Hamburg. Der Schauspieler („Tatort“) hat seinen ersten Roman geschrieben, er heißt „Düsternbrook“. Leider ist er ziemlich misslungen.
Man darf es doch sicher erst einmal gut finden, dass das Buch an sich, aller Unkenrufe zum Trotz, immer noch zum Renommieren taugt. Würden sonst, nur mal so aus gegebenem Anlass, so viele Fernsehgesichter zur literarischen Tat schreiten? Zuletzt Matthias Brandt, Burghart Klaußner, Christian Berkel. Alle, scheint’s, fühlten sich in ihrem eigenen Metier nicht ausgelastet.
Verlage freuen sich über Manuskripte bekannter Leute, denn die muss man nicht durchsetzen. Ein Platz auf der Bestsellerliste ist garantiert. Die Gefahr ist allerdings, dass die an sich bestens beleumundeten Darsteller den Schriftsteller lediglich mimen. Die Produktqualität ist doch sehr unterschiedlich, man kennt das auch von schreibenden Musikern. Bleiben wir im Schauspielfach. Es liegt nun vor: der erste Roman von Axel Milberg („Tatort“, „Jahrestage“), dem 62 Jahre alten, späten Debütanten. „Düsternbrook“ ist ein autobiografisch grundierter Roman, der, so hat Milberg zu Protokoll gegeben, nicht allein seine, sondern noch viel mehr die Geschichte einer Generation erzählen soll.
Bundesrepublikanische Patina
In guten Momenten hat „Düsternbrook“, dieses nach einem Villenviertel in Kiel benannte Buch, genau diese bundesrepublikanische Patina. Eine Stadt im Norden des Landes, die Sechziger-, die Siebzigerjahre, und mittendrin ein Heranwachsender, den man sich als einen seiner selbst bewussten, aber auch ein wenig versponnenen Kerl vorstellen muss. Später wird er nach München gehen, in die weite Welt, auf die Schauspielschule. Bis er zur Emanzipation vom Elternhaus kommt, gilt es die täglichen Abenteuer zu bewältigen, die eine behütete Jugend mit sich bringt.
Nun ist es so, dass eine behütete Jugend, in der der Wohlstand alle Gefahren oder Herausforderungen einhegt, nicht per se Plot-tauglich ist, wenn mehr erzählt werden soll als etwa die Episode, wie der kleine Axel einmal naschen wollte: „Frau Möller lugte über die Theke, und ich sagte: ,Ein Capri.‘ ,Warte, das ist alle. Magst du ein Nogger? Ja?‘ ,Nein, danke.‘“ Capri-Eis als Abzeichen einer Epoche? Gut, haben wir verstanden. Dennoch bleibt die Aneinanderreihung derartiger Episoden mehr als nur fad. Sie wird in ihrer forcierten Pointenlosigkeit, die dem Anschein nach Absicht ist, Absicht sein muss, mit zunehmender Dauer ein Ärgernis.
Flamboyanter und schwuler Onkel
Es gibt einen flamboyanten und schwulen Onkel, dessen Lebenspartner später an Aids stirbt, und den der, wie jeder Jugendliche, von den Verhältnissen hin und wieder auch gelangweilte Axel allein aufgrund seiner Andersartigkeit schätzt. Auf der anderen Seite Großeltern, die in einer Art Schloss leben und so förmlich sprechen, als wollten sie sowieso aus der Zeit fallen, in der sie leben. Was hätte Joachim Meyerhoff, der viel bewunderte Schauspieler und Schriftsteller, der in seinem autobiografischen Zyklus das Aufwachsen als Sohn eines Psychiatrie-Leiters zum Ausgangspunkt seiner Lebenslauf-Revue macht, aus diesem Setting gemacht? Ach, Meyerhoff.
Lesen heißt vergleichen, und bei Milberg fällt dann eben doch schnell auf, wie wenig literarisch durchgearbeitet „Düsternbrook“ ist. Jenes Werk, dass ja in einigen Aufblendungen der Sechzigerjahre-Realität zu überzeugen weiß. Der Vater verdient als Anwalt den Lebensunterhalt dieser durch und durch bürgerlichen Existenz, in der sich einer entschied, Künstler zu werden. Die Mutter, eine Ärztin, bleibt für die drei Kinder zu Hause. Milberg porträtiert sie nicht immer schmeichelhaft, überhaupt ist eine Stärke des Romans sein fehlendes Sentiment. Sie seien „etwas Besseres“, bläut sie ihren Kindern ein. Dabei ist sie es, die etwas Besseres ist als einfach Hausfrau.
Dem Roman mangelt es an Dramaturgie und Formung. Der Erzähler Milberg scheitert daran, seinen Geschichten eine Kohärenz zu geben, und die war bei allem Bekenntnis zum Sprunghaften ja wohl beabsichtigt. Der Sprachstil ist überdies so penetrant lakonisch, dass derlei Minimalismus nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal sein muss.