Hamburg. Sie war Lehrerin und promovierte über Bertolt Brecht: Kirsten Boie ist erst die fünfte Frau, die Hamburger Ehrenbürgerin wird.
Es ist die höchste Auszeichnung, die die Freie und Hansestadt zu vergeben hat. Sie wird einer Person zuerkannt, wenn sie sich in besonderem Maße um Hamburg verdient gemacht hat. Im Falle der neuen Hamburger Ehrenbürgerin Kirsten Boie wird nun auch die Kinder- und Jugendliteratur ins Licht gerückt – und mit ihr Boies Einsatz für die Leseförderung nicht nur in Hamburg.
Der Hamburger Senat beschloss am Dienstag, der 69-jährigen Hamburgerin in „Anerkennung ihres Wirkens und aufgrund ihres langjährigen, nachhaltigen und persönlichen Engagements für die Stadt Hamburg“ auf Vorschlag des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) die Ehrenbürgerschaft zu verleihen.
Hamburger Ehrenbürger: eine prominente, aber kleine Liste
Der bislang letzte, dem diese Ehre zuteilwurde, ist der Unternehmer Michael Otto. Er wurde 2013 Hamburger Ehrenbürger. „Kirsten Boie ist eine außergewöhnliche Schriftstellerin“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher am Dienstag. Seit mehr als 30 Jahren präge sie die Kindheit junger Leser mit Geschichten, „die begeistern, bewegen und zum Nachdenken anregen. Ihre Bücher geben Kindern Orientierung beim Erwachsenwerden und den Mut, auch in schwierigen Situationen an sich selbst zu glauben.“
Ihr Engagement für die Leseförderung in Hamburg und in Deutschland verbinde sie zudem in besonderer Weise mit dem Ziel des Hamburger Senats, Kindern durch frühe Sprachförderung, Lesen und Lernen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Tschentscher: „Kirsten Boie ist eine herausragende Hamburger Persönlichkeit.“
Wenn die Hamburgische Bürgerschaft offiziell zugestimmt hat, soll die Ehrenbürgerwürde mit einem Festakt an Boie im Rathaus verliehen werden.
Im Jahr 2018 initiierte Kirsten Boie die Petition „Jedes Kind muss lesen lernen“. Die sogenannte Hamburger Erklärung haben mittlerweile fast 120.000 Menschen unterschrieben.
Kirsten Boie promovierte über Bertolt Brecht
Boie wurde 1950 in Hamburg geboren, studierte dort Deutsch und Englisch auf Lehramt, bevor sie über Bertolt Brecht promovierte. Sie unterrichtete am Gymnasium Oldenfelde in Rahlstedt und anschließend an der Gesamtschule Mümmelmannsberg. Boie quittierte 1983 den Schuldienst nach der Adoption ihres ersten Kindes und wurde Kinder- und Jugendbuchautorin. Ihr erstes Buch „Paule ist ein Glücksgriff“ erschien zwei Jahre später.
Danach wurde Boie zu einer der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren Deutschlands. Sie hat rund 100 Bücher veröffentlicht, darunter die Reihe „Wir Kinder aus dem Möwenweg“ und „Der kleine Ritter Trenk“. Zahlreiche ihrer Werke sind in viele weitere Sprachen übersetzt worden.
Die Hamburger Ehrenbürgerschaft ist bei Weitem nicht ihre erste Auszeichnung: So erhielt Boie 2011 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. 2007 wurde ihr der Deutsche Jugendliteraturpreis und 2008 der Große Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zuerkannt.
Ehrenbürgerin Die Reaktionen
Mit großer Freude nahmen Hamburgs Politiker die Nachricht der neuen Ehrenbürgerin auf. „Ich bin begeistert“, sagte Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. „Mit Kirsten Boie erhält eine Frau die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg, die aus der Mitte der Gesellschaft heraus mit ihrem ehrenamtlichen Engagement Zeichen setzt.“ Sie sei eben nicht nur eine großartige Kinderbuchautorin, sondern auch eine „bodenständige Hamburgerin, die die Ärmel hochkrempelt und in vielen sozialen Projekten mitmischt“, so Tjarks.
„Kirsten Boie ist eine würdige Ehrenbürgerin Hamburgs“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll, „ihre zahlreichen Auszeichnungen und Preise sprechen für sich.“ Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sagte: „Spielerisch ernste Themen und Probleme im Zusammenleben zu verhandeln gelingt ihr auf einzigartige Weise. Ihre Bücher finden sich in vielen Kinderzimmern – auch bei uns zu Hause.“
Auch Schriftsteller Siegfried Lenz wurde Ehrenbürger
Ehrenbürger sind derzeit die Unternehmer Michael Otto und Hannelore Greve sowie Ballettchef John Neumeier und HSV-Legende Uwe Seeler. Zu den früheren Ehrenbürgern, die bereits gestorben sind, zählten unter anderem Otto von Bismarck, Johannes Brahms und Siegfried Lenz. Seit 1813 wird die Auszeichnung an Menschen verliehen, die sich um Hamburg verdient gemacht haben.
Unter den 35 Ehrenbürgern waren bislang nur vier Frauen: Theaterleiterin Ida Ehre (1900–1989), Publizistin Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002), Naturschützerin Loki Schmidt (1919–2010) und Mäzenin Hannelore Greve. Mit Kirsten Boie kommt nun eine fünfte Frau hinzu. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass als Nächstes eine Frau die Ehrenbürgerschaft verliehen bekommt.
Kirsten Boie: Die wichtigsten Bücher
Kirsten Boies Werk, das fast komplett im Hamburger Oetinger Verlag erscheint, besteht u. a. aus mehreren Reihen, deren bekannteste wohl „Wir Kinder aus dem Möwenweg“ ist. Sie wurde zudem in 52 Episoden im Kinderkanal als Zeichentrickserie gezeigt.
Auch „Der kleine Ritter Trenk“ wurde zur Zeichentrickserie. Ebenfalls beliebt sind die „King-Kong“-Reihe sowie „Juli“, „Lena“, „Albert“ und „Linnea“.
Zu den bekanntesten Einzeltiteln zählen „Erwachsene reden. Marco hat was getan“, „Nicht Chicago, nicht hier“ und „Monis Jahr“. Zuletzt erschienen die Titel „Ein Sommer in Sommerby“ (2018) und „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ (2019).