Hamburg. Kristen Roupenian gelang mit einer Kurzgeschichte ein Internet-Hit. Jetzt erscheint ihr erster Erzählungsband.

Da ist Ted, der Nerd. Eher klein, nicht überragend gut aussehend. Er wanzt sich dennoch immer an die Hübschen heran, die Niedlichen, die Populären. Zunächst ist er dabei fast noch ein Kind, noch nicht mal Teenager, und er schmeckt früh die bitteren Früchte der Abweisung. Später verliebt Ted sich in Anna Travis. Anna Travis ist eine Highschoolschönheit, aber anders als ihre Vorgängerinnen muss sie Ted keinen Korb geben. Ted hat seine Taktik geändert: Er ist jetzt der engste Freund der schönen Frauen.

Er verehrt sie heimlich. Richtet sich ein im wohltemperierten Schmerzraum des Verzichts. Manchmal, bei einem der Beste-Freunde-fürs-Leben-Abende mit „Saturday Night Live“, scheint doch so etwas wie Romantik von Annas Seite aus aufzublitzen. Ted könnte ihr theoretisch jetzt seine Liebe gestehen. „Und weil Veränderung unheimlich und Ted sich zu 99 Prozent sicher war, dass Anna nichts von ihm wollte, beließ er es einfach dabei und war weiter der nette, freundliche, vollkommen unaufrichtige Ted.“

Frauen haben keine Macht mehr über ihn

Die Liebe ist in der Kurzgeschichte „Ein netter Typ“ wie in den anderen Kurzgeschichten des ersten Story-Bandes der Autorin Kristen Roupenian eine Angelegenheit mit dem Motto „Versuch und Irrtum“. Es geht um emotionale Lernkurven, Gefühlsmanagement, es geht um Begehren und Narzissmus, um Auf- und Abwertung. Es geht darum, die Dinge, die Frauen und Männer miteinander tun, als Ursachen und Folgen einer Körper- und Seelenmechanik zu verstehen. Ted, der Loser, wird später zu dem, der die Frauen wie Verliererinnen aussehen lässt. Er beendet, als erwachsener Mann, jede Beziehung nach ein paar Monaten.

Die Frauen, selbst wenn sie rein äußerlich eine Liga über ihm spielen, haben nun keine Macht mehr über ihn. Sie sind, biologische Uhr und so, auf der Suche nach Verlässlichkeit. Wo bleibt angesichts dieser banalen Triebsteuerung auf der Gegenseite der Lustgewinn, der Kick?

Mehrere Zeitebenen

Und so heulen sie ihm alle ins Gesicht, all die Abservierten, denen er wie Angela den Laufpass gibt. Ebendiese Angela wirft ihm aber auch etwas ins Gesicht, ein Glas eiskaltes Wasser, und es sagt alles über das Berechnende im Wesen Teds, über sein schlechtes Gewissen und das Wissen um seine eigene Berechenbarkeit, dass er natürlich findet, dies alles zu verdienen: „Vielleicht würde sein Schwanz Erfrierungen erleiden, zusammenschrumpfen und abfallen, und dann würden all die Frauen, mit denen er je ausgegangen war, eine Party zu Ehren von Angela schmeißen, der furchtlosen Heldin, die seine Schreckensherrschaft über die Single-Frauen New Yorks beendet hatte.“

Kristen Roupenian, Jahrgang 1982, verschränkt auf ihrer knapp 50 Seiten umfassenden Erzählung mehrere Zeitebenen, um die Psychologie eines Mannes und der Frauen zu entfalten, die mit seiner Libido (mehr oder weniger) in Berührung kommen. Auf eine Weise, die gar nicht so pointiert ist, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Dennoch ist die Erzählung ein fesselndes Meisterstück. Ganz sicher beruht ihre Attraktivität auf einer thematischen Abkürzung auf dem Weg zum Leser: Es geht um Sex, und Sex interessiert jeden.

Erotisches Fiasko

Unter anderem deswegen ist Roupenian Ende 2017 etwas ganz und gar Außergewöhnliches geglückt. Sie wurde mit Literatur zum Partygespräch und zum viralen Hit. Wenn nun auch ihr deutscher Verlag die Veröffentlichung des Erzählungsbandes „Cat Person“ mit einem Zitat des „Guardian“ bewirbt, wonach die in ihr enthaltene Titelgeschichte „die meist diskutierte Short Story aller Zeiten“ sei, dann muss das nicht einmal übertrieben sein. Nach der Veröffentlichung von „Cat Person“ im „New Yorker“ wurde die Erzählung mehr als zweieinhalb Millionen Mal online geteilt. Und bei der Re-Lektüre des Erzählstücks, das im Mittelpunkt der zwölf Erzählungen steht, verdeutlicht sich einmal mehr, welchen Treffer ins wild rumpelnde Herz des Geschlechterverhältnisses Roupenian gelandet hat.

Kristen Roupenian: „Cat Person“. Übers. v. Nella Beljan und Friederike Schilbach. Blumenbar. 283 S., 20 Euro.
Kristen Roupenian: „Cat Person“. Übers. v. Nella Beljan und Friederike Schilbach. Blumenbar. 283 S., 20 Euro.

Die 20-jährige Margot und deren Begegnung mit dem 34-jährigen Robert, der auf der Sex-Appeal-Skala unter ihr rangiert: Das muss in einem erotischen Fiasko enden. Das irritierende Erlebnis wird aus ihrer Sicht geschildert, was Fragen hinsichtlich Roberts offen lässt. Klar ist: Seine Liebhaberqualitäten sind mies. Er liebt wie im Porno, gibt seltsame Geräusche von sich und abturnende Sprüche („Ich wollte schon immer ein Mädchen mit schönen Titten ficken“). Nutzt die Erzählerin nicht dennoch ihre Macht, um den Mann lächerlich aussehen zu lassen?

Aber was ist mit Margot, warum schläft sie eigentlich mit ihm, wo sie doch schon genug hatte, als er sich so dermaßen ungelenk aus seinen Klamotten schälte? „Sie versuchte, ihre Ablehnung in Unterwerfung niederzuknüppeln, indem sie einen Schluck Whiskey trank“ – das ist der zentrale Satz, über den gesprochen wurde und wird. Leserinnen erkannten sich in Margot wieder, Leser fühlten sich durch Robert mindestens schlecht repräsentiert. In der #MeToo-Debatte um Machtverhältnisse musste so oder so über „Cat Person“ gesprochen werden. Ihr literarisches Versprechen löst Roupenian mit den übrigen Stories unbedingt ein.