Hamburg. Der Schauspieler spricht im Abendblatt-Interview über seinen Film „Traumfabrik“. Dieser erzählt auch seine eigene Geschichte.

Mit Michael Gwisdek zu sprechen ist immer eine Freude. Der Schauspieler sprudelt geradezu vor Anek­doten, die er schön berlinernd zu erzählen versteht. So auch über seinen neuen Film „Traumfabrik“, der im Berliner Zoo Palast Premiere feierte. Zwar spielt Gwisdek nur eine Nebenrolle als Erzähler einer ziemlich verrückten Liebesgeschichte in den Filmstudios Babelsberg im Schicksalsjahr 1961, als die Mauer gebaut wurde. Aber der 77-Jährige ist der einzige unter den „Traumfa­brik“-Darstellern, der früher wirklich in Babelsberg gearbeitet hat. Und auch sonst sei die Filmhandlung eigentlich seine Geschichte, sagt Gwisdek.

Herr Gwisdek, für Sie ist diese Premiere im Zoo Palast ein Glücksmoment. Wieso eigentlich?


Michael Gwisdek: Wissen Sie, warum ich Schauspieler werden wollte? Nicht wegen der Filme. Nicht wegen der Preise. Kannst du alles vergessen. Sondern weil ich als junger Mensch, damals war die Grenze noch offen, vor dem Zoo Palast stand. Da lief „Die glorreichen Sieben“ mit Horst Buchholz, und da hing ein großes Plakat mit seinem Namen über dem Eingang. Ich wollte meinen Namen auch mal da sehen. Jetzt ist das wahr geworden. Ich bin mehrmals raus. Um zu rauchen, hab ich gesagt. In Wirklichkeit hab ich immer geschielt, ob wirklich der Name da steht. Und ja, ich habe es geschafft. Ist nicht rückgängig zu machen.

Michael Gwisdek mit Film-Enkel in der Rahmenhandlung des Films „Traumfabrik“
Michael Gwisdek mit Film-Enkel in der Rahmenhandlung des Films „Traumfabrik“ © Tobis | Unbekannt

Aber haben Sie nicht schon einige Filmpremieren im Zoo Palast gehabt?

Müsste man eigentlich denken. War vielleicht auch so. Aber lassen Sie mir das Gefühl, dass es das erste Mal ist. Die Initialzündung für meine Karriere war Horst Buchholz. Ich habe dann im Fernsehen gesehen, wie er sich auf den Western vorbereitet hat: Er hat nur geübt, wie er mit dem Colt umgeht. Also habe ich geschlussfolgert, wenn ich mich mal als Schauspieler bewerbe, muss ich einen Colt ziehen können. Und habe das zweieinhalb Jahre trainiert.

Und konnten Sie das auch mal einsetzen?

In meinem ersten Film in Babelsberg.

Das ist mir gar nicht geläufig ...?

Kann auch nicht! Ich bin ja nicht zu sehen. Aber meine Hand, wie sie den Colt zieht. Ich war an der Schauspielschule. Ich hatte keine Ahnung, aber den Colt ziehen, das konnte ich. Deshalb hat man mich in den Kaukasus geschickt, als Spezialschießer von Rolf Hoppe.

„Traumfabrik“ handelt vom Blick hinter die Kulissen. Sie sind der Einzige im Cast, der wirklich vor Mauerfall in Babelsberg gearbeitet hat. Was hat das für Sie bedeutet?

Mich hat ein Elch geknutscht. Ich habe ja nicht nur in Babelsberg gearbeitet. Der Film ist eigentlich meine Geschichte. Okay, die Lovestory ist die des Produzenten Tom Zickler. Aber als ich das Drehbuch gelesen habe, sagte ich ihm: „Du weißt aber schon, dass der Rest der Geschichte meine ist.“ Im Film geht es um einen jungen Mann, der, um seine Liebe in die DDR zurückzubekommen, einen großen Film plant. Auch wenn er null Ahnung von Regie hat und ihm lauter Steine in den Weg gelegt werden. Ganz ähnlich ist 1989 mein erster Film „Treffen in Travers“ entstanden. Da hieß es auch: Gwisdek ruiniert das Studio. Wieso bekam der diesen Film?

