Hamburg. Die Hamburger Literaturpreise wurden erstmals unter diesem Namen vergeben. Ein Preisträger ragte heraus.

„Nein“ hat er, trotz hinlänglicher und ausdauernder verbaler Vorbereitung seiner Eltern einfach gesagt. Saša Stanišićs bald fünfjähriger Sohn wollte dann, so erzählte es der Autor, eben doch nicht an diesem Abend mit ins Literaturhaus kommen, wo Papa einen Preis erhielt. Noch einen, muss man wohl sagen, vielleicht langweilt den Junior das ja schon. Im Oktober schließlich gab’s den Deutschen Buchpreis für Vaddern, diesmal: den Hamburger Literaturpreis, in der erstmals vergebenen Kategorie „Hamburger Buch des Jahres“.

Schmissiger Titel! Was ja auch für das glorreiche Buch gilt, um das es mal wieder ging, um „Herkunft“ also. Vom Kultursenator, der das Werk sehr zu Recht „das literarische Ereignis des Jahres“ nannte, wurde Stanišić ausdrücklich und überbordend gelobt. Logisch: Carsten Brosda (SPD), bekanntlich einer der besten Rhetoriker des Hamburger Senats, hielt die Laudatio auf den Schriftsteller, der seinem Sohn hernach nicht nur von den verbalen Girlanden des Senators berichten konnte. Sondern auch vom Spaß am Unperfekten. Die Hamburger Literaturpreise sind neu aufgestellt worden. Oder anders ausgedrückt: Alter Wein in neuen Schläuchen, powered by Kulturbehörde – wie immer wurde neben dem Rebensaft auch Laugengebäck gereicht, die Behörde ließ sich da noch nie lumpen. Deren Präses, der Senator, dürfte zufrieden sein mit dem, was sein Literaturreferat zuletzt geleistet hat. Antje Flemming und Jürgen Abel haben die verdienstvollen, seit knapp 30 Jahren existierenden Hamburger Förderpreise umsortiert und schärfer profiliert. Das Stipendienprogramm für Autoren und Übersetzer ist nun aus der prosaischen „Förder“-Ecke raus, die insgesamt elf Preise werden nun offiziell in verschiedenen Kategorien vergeben.

Generalüberholter Preis

Was eine größere Preis-Streuung in die literarischen Disziplinen garantiert und ein insgesamt smarteres Prozedere. „Roman“, „Erzählung“, „Lyrik – Drama – Experimentelles“, „Kinder- und Jugendbuch“, „Comic“ – das sind die Felder, in die künftig unterschieden wird. Weil zu jeder anständigen Preisverleihung eine Leinwand zur medialen Duplizierung der Message gehört, hatte man sich auch einen 30-Sekunden-Spot mit einem flotten Kategorien-Wuuuuusch (also einer emblematischen optischen Einführung der Teilbereiche) bestellt. Unter Applaus und Gelächter klappte dessen Einspielung dann beim gefühlt 87. Versuch. Wie gesagt: manches genau richtig unperfekt hier und immer charmant.

Die Verleihung ist wegen der umfangreichen Preispalette seit jeher eine knapp dreistündige Angelegenheit – und damit deutlich zu lang für Fünfjährige, wird sich Stanišić mit Blick auf das Söhnchen spätestens zur Halbzeit gedacht haben. Nun, eine Hechelei durchs literarische Gelände ist die ganze Chose immer noch, noch mehr als vorher. Aber es ist weiterhin ganz herrlich bei diesem jährlichen Klassentreffen der Hamburger Schreibschule, das stets aus allen Nähten platzt. Man könnte die Würdigung der Jahrgangsbesten künftig durchaus splitten. Mit einer ausführlichen Lesung im Literaturhaus erst nach der Gala an einem anderen, großzügiger bemessenen Ort. Überlegungen in diese Richtung gibt es.

Saša Stanišic gewann 2015 einen Hamburger Förderpreis

Der Leseteil, in dem jede Autorin und jeder Autor eine Kostprobe ihrer Texte gibt, ist auf zwei, drei Minuten heruntergedimmt worden, damit der jeweilige Urheber im anschließenden Gespräch ein weiteres Mal kurz und knapp ins Scheinwerferlicht gestellt werden kann. Die wackere Literaturreferentin Flemming moderierte den Abend und hatte auch für einen musikalischen Gegenpart zum gesprochenen Wort gesorgt. Die Hamburgerin Zara Akopyan („Ich schreibe alle Songs selbst“) war eine exzellente Wahl, und auch sonst steckte viel Liebe fürs Detail in der Veranstaltung. Auf der Leinwand wechselten Textexzerpte der Protagonisten einander ab, und der prominente Stanišić, der eine gewohnt flotte Dankesrede hielt („Liebes Hamburg, drei Bücher habe ich in Dir geschrieben, nie hast Du es mir schwer gemacht“), war dabei ein Gleicher unter Gleichen. Vor vier Jahren hatte er noch selbst einen Förderpreis erhalten.

Gemeinsam mit Katrin Seddig übrigens, die diesmal wieder mit dabei war – sie gewann wie Tamar Noort bei den Romanen. In der Kategorie „Erzählung“ wurden Sven Lenz und Julia Ditschke ausgezeichnet, Ulrike Syha schrieb in den Augen der Jury das beste Drama. Die Auszeichnung für das Kinder- und Jugendbuch ging an Cornelia Franz, Karina Tungari gewann den Comic-Preis. Übersetzerpreise gingen an Dagmar Mißfeldt, Britt Somann-Jung und Claudia Steinitz.