Hamburg. Auch auf „What’s My Name“ bleibt sich der Ex-Beatle treu: Keine Experimente, viele Kumpel und gute Laune sind zu hören.

Alle zwei Jahre erscheint ein neues Album von Ringo Starr, und es ist auch dieses Mal mit „What’s My Name“ das gleiche Spiel: Viele Kritiken beginnen mit mehr oder weniger liebevollen Rückblicken auf sein übersichtliches Talent als Schlagzeuger der Beatles. Also halten wir an dieser Stelle mal dagegen: Richard Starkey alias Ringo Starr war und ist einer der besten Schlagzeuger der Rockgeschichte. Punkt.

Wenige Drummer haben so songdienlich gespielt, ja, die Lieder an den Kesseln so mitkomponiert wie der jetzt 79-jährige „Boy“ aus Liverpool. Wo der kürzlich gestorbene Ginger Baker (Cream) oder Keith Moon (The Who) Songs auch einfach mal zerkloppt haben, hat Ringo nicht für sich, sondern für John Lennon, Paul McCartney und George Harrison gespielt. Und so kann man Lieder wie „In My Life“, „I Feel Fine“, „Ticket To Ride“, „Strawberry Fields Forever“, „A Day In The Life“ und „Come Together“ sofort erkennen, wenn man nur seine Schlagzeugfiguren hört. Selbst Profis scheitern gern an den Ideen des Linkshänders am Rechtshänder-Kit, während sich Ringo in den Tausenden Stunden der Aufnahmesessions und Konzerte kaum verspielt hat. Sein selbst geschriebenes „Octopus’s Garden“ war etwas hakelig und wird von ihm selten live gespielt, aber das ist eine Ausnahme.

Der Ex-Beatle mit dem harmoniebedürftigen Charakter

Bis heute ist Ringo der Mr. Understatement geblieben. Innovationen und Experimente blieben weitestgehend aus, das wäre zu extrovertiert und damit auch zu anstrengend für Ringos ebenso gemütlichen wie harmoniebedürftigen Charakter. Disco hat er wie jeder Rockmusiker mal in den 1970ern ausprobiert, verhob sich aber daran genauso wie Elton John. Alkohol und Drogen gab es auch viele Jahre reichlich, existenzielle und kreative Krisen, aber daran wuchs er (ebenso wie der eben genannte Elton John). Irgendwann hat Ringo einfach damit angefangen, die Finger zum „Peace & Love“-Zeichen zu spreizen und nie mehr damit aufgehört, es sei denn, er saß am Schlagzeug.

„Peace & Love“ taucht auch viermal auf Ringos 20. Platte „What’s My Name“ auf. Die Zeit bleibt stehen, als wäre erst ein Jahr seit seinem Solodebüt „Sentimental Journey“ (1970) vergangen. Etwas Country, etwas Honkey, etwas Tonkey, ein wenig Rock’n’Roll und „Beaucoups Of Blues“. Die zehn Lieder sind ein weiterer „Blast From Your Past“, wie ein Ringo-Album 1975 hieß. Ein Gruß aus der Vergangenheit.

Sehr deutlich ist das in zwei Songs zu hören: Den R&B-Klassiker „Money (That’s What I Want)“ von Barrett Strong hatten schon die Beatles 1963 gecovert, Ringo macht es einfach noch mal: „Wir wollten es machen, also haben wir es gemacht“, sagte Ringo im Interview mit „GQ“. So einfach.

Yoko Ono übergab Starr Demoaufnahmen von John Lennon

 Nie ohne Sonnenbrille und „Peace & Love“-Geste: Ringo Starr auf der Hülle seines neuen Albums „What’s My Name“.
 Nie ohne Sonnenbrille und „Peace & Love“-Geste: Ringo Starr auf der Hülle seines neuen Albums „What’s My Name“. © Universal | Universal

Eine noch sentimentalere Reise ist „Grow Old With Me“: Im Sommer 1980, kurz vor seiner Ermordung, schrieb John Lennon nach einem stürmischen Segeltörn zu den Bermudas das Lied „Grow Old With Me“, das aber nicht auf seinem letzten Album „Double Fantasy“ landete. 1994 übergab Yoko Ono den drei damals noch lebenden Beatles (George Harrison starb 2001) diverse Demoaufnahmen Lennons, aber erst dieses Jahr will Ringo die sogenannten „Bermuda Tapes“ gehört haben. Bevor Lennon am Klavier loslegte, sagte er: „Oh, das hier wäre gut für Richard Starkey. Das hier wäre großartig für dich, Ringo.“

Nun hat es Ringo letztendlich auch gesungen, begleitet am Bass und Mikro von Paul McCartney. Auch ein paar Streichertakte aus George Harrisons Beatles-Hit „Here Comes The Sun“ wurden eingebaut, damit die Fab Four mal wieder alle vereint sind. Eine nette Idee, die aber tatsächlich seit jeher zum Kanon vieler Soloalben von John, Paul, George und Ringo gehört. Besonders Ringo gefiel der Gedanke von „With A Little Help From My Friends“ immer wieder: „Paul war auf fünf oder sechs von meinen Alben, es ist ja nicht so, als hätte er nur einmal mit mir gespielt“, amüsierte er sich über das Echo, das die Verbindung Starr-McCartney erwartbar auslöste.

1974 bracht Starr zuletzt ein erfolgreiches Album raus

Aber dass „What’s My Name“ ähnlich gut ankommt wie letztes Jahr Pauls bemerkenswertes Alterswerk „Egypt Station“ (Platz eins in den USA), darf bezweifelt werden. „Goodnight Vienna“ (1974) war Ringos letzte erfolgreiche Platte, „Give More Love“ landete 2017 in den USA auf Platz 128, in Großbritannien im Nirgendwo. Aber als die Beatles-Songs 2015 für Streamingportale freigegeben wurden, erreichten sie innerhalb von zwölf Monaten über zwei Milliarden Zugriffe, und das ist weiterhin der Jahresschnitt der Fab Four bei Spotify, Apple Music und Co. geblieben. Auch in modernen Zeiten müssen Ringo und Paul nicht hungern. Von den 50. Jubiläen der Beatles-Alben, als letztes ist „Let It Be“ im Mai dran, ganz zu schweigen.

Entsprechend gelöst klingt Ringo auf „What’s My Name“ in Liedern wie „Thank God For The Music“, „Send Love Spread Peace“ und „Life Is Good“. Der Mann ist mit sich im Reinen, flankiert von guten Musikerfreunden, seinen All-Starrs: Paul McCartney, Edgar Winter, Dave Stewart, Joe Walsh (Eagles), Steve Lukather (Toto), Colin Hay (Men At Work) und Benmont Tench. Vielleicht diskutierte man zwischen den Sessions über den Brexit (Ringo stimmte dafür, Paul enthielt sich) oder neckte Ringos limitierte Sangeskünste. Aber es ist davon auszugehen, dass der ewige „Boy“ nie einen Mittelfinger, sondern seine „Peace & Love“-Finger als Geste entgegnete.

Ringo Starr: „What’s My Name“ Album (Universal) im Handel, www.ringostarr.com