Und wieso bekamen Sie ihn?

Ich wollte damals unbedingt einen Film machen. Der Stoff war mir egal. Ich hätte auch das Telefonbuch verfilmt. Ich hatte dann ein Vieraugengespräch mit Generaldirektor Meede, der Mitglied des ZK war. Der hat sich totgelacht. Aber ich habe gedroht, dass ich sonst abhaue und morgen im Westen bin. Und dass er dann in der Zeitung lesen würde, warum ich weg bin.

Diesen Film hat er gedreht, um seine Beziehung zu retten: Gwisdek mit Corinna Harfouch in „Mambospiel“
Diesen Film hat er gedreht, um seine Beziehung zu retten: Gwisdek mit Corinna Harfouch in „Mambospiel“ © united archives | Pa

Wurde man dafür nicht gleich eingebuchtet?

Nicht mehr in der Zeit. Da gab es schon offene Zersetzungserscheinungen in der DDR. Die hatten ganz andere Sorgen. Es brodelte überall. Meede wusste, am Theater war ich einer von denen, bei denen es am meisten gebrodelt hat. Da hat er sich auf den Deal eingelassen, um Ruhe zu haben. Ich wusste, da lag so ein Historienstoff in der Schublade, den keiner verfilmen wollte. Gebt mir den, hab ich gesagt. Und wie im Film habe ich auf die Frage, wer denn mit mir arbeiten soll, all meine Freunde aufgelistet: Corinna Harfouch, Herrmann Beyer, Uwe Kockisch. Auch die Leute hinter der Kamera. Und immer die Besten. Die kriegste nie, wurde mir gesagt. Aber die saßen ja alle ständig bei mir zu Hause rum.

Dennoch legte man ihnen Steine in den Weg.

Weil ich Szenen gedreht habe, die in dem Drehbuch, das abgenickt war, gar nicht drinstanden. In dem Film geht es um das revolutionäre Paris im 19. Jahrhundert und wie man dort mit Andersdenkenden umging. Ich habe aber Texte aus dem „Neuen Deutschland“ und von Wolf Biermann zitiert. Alle hatten Angst, dafür ins Gefängnis zu kommen.

Stattdessen wurden Sie mit „Treffen in Travers“ sogar nach Cannes eingeladen.

Und da wehte dann die Flagge der DDR! Aber während des Drehs haben die sich in die Hosen geschissen.

Sie sagen, alles in „Traumfabrik“ haben Sie auch so erlebt. So eine irrsinnige Liebesgeschichte aber nicht?

Nee, die nu’ nicht. Dass ich für eine Frau einen Film gemacht habe, stimmt schon auch. Das war dann aber ein anderer Film, mein letzter als Regisseur: „Das Mambospiel“. Den habe ich gemacht, um eine Beziehung zu retten. Durch den Film konnte ich die um fünf Jahre verlängern. Das hat geklappt.

Sie sprechen von Corinna Harfouch.

Die Grundelemente sind etwas anders als bei „Traumfabrik“. Aber die Denke war die gleiche: „Ich mach für die Harfouch einen Film.“ Sie sehen, ich war der Richtige für „Traumfabrik“. Bei diesem Film mag man denken, ist ja alles Kitsch. Eben nicht. Das waren Ur-Träume von mir. Die sind auch alle wahr geworden.

Empfanden Sie so etwas wie Nostalgie, in Babelsberg einen Film über das Studio Babelsberg zu drehen?

Babelsberg war für mich immer Hollywood. Das hat sich aber inzwischen wohl erledigt. Mein Vorbild damals war James Dean. Die arme Sau hat nur drei Filme gemacht. Der hat nicht so viel erlebt wie ich. Ich habe an den schönsten Orten mit den schönsten Frauen gedreht. Und das 100-mal. Traumfabrik – ja, für mich hat sich das erfüllt.