Hamburg. Sie hatte etwas Verruchtes, war bissig und warmherzig. Über Dieter Wedel und Bernd Eichinger sprach Elsner sehr offen.

Die Männer fanden sie toll, die Frauen haben sie verehrt. Als Schauspielerin, natürlich, als scheinbar alterslose Schönheit, na klar (wie sie es hasste, ständig auf ihr Alter angesprochen zu werden), aber auch als Symbol. Als Symbol einer, so jedenfalls strahlte sie es aus, eigensinnigen, unabhängigen, starken Frau. „Ich fühlte mich absolut frei geboren und absolut emanzipiert – schon als ich noch gar nicht wusste, was das ist“, sagte Hannelore Elsner im letzten großen Interview mit dem Hamburger Abendblatt. „Ich glaube, es war nur eine ganz schmale Zeit, in der Frauen so fühlen konnten. Mein oberstes Gebot war: Niemals abhängig sein, nie-mals!“

Sie war schlagfertig und ausgesprochen warmherzig, sie konnte bissig sein und mitunter das, was manche „schwierig“ nennen. Weil sie, zum Beispiel in Interviews, halt auf Genauigkeit achtete. Wenn es um ihr Privatleben ging, wollte sie nicht den Texten und Lesarten anderer ausgeliefert sein. Hatte man mit ihr gesprochen, musste man das fertige Gespräch zum Gegenlesen schicken – per Fax nach Frankfurt. War es gedruckt, konnte es passieren, dass sie persönlich anrief und sich sehr herzlich bedankte.

Hannelore Elsner war am Theater und hat mehr als 200 Filme gedreht, sie hat bemerkenswerte, große Rollen gespielt – „Die Unberührbare“ war im Jahr 2000 ein Höhepunkt – und viele kleine, unbedeutende. Auch seichte Sexfilmchen gehören zu ihrer Biografie, auch Schulklamotten aus den 1960er-Jahren wie „Die Lümmel von der ersten Bank“. In der „Kommissarin“, die sie von 1994 bis 2006 in Lederjacke spielte, wirkte sie immer ein wenig, als wäre ein französischer Filmstar aus Versehen in den ARD-Vorabend gefallen – und trotzdem war sie auch hier die Idealbesetzung.

Dieser Mund! Flrtet sie?

Sie hatte etwas Verruchtes und etwas Mädchenhaftes, Verletzliches an sich; ihr Lachen (dieser Mund!) war vollkommen entwaffnend und widersprüchlich zugleich. Flirtet sie? Macht sie sich lustig?

Sie wollte immer zum Film. Unbedingt. Zwar hat sie am Theater angefangen (und schrieb an den Münchner Kammerspielen Geschichte als erste Nackte auf der Bühne). Aber dann rief 1963 Will Tremper an. Der drehte in Berlin „Die endlose Nacht“, ein Episodenfilm im Flughafen Tempelhof. Hannelore Elsner sollte ein junges Starlet spielen, das nach oben will. Es war nicht ihre erste Filmrolle – das war 1959, mit 17, „Bei Freddy unter fremden Sternen“ neben Freddy Quinn. Aber, das ahnte, das wusste sie, „Die endlose Nacht“ war der Film, mit dem sie groß herauskommen würde.

Also fuhr sie nach Berlin. Obwohl sie hätte Theater spielen müssen. Der Groll war ihr sicher. Aber die Entscheidung hat ihr Glück gebracht. So ist sie denn auch ein Leben lang verfahren, sie hat immer auf ihren Bauch gehört. Nie auf Manager oder Agenten – sie hatte gar keine.

Hannelore Elsner war zunächst nur das "Sexhäschen"

Dabei hat Hannelore Elsner viele Häutungen absolviert. Der Weggang vom Theater war nur der eine. Beim Film wurde sie anfangs reduziert auf das „Sexhäschen“, die junge Schöne, die den Männern den Kopf verdrehte. Nicht nur in „Die endlose Nacht“, auch sonst. Sie war 1969 noch einmal die erste Nackte, diesmal im deutschen Fernsehen, im ARD-Film „Christoph Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas“. So was sorgte damals noch für Skandälchen. Ihr Potenzial wurde erst richtig erkannt, als ihr damaliger Lebensgefährte, der Regisseur Alf Brustellin, mit ihr Filme wie „Berlinger“ und „Der Sturz“ drehte und bisher unbekannte Facetten ihres Könnens offenbarte. So wurde sie zu einem Gesicht auch des Neuen Deutschen Films.

