Hamburg. Mit Dirigent Sylvain Cambreling auf Gastspiel-Reise in Abu Dhabi. Die Symphoniker setzen einen Programmpunkt bewusst.
Ihre nächsten Konzerte geben die Symphoniker Hamburg in Abu Dhabi. Ein westliches Sinfonieorchester spielt in Arabien? Das dürfte selbst angesichts des globalen Kulturkarussells manchem erstaunlich vorkommen. Dabei hat es Zeiten gegeben, in denen der Orient kulturell auf selbstverständliche Weise mit dem Westen verbunden war.
In Abu Dhabi gab es in dieser lang vergangenen Epoche allerdings hauptsächlich feinen weißen Sand. Das größte der Vereinigten Arabischen Emirate hat sich erst seit den 70er-Jahren infolge des Ölbooms seinen Platz auf der politischen und noch viel später auch auf der kulturellen Weltkarte erobert. Das Herrscherhaus importiert an westlicher Kunst, was es kann; die Eröffnung des Louvre Abu Dhabi als Dépendance des berühmten Pariser Museums im Herbst 2017 fand weltweit Beachtung.
Sylvain Cambreling dirigiert bei den Abu Dhabi Classics
Nun also gastieren die Hamburger Musiker mit ihrem Chef Sylvain Cambreling bei den Abu Dhabi Classics. Die Reihe präsentiert westliche Künstler in der Cultural Foundation, einem der zahlreichen Prachtbauten. Platz geben sie dort so großzügig aus wie kostbare Materialien und Strom fürs Klimatisieren.
Wie die Veranstalter darauf kamen, Cambreling und die Seinen einzuladen, wisse er nicht, bekennt der Dirigent im Gespräch. „Die Veranstalter haben sich an den Intendanten Daniel Kühnel gewandt, und er sprach mit mir über das kommende Gastspiel“, erzählt er. „Ich war noch nie dort und noch nie in einem arabischen Land, nur einmal vor 20 Jahren als Tourist in Ägypten.“
Was die Hamburger Symphoniker in den Emiraten spielen
Auf dem Programm stehen ein Kammerkonzert sowie einen Abend später ein Open-Air-Auftritt vor dem Herrscherpalast mit Brahms’ „Nänie“ über einen Text von Schiller sowie – ausdrücklicher Wunsch der Veranstalter – Beethovens Neunter. Nach Auskunft des Symphoniker-Intendanten Daniel Kühnel wird es die erste Aufführung von Beethovens Neunter „in diesem Teil der Welt“, wie groß man diesen Teil auch immer fassen mag.
Nun hat die gastfreundliche, verschwenderisch großzügige Seite des Landes ihre dunkle Rückseite. Abu Dhabi ist eine Monarchie, und um die Meinungsfreiheit ist es nach Berichten von Amnesty International eher schlecht bestellt. Da hat die Aufführung eines so explizit von dem Gedanken einer schrankenlosen Verbrüderung geprägten Werks per se einen politischen Beigeschmack.
„Beethovens Botschaft: Wir sind alle Brüder, die trifft ja leider nicht auf der ganzen Welt zu“, sagt Cambreling. „In ,Nänie‘ heißt es: ,Alles Schöne muss sterben‘. Ich weiß nicht, wer ins Konzert kommen wird, aber ich möchte glauben, ich will glauben, ich glaube, dass die Trauer darüber, dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt, überall auf der Welt eine Bedeutung hat.“