Hamburg. Der Hamburger Komödiant kam zur Filmvorführung in Altona. Aber ist sein Co-Star Lars Eidinger wirklich so „günstig“?

In einer bemerkenswerten Szene von Markus Gollers Spielfilm „25 km/h“ beklagt sich der von Bjarne Mädel gespielte Tischler Georg, dass ihm irgendwie der natürliche Charme fehle. Und sein von Lars Eidinger gespielter Bruder Christian versucht, ihm diese Selbstzweifel auszureden: „Du bist ein ganzes Fass voll natürlichem Charme!“ Womit er natürlich recht hat, jedenfalls schafft es Georg mit seinem Charme in der Folge, die Dorfschönheit Ute (Franka Potente) ins Bett zu bekommen, während sich Christian mit einem keuschen Gute-Nacht-Kuss ihrer Freundin (Alexandra Maria Lara) begnügen muss.

Man sollte Schauspieler nicht mit ihren Rollen verwechseln, aber das Bild vom Fass voll Charme passt perfekt auf Mädel, und ohnehin lebt „25 km/h“ mehr von der Präsenz seiner Hauptdarsteller als dass das Drehbuch hier wahnsinnig raffinierte Figuren entwickeln würde. Also schlurft Mädel als Charmefass auf die Bühne im Innenhof des Altonaer Rathauses, um „25 km/h“ beim Zeise Open Air vorzustellen, schluffig, gut gelaunt, charmant. „Moin!“, ruft der 51-Jährige und stellt so klar, dass er trotz Berliner Wohnsitz all das verkörpert, was Hamburg ausmacht: stoische Coolness, freundliche Ironie, sanfte Unaufgeregtheit. Außerdem trägt er einen Hoodie mit Werbeaufdruck der Durchhaltekneipe Erika’s Eck im Schanzenviertel – der weiß ziemlich gut, die Triggerpunkte seines Publikums anzusteuern.

Der Schnacker Mädel weiß, wann er umschalten muss

Mädel also erzählt von den Dreharbeiten, frotzelt über Drehpartner Eidinger, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, und gerade, als man denkt, dass es langsam etwas langatmig wird mit dem Geplaudere, bricht er ab und kündigt einen kurzen Vorfilm an, eine Doku über die Initiative European Institute For Sustainable Transport, kurz Eurist, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Elektrofahrräder in Uganda zu verteilen. Mädel ist ein Schnacker, aber er weiß, wann er den Schnack umschalten, wann er ernst werden muss.

Bjarne Mädel erzählt von den Dreharbeiten und witzelt über seinen Co-Star Lars Eidinger.
Bjarne Mädel erzählt von den Dreharbeiten und witzelt über seinen Co-Star Lars Eidinger. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Im Altonaer Rathaus wird es langsam dunkel. Unangenehme Kühle verbreitet sich, man mummelt sich in Decken ein, wenigstens hat sich der Regen verzogen, der tagsüber am Sonnabend in Hamburg gewütet hatte. Man muss ja zugeben, dass Open-Air-Kino eine zwiespältige Angelegenheit ist: Ja, das Ambiente im 1844 erbauten, klassizistischen Rathausgebäude ist wunderschön. Ja, dass Möwen den Film immer wieder mit ihrem durchdringenden Kreischen unterbrechen, hat seinen hanseatischen Reiz. Aber auch Schnaken laben sich am Kinopublikum, das ist weniger schön.

Craftbeer schmeckt nicht

Außerdem sieht man von vielen Plätzen nicht optimal, weil die architektonischen Gegebenheiten keine ansteigende Tribüne erlauben. Und dass das ausgeschenkte Craftbier von der New Yorker Brooklyn Brewery stammt, ist auch nur so mittellecker. Und es ist kalt, nach einer Weile sogar bitterkalt.

Zeise-Geschäftsführer Matthias Elwardt derweil berichtet: dass „25 km/h“ im vergangenen Jahr der erfolgreichste Film in seinem Kino gewesen sei, über 10.000 Besucher hätten ihn in Altona gesehen. Eigentlich hatte Elwardt gehofft, dem Verleih mit den Open-Air-Aufführungen den Millionsten Besucher zu verschaffen, allein: Aktuell machen ältere Filme nur unter freiem Himmel noch halbwegs Kasse, und Open Air ist angesichts des Wetters kein kommerzieller Selbstläufer. Mädel sekundiert, dass seine Gage so hoch gewesen sei, als Co-Star habe man sich leider nur Eidinger leisten können. Haha. Aber die Zusammenarbeit sei gut gewesen: „Lars ist gar nicht so schwierig, wie alle sagen. Und eben sehr günstig.“ Hahaha. Und die Dreharbeiten hätten Spaß gemacht: „Man sitzt im Sommer auf dem Mofa, die Straßen sind abgesperrt, und man denkt, Wahnsinn, da kriegen wir auch noch Geld dafür … Also, Lars nicht so viel.“ Hahahaha. Doch, man muss ihn mögen.

Ein harmloses Filmchen

„25 km/h“ entpuppt sich dann als Film, den man freundlich als „harmlos“ bezeichnen darf. Zwei ungleiche Brüder tuckern per Mofa quer durch Deutschland, vom Schwarzwald bis zur Ostseeküste, dabei erleben sie mal bedrohliche, mal lustige Abenteuer, sie streiten sich, sie versöhnen sich, und am Ende haben sie sich einander angenähert. Kann man machen, ist allerdings extrem vorhersehbar: Jede Wendung des Geschehens kündigt sich minutenlang an, hier gibt es gleich Stress, hier wird auf die Tränendrüse gedrückt, das kann durchaus langweilig werden. Wären da nicht: Mädel und Eidinger. Die beiden Schauspieler füllen ihre Rollen mit Leben, weswegen man auch die knapp zweistündige Roadmovie-Konvention gut durchhält – wahrscheinlich gibt es im deutschsprachigen Kino aktuell keinen besseren Komödianten als Mädel, der jeden abgedroschenen Witz cool zu unterlaufen weiß.

Weit nach Mitternacht entlässt einen Mädel in den kalten Altonaer Juli. „Das war doch ganz schön. Und wenn es wärmer ist, könnte man sich den Film vielleicht auch nochmal anschauen.“ Ach, wie charmant.

Zeise Open Air noch bis 24. 8., Altonaer Rathaus, Platz der Republik 1, Eingang über Betty-Levy-Passage, Programm: www.zeise.de/openair