Hamburg. Britische Bestsellerautor hat neuen Spionage-Roman geschrieben: In „Federball“ geht es um Agenten, Badminton und die Weltlage.
„Federball“ heißt der neue Roman von John le Carré in der deutschen Übersetzung. Das klingt nach unbeschwertem Sommerspaß in einem gepflegten englischen Garten, le Carré meint damit aber Badminton und das ist ein schweißtreibendes, nach strengen Regeln ausgetragenes Spiel. „Badminton ist List, Geduld, Tempo und eine unmögliche Aufholjagd… Unter uns Spielern herrscht wenig natürliche Geselligkeit und wir bleiben im Allgemeinen lieber für uns. Auf andere Sportler wirken wir ein wenig schrullig und eigenbrötlerisch“, beschreibt der Ich-Erzähler Nat den Sport. Vieles, was das olympische Federballspiel auszeichnet, gilt auch für Spione.
Nat ist trotz seiner 47 Jahre nicht nur immer noch der beste Badminton-Spieler in Süd-London, er ist auch ein Agent des britischen MI-6, allerdings kurz vor dem Ruhestand. „Agent Running In The Field“ hat Le Carrés seinen Roman im Original genannt, also gewissermaßen „Agent im Außendienst“. Nat ist nach vielen Jahren im Ausland zu seiner Frau Prue nach London zurückgekehrt, als er einen letzten Auftrag erhält. Russische Agenten und Oligarchen werden in Großbritannien immer bedrohlicher, Nat soll einem besonders mächtigen Russen das Handwerk legen.
Aktuelle Politik spielt in John le Carrés „Federball“ eine wichtige Rolle
Badminton durchzieht den aktuellen Thriller von Le Carré wie ein roter Faden. Nat hat in Turnhallen schon Agenten rekrutiert, er hat sich mit Freunden und Gegnern duelliert, so wie er es jetzt fast jeden Montag mit dem jungen Ed macht. Ed ist ein exzellenter Spieler, aber ein politischer Hitzkopf, der sich nach den Matches bei Bier und Oliven mit kritischen Bemerkungen über die Mächtigen der Welt nicht zurückhält. Er glaubt, dass die USA unter Trump in einen Neofaschismus hineinschlittern, den US-Präsidenten bezeichnet er als „Steigbügelhalter Putins“. Aktuelle Politik spielt in „Federball“ eine wichtige Rolle. Le Carré macht durch seinen Protagonisten Nat deutlich, was er vom Brexit hält: Er bezeichnet den Ausstieg der Briten aus der EU als „blanken Irrsinn“. Ed geht sogar noch weiter: „Der Brexit ist Selbstmord. Die britische Öffentlichkeit wird von einem Haufen reicher, elitärer Schwindler, die sich als Männer des Volkes gerieren, über die Klippe gescheucht. Trump ist der Antichrist, Putin ebenfalls.“
Wie in Genre-Romanen üblich, gibt es auch in „Federball“ eine Reihe konspirativer Operationen, es geht um Spionage und Gegenspionage, um Doppelagenten und Verrat, um Eifersüchteleien und Intrigen innerhalb der verschiedenen Dienste. Und Nat befindet sich mitten drin in diesem Strudel, dem er eigentlich entkommen will. Doch dann ist wieder dieses besondere Jagdfieber da und das Gefühl, es jüngeren Vorgesetzten noch einmal zeigen zu wollen.
Spannender Krimi: Story von „Federball“ schlägt verschiedene Volten
Bei seiner Arbeit stößt er auf eine Operation namens „Jericho“. Niemand will ihm sagen, was es damit auf sich hat. Durch energisches Nachbohren stößt Nat auf ein Komplott, dass die EU aus den Angeln heben soll, ganz im Sinne aller Brexit-Befürworter.
Die Story von „Federball“ schlägt verschiedene Volten, wie es sich für einen guten Spionageroman gehört und die hier nicht verraten werden sollen. Le Carré glänzt erneut als sprachgewandter Erzähler, dem besonders die genaue Beschreibung seiner Figuren sehr gut gelingt. Beim Lesen werden sie plastisch wie die Nachwuchsspionin Florence, deren Augen „groß, braun und ohne jeden Hauch von Humor“ sind. Auch die detaillierte Beschreibung von Interieurs führt dazu, dass der Roman vor dem inneren Auge wie ein Film abläuft. Gespenstisch ist zum Beispiel die Beschreibung einer Reise, die Nat ins tschechische Karlsbad führt, wo er einen ehemaligen Doppelagenten trifft, der dort in einem extrem gesicherten Schloss residiert. Auch Überwachungsszenarien werden minutiös geschildert.
John le Carrés Welt wird immer chaotischer
Immer wieder lässt Le Carré den Leser zudem am Privatleben von Nat und seiner Frau teilnehmen. Man erfährt viel über ihr Eheleben und die Sorgen um ihre Tochter. Dadurch nimmt Le Carré zuweilen etwas Spannung aus dem Thriller, um anschließend mit der nächsten Überraschung aufzuwarten. Vorhersehbar ist in der Welt der Spione nichts, trauen kann man niemandem, das Fundament, auf dem die Figuren agieren, wackelt.
John le Carré, inzwischen 88 Jahre alt, zeigt in „Federball“ eine Welt, die immer chaotischer wird, weil sie von Politikern wie Trump, Putin und Boris Johnson beherrscht wird, die ihr Geschäft mit Lügen vorantreiben. Le Carrés Weltsicht ist pessimistisch, doch die Hoffnung scheint er nicht aufgegeben zu haben. Immerhin gibt es in „Federball“ eine ganze Reihe von Idealisten, die das Richtige wollen, auch wenn sie zuweilen das Falsche tun. Am Ende bleibt immer noch ein Badminton-Spiel – das enthält einen klaren Kodex.