Ihren bis dahin größten Triumph feierte Hannelore Elsner nach damals 15-jähriger Abstinenz wieder im Kino: In Oskar Roehlers „Die Unberührbare“, wo sie, kaum verschlüsselt, die Mutter ­Roehlers spielte. Gisela Elsner (mit der sie, die am Anfang ihrer Karriere aus dem eigentlichen Geburtsnamen Elstner das „t“ strich, nicht verwandt war) war eine kämpferische Schriftstellerin, die für ihre Kunst und ihre Süchte lebte und darüber ihr Kind und ihre Familie komplett vernachlässigte. Eigentlich ein Monster, das Hannelore Elsner aber mit einer ­solchen Aura umgab, dass man bis zu ­deren selbstgewählten Tod mit dieser Figur fieberte.

Mit 58 bekam ihre Karriere noch einen Schub

Damit gewann die Elsner nicht nur einen Deutschen Filmpreis als beste Schauspielerin, mit 58 Jahren bekam ihre Karriere zudem noch mal einen ungeahnten Schub. Ob dramatisch in Oliver Hirschbiegels „Mein letzter Film“ (2009) oder saukomisch in Dani Levys „Alles auf Zucker!“ (2004), ob als Bushidos Mutter in „Zeiten ändern sich“ oder wiederum als unwürdige Mutter in Doris Dörries „Alles inklusive“: Hannelore Elsner wurde eine der gefragtesten und vielseitigsten Schauspielerinnen des deutschen Films.

Vor acht Jahren hat Hannelore Elsner ihre Memoiren geschrieben. Dabei erzählte sie nie gern von sich, ging auch nie gern in Talkshows. „Im Überschwang“ wurde ein Buch, von dem sie nicht wusste, ob es die Wahrheit ist. Aber es sei ihre Wahrheit, hat sie uns damals gestanden. Und es ging darin wenig um ihre Rollen, wenig um ihre großen Erfolge. Sondern um die eher unbekannten Seiten. Als sie noch „die Hanni“ war, ein Mädchen mit vorstehenden Eckzähnen, das sich als hässliches Entlein fühlte und von einem Internat ins andere musste.

Affären: Bernd Eichinger und Dieter Wedel

Sie erzählte auch recht offen von ihren Partnern, von Alf Brustellin und Bernd Eichinger. Und von Dieter Wedel, der aber nur „Der Andere“ genannt wurde und auch nie erwähnt worden wäre, wenn von ihm nicht ihr vergötterter Sohn Dominik gewesen wäre. Dass man Wedel als „Vater“ bezeichnet, war ihr ganz und gar nicht recht.

In dem Buch hat die Schauspielerin einmal in ihr Leben blicken lassen. Das hat sie sonst gezielt vermieden. Im Abendblatt-Interview positionierte sie sich vor anderthalb Jahren in der #MeToo-Debatte – und wollte es anfangs gar nicht. Aber sie hatte dann eben doch manches zu sagen. „Es fängt schon damit an, dass ich dagegen bin, dass die Frauen sich wieder hinstellen sollen und das alles über sich ergehen lassen müssen. Dass man wieder sagen kann: Na ja, Filmgeschäft, die werden schon auch ein bisschen …“ Sie selbst sei „nie gefährdet“ gewesen, sagte sie damals. „Ich hab halt Nein gesagt.“

Ein Satz, der ihr auch Kritik einbrachte. Dabei wurde sie sehr deutlich: „Diese Gewalt, die in manchen Männern ist, die muss man sich mal ganz genau anschauen. Die Ausbeuter sind ja meistens Männer. Die gefährden die ganze Welt – und es tut mir weh, wenn ich das sage.“

Gerade noch war sie in Doris Dörries „Kirschblüten & Dämonen“ zu sehen, der Fortsetzung ihres Erfolgs „Hanami - Kirschblüten“, in dem sie bereits gestorben war und nun als Geist wiederkehrte. Am Dienstag wurde bekannt, dass Hannelore Elsner am Ostersonntag nach kurzer, schwerer Krankheit in einem Münchner Krankenhaus gestorben ist. Mit 76 Jahren. Die Öffentlichkeit hatte davon nichts mitbekommen, wohl auch nichts mitbekommen sollen.

So bleibt die Schauspielerin in Erinnerung als eine charismatische Frau voller Energie, der auch das Alter nichts anhaben konnte, die immer beharrlich ihren Weg ging. „Ich war nach außen nicht sehr kämpferisch“, hat sie einmal gesagt, „aber ich hab mich nach innen immer durchgekämpft, immer meinen Stolz und meine Würde behalten, egal in welcher Situation ich war, das hab' ich wahrscheinlich von meiner bayerischen Oma."