Hamburg. „Die Niere“ erlebt in der Komödie Winterhude eine gefeierte Premiere. „Tatort“-Star Domic Raacke überzeugt beim Hamburger Bühnen-Debüt.

Am vergangenen Wochenende war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Hamburg: am Freitagabend als Ehrengast beim traditionellen Matthiae-Mahl im Rathaus, am Sonnabend bei der nachträglichen Feier zum 100. Geburtstag Helmut Schmidts in der Elbphilharmonie. Für einen Besuch in der Komödie Winterhuder Fährhaus blieb da keine Zeit. Die dort auftretenden Berliner Schauspieler Dominic Raacke und Katja Weitzenböck nennen Steinmeier indes „unser Maskottchen“.

Der damalige SPD-Fraktionschef lieferte mit der Nierenspende an seine erkrankte Ehefrau dem gefragten österreichischen Theaterautor Stefan Vögel („Achtung Deutsch“, „Neun Tage frei“) die Anregung zu seinem Stück „Die Niere“. Nach der Uraufführung 2018 in Berlin quittierte auch das Hamburger Publikum seine Komödie mit vielen Lachern und minutenlangem Applaus.

Ist eine neue Niere wie ein neues Leben?

Im Mittelpunkt: Raacke als Architekt Arnold und Katja Weitzenböck als seine Ehefrau. Eben noch hat der schlanke und fitte Turm-Erbauer glücklich um das Modell seines jüngsten Auftrags, des 26-stöckigen „Diamond Tower“, herumgetanzt, da schneit Kathrin ins Luxus-Apartment herein und trübt die Partystimmung: Sie braucht eine neue Niere. Sobald wie möglich. So sagen es die Labor-Ergebnisse des gemeinsamen Arztes. Und Arnold hat die gleiche Blutgruppe.

Ist eine neue Niere wie ein neues Leben? Das ist hier die Frage, um deren Antwort sich Arnold windet. Als die besten Freunde Götz und Diana wie bestellt erscheinen, eskaliert der Streit um die notwendige Spende – der nicht ganz so austrainierte Götz (Romanus Fuhrmann), ebenfalls Blutgruppe A, will Kathrin sofort eine Niere spenden. „Ich sage nur Fettniere“, giftet Arnold. Und Götz’ Partnerin Diana (Jana Klinge), eine Apothekerin, ist ebenfalls wenig erbaut.

Raacke spielt alle Facetten eines Kotzbrockens

Es brodelt unter allen vieren. Ein Verdienst primär von Autor Vögel. der rund ums brisante Thema Organspende ein modernes doppelbödiges Beziehungsstück kreiert hat. Es lebt von pointierten, alles anderen als platten Dialogen und einer mit fetzigen Musik garnierten straffen Regie Martin Woelffers.

Dominic Raacke, bekannt als langjähriger Berliner „Tatort“-Ermittler, überzeugt bei seinem Hamburger Theaterdebüt mit Präsenz und Bühnensprache. Als Arnold spielt er alle Facetten eines Kotzbrockens: anfangs aufgekratzt, dann kaltherzig-geschäftsmäßig am Ende larmoyant wie ein Kleinkind. Der Turm – für viele ja auch ein phallisches Symbol steht nicht mehr wie eine Eins. Schließlich hat die Ehefrau ja auch ihre Nöte, vielmehr Bedürfnisse. Katja Weitzenböck gibt ihrer Kathrin eine bemerkenswerte Raffinesse.

Einziges Manko an Vögels Stück: Der zweite Teil und damit die dritte Szene dauert kaum länger als die Pause.