

Wie oft? Jeden Abend, gegen 19 Uhr

Kostenlos? Ja.


Theater an der Wien

Wer? Theater an der Wien, 20.3., 19 Uhr

Was? Christoph Waltz’ Inszenierung von Beethovens „Fidelio“, ein Mitschnitt aus dem Probenmaterial, da die Premiere ausfiel. Manfred Honeck dirigiert und Nicole Chevalier, ein Star aus Mozarts „Idomeneo“ von Currentzis und Sellars bei den letzten Salzburger Festspielen, singt die Leonore.

Warum? Beethovens Oper thematisiert Freiheitswillen, Mut, Toleranz und Menschlichkeit. Und „Fidelio“ ist die einzige Oper von Beethoven. Und wurde 1805 in genau jenem Theater uraufgeführt, in dem sie nun Waltz inszenierte. Schon das sollten Gründe genug sein.

Kostenlos? Die „Aufführung“ ist auf www.medici.tv abrufbar, für 9,90 Euro monatlich, jederzeit kündbar.


Jasmin Schreiber und Benjamin Maack

Wer? Jasmin Schreiber und Benjamin Maack, heute, 20 Uhr, auf www.twitch.tv/lavievagabonde

Was? Eine Lesung aus ihren Büchern „Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein“ und „Marianengraben“, danach reden der Hamburger Autor und seine Kollegin über das beide Bücher verbindende Thema Depressionen.

Warum? Geteiltes Leiden kann auch halbiertes Leiden sein.

Wie oft? Live ist live, danach ist das Video vorbei, wie jede reguläre Lesung.

Kostenlos? Eintritt zahlen über einen PayPal-Link ist möglich. Und richtig. Wer sich auf Twitch registriert, kann im Chat Fragen stellen und diskutieren.


Tiny Desk Concerts

Wer? Tiny Desk Concerts

Was? Der Name ist Programm: Musiker und Bands quetschen sich in den Büros des US-Hörfunknetzwerks „National Public Radio“ zwischen knallvolle Schreibtische und Regale und geben etwa 15-minütige Kurzkonzerte.

Warum? Weil alle Richtungen vertreten sind, von Coldplay bis Jazz und Soul, von Rappern bis zum Cellisten Yo-Yo Ma, der Bach spielt.

Wie oft? Seit 2008, das Vorrats-Sortiment ist also entsprechend groß.

Kostenlos? Ja.


L Devine

Wer? L Devine

Was? Die britische Popmusikerin („Boring People“) macht eine „URL Tour“ durch die Social-Media-Plattformen, heute ist sie auf Twitter, zu finden unter @ldevinemusic.

Warum? Die Tournee ist abgesagt, doch die Show soll weitergehen.

Wie oft? Bis Ende März.

Kostenlos? Ja.


Wohnzimmer-Festival

Wer? Johannes Oerding, Lotte, Max Giesinger und viele mehr.

Was? Das #wirbleibenzuhause-Festival

Warum? Weil gute Musik bei vielen Künstlern im Wohnzimmer entsteht. So hören wir Mathea, Michael Schulte, Lotte, Nico Santos, Álvaro Soler, Max Giesinger, Lea und Johannes Oerding nicht nur zu, sondern erfahren auch, wie die jeweils so hausen. Das verspricht interessante Einblicke.

Wie oft? Am 22. März, 18 bis 22 Uhr auf Instagram, #wirbleibenzuhause

Kostenlos? Ja.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen